Kräuterwanderung: Essbares am Wegesrand im Frühling

Gemein­sa­me Pflanzenbestimmung

Eine Kräu­t­er­wan­de­rung im ehe­ma­li­ge Bota­ni­sche Gar­ten der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät* ist etwas Beson­de­res. Er liegt in Blan­ken­fel­de, einem Stadt­teil, weit außer­halb Ber­lins. Sein weit­läu­fi­ges Gelän­de beher­bergt neben dem gepfleg­ten, vor­de­ren Teil auch gro­ße Area­le, die weit­ge­hend der Natur über­las­sen sind. Wie­sen, alte Obst­baum-Gär­ten, Feucht­ge­bie­te und sogar ein Buchen­wald laden zur Erkun­dung ein. Dort wach­sen auch zahl­rei­che Wild­kräu­ter, die Eli­sa­beth West­phal bei einer Kräu­t­er­wan­de­rung vor­stellt. Sie ist die Kräu­ter­frau der Grü­nen Liga Ber­lin und macht sol­che Ver­an­stal­tun­gen regel­mä­ßig. Ende April hat sich eine Grup­pe von 15 Per­so­nen bei strah­len­dem Son­nen­schein ein­ge­fun­den. Der dies­jäh­ri­ge Früh­ling mit eher som­mer­li­chen Tem­pe­ra­tu­ren hat bewirkt, dass die Natur schon sehr weit ist. Wäh­rend West­phal in so man­chen April­mo­na­ten der Vor­jah­re wegen des küh­len und wech­sel­haf­ten Wet­ters die Kräu­ter suchen muss­te, kann sie in die­sem Jahr aus dem Vol­len schöp­fen, denn alles zeigt sich in üppigs­tem Grün.

Essbare Birkenblätter

Bir­ke (Betu­la pen­du­a­la)

“Zwar habe ich zu einer Kräu­t­er­wan­de­rung ein­ge­la­den, doch möch­te ich mit den ess­ba­ren Blät­tern von Bäu­men begin­nen”, lei­tet West­phal zur Über­ra­schung der Betei­lig­ten ein. Im vor­de­ren Teil des Bota­ni­schen Gar­tens ste­hen ver­schie­de­ne Laub- und Nadel­bäu­me, die zu einer Kost­pro­be anre­gen. Die Kräu­ter­frau fängt bei einer Bir­ke an, “die­se Blät­ter sind schon fast zu weit”, sagt sie rupft ein paar Blät­ter von der Hän­ge­bir­ke (Betu­la pen­du­la) ab und steckt sie demons­tra­tiv in den Mund. Die meis­ten aus der Grup­pe sind zunächst vor­sich­tig und pflü­cken nur ein Blatt ab und kau­en vor­sich­tig dar­auf her­um. Tat­säch­lich sind die Bir­ken­blät­ter schon rela­tiv weit, dass heisst sie sind nicht mehr so weich. Man­che Bir­ken­blät­ter haben sich sogar schon ihre led­ri­ge Ober­flä­che zuge­legt. Beim Pro­bie­ren unter­schied­li­cher Blät­ter stellt sich her­aus: Je älter die Blät­ter, des­to här­ter ihre Blatt­ober­flä­che, des­to bit­te­rer ihr Geschmack. Wer noch ein ganz zar­tes, wei­ches Blatt ent­deckt hat, schmeckt leicht den Unter­schied. West­phal erzählt, dass ein Ess­löf­fel aus etwa sechs jun­gen Blät­tern sich als Zusatz für das mor­gend­li­che Müs­li eig­nen. Sie wer­den ganz fein geschnit­ten und unter­gemengt. “Die Bir­ke ent­gif­tet die Kör­per­ge­fä­ße ohne Nie­ren oder die Leber zu belas­ten”, sagt sie. Wer also eine Bir­ke im Gar­ten oder in der Nähe hat, kann auf eine bil­li­ge und gut funk­tio­nie­ren­de Ent­schla­ckungs­kur zurück­grei­fen. Alle Bir­ken-Sor­ten haben den ent­schla­cken­den Cha­rak­ter “nie­mand muss also auf eine bestimm­te Bir­ken­sor­te ach­ten”, fügt West­phal noch hin­zu. Das glei­che gilt für die Her­stel­lung von einem bil­li­gen und wirk­sa­men Haar­was­ser (sie­he Kas­ten). Aus einem Sud kann ein Bir­ken­was­ser selbst her­ge­stellt wer­den. Etwa 4 Ess­löf­fel des fer­ti­gen Suds wer­den über die Kopf­haut ver­teilt und etwa 4 Minu­ten lang kräf­tig ein­mas­siert: Das macht nicht nur wach, son­dern lässt auch (noch vor­han­de­ne) Haa­re sprie­ßen. Denn die Wirk­stof­fe des Bir­ken­was­sers för­dern die Mikro-Blut­zir­ku­la­ti­on der Kopfhaut.

Herstellung Haarwasser:

Etwa 500 Gramm fri­scher Bir­ken­blät­ter sam­meln auf einen Liter Was­ser etwa 20 Minu­ten kochen. Abküh­len las­sen. Absei­hen und in eine dunk­le Fla­sche gie­ßen. Der Sud soll­te inner­halb von zwei Mona­ten ver­braucht wer­den, da kei­ne Kon­ser­vie­rungs­stof­fe bei­gefügt sind. Kühl lagern.

Der besondere Ginkgobaum

Dann geht West­phal zum nächs­ten Baum: Es ist eine Lär­che (Larix deci­du­ra), die ihre nadel­ar­ti­gen Blätt­chen eben­falls schon voll ent­fal­tet hat. Die Blätt­chen sind noch ganz weich und haben einen leicht säu­er­li­chen Geschmack. “Die Blät­ter ent­hal­ten Ascor­bin­säu­re”, erklärt West­phal, “des­halb eigen sie sich als Zitro­nen-Ersatz und kön­nen ent­we­der für süße Obst- oder herz­haf­te Blatt­sa­la­te ver­wen­det wer­den”. Zehn Meter wei­ter steht ein Gink­go-Baum (Gink­go bilo­ba). Auch hier bleibt West­phal ste­hen, zupft eini­ge Blät­ter ab und erklärt, dass sich im Früh­jahr fast alle jun­gen Baum­blät­ter zum Ver­zehr eig­nen. Mit den Gink­go­blät­tern hat es aller­dings noch eine beson­de­re Bewandt­nis. Die Kräu­ter­frau holt aus ihrem Ruck­sack ein paar Infor­ma­ti­ons­blät­ter mit che­mi­schen Struk­tur­for­meln und reicht sie her­um: “Die che­mi­sche Struk­tur­for­mel des Chlo­ro­phylls des Gink­go­bau­mes ähnelt dem des mensch­li­chen Blu­tes” sagt West­phal, “die­se Tat­sa­che hat eine gro­ße Bedeu­tung für unse­re Gesund­heit. Es gibt kei­nen bes­se­ren Nähr­stoff für unser Blut als Chlo­ro­phyll für den Eisen­sta­tus und für vie­le gesund­heit­li­che Beschwer­den. Zum Bei­spiel hat der Gink­go­baum hat noch ganz spe­zi­el­le eige­ne Wirk­stof­fe, die die Durch­blu­tung unse­rer fei­nen Kapil­la­ren verbessern”.

Vielseitige Nadelspitzen

Win­ter­lin­de (Tilia corda­ta Mill.)

West­phal geht mit der Grup­pe von einem Baum zum ande­ren: Gink­go­blät­ter schme­cken herb-bit­ter. Die Blät­ter von Win­ter- und Som­mer­lin­de (Tilia euro­paea) hin­ge­gen süß­lich. Weil sie Zucker­stof­fe ent­hal­ten akzep­tie­ren sie auch Kin­der. Die frisch ent­fal­te­ten Buchen­blät­ter sind noch ganz zart und haben kaum einen eige­nen Geschmack, sol­len aber durst­lö­schend wir­ken, so berich­tet West­phal. Prak­tisch alle die­se Blät­ter­ar­ten eig­nen sich für Sala­te oder zur Her­stel­lung von fri­schen Tees. Das Glei­che gilt für die fri­schen, hell­grü­nen Spit­zen der Nadel­ge­wäch­se: Ob Tan­nen, Kie­fern oder Fich­ten – in ihrem jun­gen, fri­schen Zustand (hell­grün) sind sie ess­bar, als Zusatz für Bäder (die Blatt­spit­zen sam­meln und ins Bade­was­ser geben) oder als schmack­haf­te Ein­la­ge im Honig ver­wend­bar. West­phal pflückt wie­der ein paar Spit­zen ab und steckt die­se in den Mund. Sie ist die Vor­kos­te­rin der Grup­pe. Doch wäh­rend die meis­ten zu Beginn der Füh­rung die Blät­ter mit eher skep­ti­schen Gesich­tern pro­bier­ten, hat nun nie­mand mehr Beden­ken: Die Blät­ter oder Nadeln wer­den von den Kräu­ter-Inter­es­sier­ten abge­pflückt, gekaut und gleich kom­men­tiert. Die­je­ni­gen, die schon mehr Erfah­run­gen haben, tei­len die­se auch ger­ne mit oder lie­fern ent­spre­chen­de Küchenrezepte.

Wildkräuter der Wiesen

Wege­rich (Plant­ago mayor)

Schließ­lich hat West­phal die Grup­pe zum natur­be­las­se­nen Teil des Bota­ni­schen Gar­tens geführt. Sie macht Halt auf einer gro­ßen Wie­se, die am Ende mit alten, wun­der­schön blü­hen­den Obst­bäu­men umsäumt ist. Das Gras der Wie­se ist schon 30 Zen­ti­me­ter hoch, wes­halb die Kräu­ter­frau ein bischen suchen muss. Dann hat sie Sau­er­amp­fer gefun­den. Sie pflückt die Blät­ter und gibt sie in die Run­de. Vie­le ken­nen die­se Pflan­ze aus der Jugend­zeit. Die Blät­ter sind sau­er wegen ihrer Oxal­säu­re. “Mit zwei Hän­den vol­ler Sau­er­amp­fer­blät­ter lässt sich eine köst­li­che Sup­pe her­stel­len”, sagt West­phal. Die Beden­ken gegen die Oxal­säu­re zer­streut sie, “Wie bei allen Wirk­stof­fen ist es so, dass gerin­ge Men­gen unbe­denk­lich sind”. Da Sau­er­amp­fer­sup­pe oder ‑Salat weder jeden Tag noch in Mas­sen geges­sen wird, kann es nicht zu gesund­heit­li­chen Schä­di­gun­gen kom­men. Das gilt auch für den Wald­meis­ter, der wie Zimt Cuma­rin ent­hält. “Des­halb soll­te sich nie­mand die Freu­de an einer sprit­zi­gen Wald­meis­ter­bow­le neh­men las­sen”, so West­phal. Auf der Wie­se ste­hen dann noch Spitz- und Breit­we­ge­rich (Plant­ago lan­ceo­la­ta, Plant­ago mayor). “Breit­we­ge­rich kann das gan­ze Jahr über in Sala­te geschnit­ten wer­den”, sagt West­phal, “wenn er im Som­mer älter ist, emp­fiehlt es sich aller­dings die dicken Blatt­fa­sern vor­her zu ent­fer­nen, indem sie abge­zo­gen wer­den wie bei den Fäden der Bohnen”.

Brennnessel – die Königin der Heilpflanzen

Brenn­nes­sel (Urti­ca dioica L.)

Am Ran­de der Wie­se unter den Büschen ist eben­falls alles grün. Giersch und Brenn­nes­seln haben sich breit gemacht. In Anbe­tracht des Giersch sagt West­phal: “Wenn Sie den im Gar­ten haben, hilft nur eins: Essen, essen, essen”. Ein Mann scheint das wört­lich zu neh­men. Er hat sich gleich zwei Hän­de voll gepflückt und bekämpft durch unver­dros­se­nes Kau­en des jun­gen Gierschs sei­nen auf­kom­men­den Hun­ger. “Von der Brenn­nes­sel gibt es zwei Arten”, erklärt West­phal, die klei­ne und gro­ße Brenn­nes­sel (Urti­ca dioica L.). Die klei­ne Brenn­nes­sel (Urti­ca urens L.) oder auch das “klei­ne Biest” genannt, ist wegen ihres doch zu star­ken Brenn­haar-Besat­zes eher weni­ger zum Ver­zehr geeig­net. Die gro­ße Brenn­nes­sel hin­ge­gen sehr gut. West­phal knickt eine groß gewach­se­ne Brenn­nes­sel kurz über dem Boden ab. Sie dreht die Pflan­ze so, dass die­se mit dem Kopf zum Boden zeigt. “Sie kön­nen die Brenn­nes­sel schnell und ohne gro­ßen Auf­wand ent­waff­nen”, sagt West­phal. Sie umfasst die Pflan­ze und zieht die­se mit einer geschlos­se­nen Hand vom Stän­gel­en­de zum Pflan­zen­kopf. Da die Brennn­haa­re immer nur in Wachs­tums­rich­tung der Pflan­ze ste­hen, hat West­phal die­se mit einem Hand­streich abge­ris­sen. “Brenn­nes­sel­haa­re kön­nen auch mit dem Nudel­holz bear­bei­tet wer­den”, sagt eine Frau aus der Grup­pe. “Das stimmt schon, nur so kön­nen Sie das gleich mit einem Hand­griff an Ort und Stel­le erle­di­gen”, sagt West­phal, “außer­dem ver­liert sich damit der Respekt vor der Brenn­nes­sel schnell”. Von der Brenn­nes­sel ist West­phal wegen der vie­len Wirk­stof­fe und Ein­satz­mög­lich­kei­ten ganz begeis­tert. Tee, gekocht als Gemü­se, für die Sup­pe – “die Brenn­nes­sel ist äußerst schmack­haft und dazu noch gesün­der als Spi­nat, denn sie ent­hält vie­le Mine­ral- und Wirk­stof­fe” schwärmt die Kräu­ter­frau. Sie holt eini­ge Infor­ma­ti­ons­ta­feln her­vor und erklärt wie die Brenn­nes­sel als Früh­jahrs­kur zum Ent­schla­cken und Ent­gif­ten ver­wen­det wird. “Wenn Sie die Pflan­ze nicht essen mögen, soll­ten Sie den­noch die Brenn­nes­sel im Gar­ten nicht bekämp­fen”, so West­phal. Die meis­ten Men­schen sehen in der Köni­gin der Heil­pflan­zen nur Unkraut, dabei hat sie Ver­wen­dungs­mög­lich­kei­ten und Auf­ga­ben. So sind ihre Blät­ter Fut­ter für vie­le Schmet­ter­lings­ar­ten, die die Pflan­ze zum Über­le­ben brau­chen. Außer­dem lässt sich aus meh­re­ren Pflan­zen leicht eine Jau­che natür­li­chen Bekämp­fung von Schäd­lin­gen her­stel­len. Und nicht zuletzt bil­det die Pflan­ze die Grund­la­ge für einen wert­vol­len orga­ni­schen Dün­ger. Weil die Brenn­nes­sel auch über­all vor­kommt, besteht kei­ne Aus­rot­tungs­ge­fahr für die Pflan­ze. Und: Wäh­rend ande­re Wild­kräu­ter, Schad­stof­fe aus ihrer Umge­bung in ihren Blät­tern anrei­chern, nimmt die Brenn­nes­sel kei­ne auf. Des­halb kön­nen zum Bei­spiel Brenn­nes­seln auch von Schutt­hal­den unbe­denk­lich ver­ar­bei­tet werden.

Die Schlüsselblume – Primula Veris

Die Schlüs­sel­blu­me gilt eben­falls als ess­ba­re Heil­pflan­ze. Sie steht jedoch auf der Lis­te gefähr­de­ter Pflan­zen und soll­te weder gepflückt noch aus­ge­gra­ben wer­den. Wer für den Bestand der Pflan­ze etwas tun will, kann fol­gen­des tun: Die vie­len gezüch­te­ten, bun­ten Pri­­mel-Arten, die auf Märk­ten oder Gärt­ne­rei­en ange­bo­ten wer­den, ein­fach nach dem Ver­blü­hen in den Gar­ten pflan­zen. Vie­le die­ser gezüch­te­ten Arten ent­wi­ckeln sich nach eini­gen Gene­ra­tio­nen wie­der zur Ursprungs­pflan­ze, der Pri­mu­la Veris, zurück. So wird recht ein­fach im eige­nen Gar­ten ein Bei­trag zum Erhalt der gefähr­de­ten Pflan­ze geleistet.

Dann geht es wei­ter über einen klei­nen Weg in den Wald. Am Weges­rand steht das nicht ess­ba­re Schöll­kraut (Cheli­do­nii her­ba). Es gilt in der Erfah­rungs­heil­kun­de als Anti-War­zen­mit­tel (sie­he Kas­ten). Auch wil­der Hop­fen hat sich am Wald­rand aus­ge­brei­tet. “Hhmm Hop­fen­spar­gel”, sagt der Giersch-Lieb­ha­ber. Er hat gleich ein paar Rezep­te für die Ver­wen­dung die­ses Wild­krauts parat. “Mein Geheim­tipp ist: Zusätz­li­ches Wür­zen mit fri­schen Dill”, sagt er, “das gibt dann noch eine beson­de­re Note”.

Schöllkraut: Chelidonii herba

Anti-War­­zen­­mi­t­­tel: Das Schöll­kraut kann das gan­ze Jahr als Anti­war­zen­mit­tel ver­wen­det wer­den: Die Sten­gel wer­den abge­bro­chen, der gelb aus­tre­ten­de Saft auf die War­ze getupft. Mehr­mals täg­lich, wenn nötig über min­des­tens 2 Wochen.

Duftendes Waldveilchen

Eben­falls am Ran­de des Buchen­wal­des hat sich das Schar­bocks­kraut wie ein fri­scher, grü­ner Tep­pich aus­ge­brei­tet. “Die Blät­ter wie auch die Wur­zeln las­sen sich essen, es soll­te aller­dings nicht zu viel sein. Schar­bocks­kraut ent­hält Vit­amin C und galt frü­her als Blut­rei­ni­gungs­mit­tel. Doch soll­te man auf des Essen des Krauts nach der Blü­te­zeit voll­kom­men ver­zich­ten. Die ent­hal­te­nen Ranun­cu­la­ceen-Scharf­stof­fe könn­ten zu einer Magen‑, Darm‑, Nie­ren­rei­zung füh­ren, sagt West­phal und geht zum schon blü­hen­den Wald­meis­ter über: “Wenn der Wald­meis­ter blüht, ist es schon zu spät für die Wald­meis­ter­bow­le”, erklärt sie. Ange­zo­gen vom inten­si­ven Duft bleibt die Grup­pe vor einem wun­der­schö­nen grün-lila­nen Pflan­zen­feld des Wald­veil­chens ste­hen. “Die Blü­ten kön­nen gepflückt und in Honig getaucht wer­den”, so West­phal. Aber in Anbe­tracht der Blü­ten­pracht und des Duf­tes sind sich alle einig, auf eine Kost­pro­be der Blü­ten zu verzichten.

Vorsicht beim Sammeln

Im Buchen­wald hat sich das Blät­ter­dach noch nicht geschlos­sen. Über­all auf dem Wald­bo­den gibt es noch genü­gend Licht für die Früh­blü­her – Mai­glöck­chen, Aron­stab und den flä­chen­de­cken­den Bär­lauch. “In die­sem Jahr hat es schon einen Ver­gif­tungs­fall gege­ben”, sagt West­phal. Beim Sam­meln von Bär­lauch hat jemand Blät­ter der gif­ti­gen Herbst­zeit­lo­sen gepflückt. “Schon gerin­ge Men­gen von der Herbst­zeit­lo­sen und Aron­stab sind töd­lich!” warnt West­phal, “Ver­gif­tun­gen durch den Aron­sta­bes wer­den meis­tens schnell bemerkt. Die Gift­wir­kung der Herbst­zeit­lo­sen kann aller­dings erst meh­re­re Stun­den nach dem Ver­zehr der Blät­ter ein­tre­ten, wes­halb manch­mal die Zuord­nung zu der Pflan­ze nicht mehr ver­mu­tet wird. Trotz­dem: Bei Erbre­chen, Übel­keit sofort den Not­arzt ver­stän­di­gen!” Wegen der fata­len Ver­wechs­lungs­mög­lich­kei­ten nimmt sich West­phal viel Zeit, die Unter­schie­de zwi­schen Mai­glöck­chen, Aron­stab, Herbst­zeit­lo­se und Bär­lauch zu erklären.

Aaron­stab (Arum macu­la­tum L.)

Mai­glöck­chen, Con­vall­aria maja­lis L.: Sie ent­wi­ckelt pro Pflan­ze jeweils zwei gro­ße, dun­kel­grü­ne Blät­ter (ova­le bis lan­zett­li­che Form), die aus einem im Erd­bo­den krie­chen­den Wur­zel­stock (Rhi­zom = alle Mai­glöck­chen sind über die Wur­zeln mit­ein­an­der ver­bun­den) wach­sen. Das Essen der Blät­ter führt zu star­ken Ver­gif­tungs­er­schei­nun­gen (Erbre­chen, Kopf­schmer­zen), ist aber nicht tödlich.

Aaron­stab, Arum macu­la­tum L.: Das Essen der Blät­ter des Aaron­sta­bes ist schon in klei­nen Men­gen töd­lich! (es kommt zu Bren­nen im Mund und zu Anschwel­len von Lip­pen und Zun­ge als ers­te Ver­gif­tungs­er­schei­nun­gen). Lei­der wächst der Aaron­stab auch an den sel­ben Stel­len wie der Bär­lauch, wes­halb genau nach ihm Aus­schau gehal­ten wer­den muss. Sei­ne Blät­ter sehen dem des Bär­lauchs zu Beginn des Wachs­tums ähn­lich, spä­ter wer­den dar­aus lang gestiel­te Laub­blät­ter mit eine pfeil­spit­zen Form. Die Pflan­ze hat einen lan­gen Blü­ten­stand, der von einer blatt­ar­ti­gen Hül­le umge­ben ist. Sie ist als Kes­sel­fal­le für klei­ne Insek­ten aus­ge­bil­det, die die Befruch­tung der weib­li­chen Blü­ten über­neh­men. Alles an der Pflan­ze – die Blät­ter, die blatt­ar­ti­ge Hül­le und spä­ter die Früch­te sind sehr giftig!

Herbst­zeit­lo­se, Col­chi­cum Autum­na­le L.: Die Blät­ter, es kom­men immer meh­re­re aus der grö­ße­ren Zwie­bel, sind zun­gen­för­mig, dun­kel­grün und glän­zend und trich­ter­för­mig ange­ord­net. Die Pflan­ze ist giftig!

Bär­lauch, Alli­um ursi­ni­um L.: Die Bär­lauch­pflan­ze wächst aus einer ein­zel­nen läng­li­chen Zwie­bel, die mit durch­sich­ti­gen Häu­ten umge­ben ist. Sie bil­det (zwei) lan­zett­för­mi­ge Blät­ter, die beim Zer­rei­ben einen star­ken lauch­ähn­li­chen Duft ver­brei­tet. Die Blät­ter wach­sen jeweils ein­zeln aus der Zwie­be. Es sieht so aus, als ob jeweils nur ein Blatt der Zwie­bel ent­springt, obwohl sie dann ober­ir­disch einen rich­tig klei­nen Busch oder Strauß oder wie man dazu sagen könn­te abge­ben und jedes Blatt ist gestielt mit Längs­rip­pen. Bär­lauch ist die ein­zi­ge der genann­ten Pflan­zen, die nach Knob­lauch oder Lauch riecht. Das Pro­blem: Hat man schon meh­re­re gepflückt, dann rie­chen die Hän­de und die gan­ze Umge­bung nach dem inten­si­ven Bär­lauch, so dass der Geruchs­test zum Schluss nicht mehr ein­deu­tig ist. Wenn Unsi­cher­hei­ten bestehen – lie­ber die Fin­ger von den Kräu­tern lassen!

Sammeln für Zuhause

Bär­lauch im Buchenwald

Zum Abschluss der Kräu­ter­füh­rung sam­melt die Grup­pe Bär­lauch, um etwas für Zuhau­se mit­zu­neh­men. Eini­ge haben sogar vor­sorg­lich eine klei­ne Papier­tü­te mit­ge­bracht (dar­in schwit­zen die Pflan­zen nicht). Vor­sich­tig wer­den die emp­find­li­chen Blät­ter gepflückt und ein­ge­steckt. Da Bär­lauch sich in den letz­ten Jah­ren zu einer der belieb­tes­ten und bekann­tes­ten Wild­ge­mü­se ent­wi­ckelt hat, ken­nen vie­le die Pflan­ze schon. Die meis­ten haben sie auf Wochen­märk­ten oder schon ver­ar­bei­tet in ver­schie­de­nen Pro­duk­ten wie Frisch­kä­se oder Wurst gekauft. Des­halb ist für die Kräu­ter-Fans das Ste­hen im gro­ßen, duf­ten­den Bär­lauch­feld etwas Beson­de­res. Ange­regt durch den inten­si­ven Geruch wer­den eif­rig Rezep­te aus­ge­tauscht: Bär­lauch in einer Nudel­so­ße, im Kar­tof­fel­gra­tin oder zum Schafs­kä­se. Zuletzt trennt sich die Grup­pe zufrie­den und um vie­le Kennt­nis­se rei­cher im Buchen-Bär­lauch-Wald. Auf dem Rück­weg set­zen Eini­ge das Erlern­te gleich um: Sie sam­meln flei­ßig Baum­blät­ter oder Wild­kräu­tern – um die­se zu garan­tiert beson­de­res schme­cken­den Sala­ten, Sup­pen oder Tees zu verarbeiten.

*Die­ser Bota­ni­sche Gar­ten gehör­te bis nach der Wen­de der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät, jetzt ist der Stadt­be­zirk Pan­kow der Besit­zer. Das Gelän­de nennt sich nun “Bota­ni­scher Volkspark”.
**Inter­es­san­ter­wei­se ist Chlo­ro­phyll bis auf ein Atom iden­tisch mit dem roten Blut­farb­stoff Hämo­glo­bin. Chlo­ro­phyll ent­hält Magne­si­um wäh­rend das Hämo­glo­bin eisen­hal­tig ist. Hämo­glo­bin gibt dem Blut sei­ne rote Far­be, Chlo­ro­phyll macht Pflan­zen grün. Bei­de Mole­kü­le sind sonst identisch.

Autorin
• Mari­on Kaden, Heil­pflan­­zen-Welt (2009).

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