Ginseng (Panax ginseng), ein Wundermittel der Chinesen (Ginseng = Weltwunder, Panax = Panazee). Der 30–60 Zentimeter hohe Strauch wird von den Chinesen seiner Wurzel wegen hoch geschätzt. Man schreibt ihr in der Heimat sehr bedeutende Kräfte zu, und von den chinesischen Ärzten wird sie fast jedem Kranken, der dem Tode nahe ist, als letzte, Wunder wirkende Arznei gereicht. Früher glaubte man auch in Europa, nachdem sie gegen 1700 bekannt wurde, an ihre Kräfte, jetzt gilt sie als indifferente, wertlose Droge.
Der Name Ginseng bedeutet nach Zaremba “die menschliche Kraft”. Die zu arzneilichen Zwecken dargestellten Präparate sind durchsichtig, von rötlicher oder gelblicher Farbe. Die berühmtesten chinesischen Ärzte haben ganze Bände über den Ginseng geschrieben, wobei sie ihm beinahe wunderbare Heilwirkung zumuten; er soll in Greisen jugendliche Kräfte neuerwecken, bei großer Ermüdung erfrischen, sinkende Kräfte beleben usw. Es sollen 77 verschiedene bevorzugte Präparate in der Ginsengwurzel vorhanden sein. Den Kranken wird ein solches Ginsengpräparat gewöhnlich mit dem Zusatz von Ingwer, Honig usw. verabreicht, außerdem aber wird Ginseng selbst als Zugabe vielen anderen Arzneien beigemischt. Der Verbrauch ist ungemein groß, so daß außer dem heimischen noch ganze Transporte aus der Tarterei ins Land geschafft wurden. Beim Einsammeln müssen zahlreiche, auf Aberglauben beruhende Vorschriften und Vorsichtsmaßregeln beobachtet werden. Die Heilwirkung z. B. gilt nur dann für gesichert, wenn die Wurzel in den ersten Tagen des zweiten, vierten und achten Monates geerntet wird. Die gebräuchlichste Form des Ginseng ist eine Abkochung, durch Eindampfen auf Sirupkonsistenz gebracht. Dasselbe wird gern als Zusatz zu Tee oder Suppe genommen, vorzüglich ist es aber bei reichen und alten Mandarinen beliebt, denen es die durch Alter oder verschiedene Exzesse verloren gegangenen Kräfte wiedergeben soll. In den chinesischen Apotheken bildet gewöhnlich Ginseng den Hauptbestandteil vieler pharmazeutischer Präparate.
Quelle
• Oskar von Hovorka, Adolf Kronfeld: Vergleichende Volksmedizin: Eine Darstellung volksmedizinischer Sitten und Gebräuche, Anschauungen und Heilfaktoren, des Aberglaubens und der Zaubermedizin (Band 1). Strecker & Schröder, Stuttgart, 1908.