Sanfte Behandlung ohne Nebenwirkung: Gibt es das?

Arti­kel in Frau­en­zeit­schrif­ten der „Yel­low Press“ ver­spre­chen ger­ne „sanf­te Hei­lung ohne Neben­wir­kun­gen“ oder einen „sanf­ten Wege zu mehr Gesund­heit“, wenn sie über die Anwen­dung von Schüß­ler-Sal­zen oder Schüß­ler-Kom­bi­sal­zen („JSO Bicom­ple­xe“) berich­ten. „Rich­ti­ge“ mit Schüß­ler Bio­che­mie zu behan­deln­de Krank­hei­ten wer­den in den Regen­bo­gen-Blät­tern meist nicht genannt. Fast immer han­delt es sich um „Wischi-Waschi“-Befindlichkeits-Störungen, die kein Kas­sen­arzt je behan­deln wür­de. Oder es sind gesund­heit­li­che „Bana­li­tä­ten“, die auch ohne Behand­lung schnell vor­über­ge­hen, zum Bei­spiel ein ein­fa­cher Schnupfen.

Wo aber nicht wirk­lich etwas geheilt wird, ein the­ra­peu­ti­scher Ein­griff in den Orga­nis­mus also aus­bleibt, bleibt eine Behand­lung logi­scher­wei­se „sanft“ und „neben­wir­kungs­frei“. Es pas­siert ja nichts! Wer­den jedoch ernst­haf­te Stoff­wech­sel-Erkran­kun­gen, chro­ni­sche Infek­tio­nen oder Herz­kreis­lauf-Krank­hei­ten bei­spiels­wei­se mit Homöo­pa­thie behan­delt, muss es dabei nicht unbe­dingt „sanft“ zuge­hen. Bekannt ist zum Bei­spiel die homöo­pa­thi­sche „Erst-Ver­schlim­me­rung“. Die­se ent­steht, wenn eine natur­me­di­zi­ni­sche Behand­lung wie Homöo­pa­thie zunächst Beschwer­den stär­ker wer­den lässt, bevor sie – hof­fent­lich – im Hei­lungs­ver­lauf abklingen.

Die Bezeich­nung „sanft“ – ob bei Schüß­ler­sal­zen, Homöo­pa­thi­ka oder Heil­pflan­zen­prä­pa­ra­ten – ist nur ein Ver­such, die jewei­li­ge The­ra­pie­form den hohen Ansprü­chen der Arz­nei­mit­tel-Zulas­sung zu ent­zie­hen. Nach dem Mot­to: „Viel­leicht fragt ja nie­mand nach der Wir­kung, wenn wir behaup­ten, kei­ne Neben­wir­kun­gen zu haben …“. Bei Schüß­ler­sal­zen oder Homöo­pa­thi­ka hat dies tat­säch­lich bis­lang geklappt, bei Heil­pflan­zen-Prä­pa­ra­ten aber nicht (von denen sind sehr vie­le vom Markt verschwunden).

Medikamente ersetzen nicht die Behandlung

Also: Die Hoff­nung oder der Wunsch­traum, ein Schüß­ler-Prä­pa­rat wür­de eine Krank­heit „ein­fach so“ hei­len, ohne dass ich über­haupt etwas bemer­ke, ist ein nai­ver Aber­glau­be. Der ähn­lich übri­gens auch in der Schul­me­di­zin vor­kommt. Dort wird fest dar­an geglaubt, dass die Ver­ord­nung von Medi­ka­men­ten als zen­tra­ler Hei­lungs­akt fast allein selig machend sei. Dass der zen­tra­le Hei­lungs­akt, wie die alten Ärz­te frü­her wuss­ten, die „Behand­lung“ ist – also die Berüh­rung lei­den­der Kran­ken mit den Hän­den –, ist völ­lig in Ver­ges­sen­heit gera­ten. Obwohl der kom­mer­zia­li­sier­te Arzt-Pati­en­ten-Kon­takt in der moder­nen büro­kra­ti­sier­ten High­tech-Kas­sen­pra­xis immer noch „Behand­lung“ genannt wird.

Was mich beson­ders dabei ärgert: Das gan­ze Gere­de um „sanf­te Medi­zin“ unter­stützt in keins­ter Wei­se die Anwen­dung und Ver­brei­tung von Natur­heil­wei­sen. Im Gegen­teil: Es ver­hin­dert nach­hal­tig, dass sol­che Natur­heil­wei­sen bei „rich­ti­gen“ Kran­ken mit „ernst­haf­ten“ Erkran­kun­gen ein­ge­setzt wer­den. Zum Bei­spiel bei dem Mil­lio­nen­pro­blem Erwach­se­nen-Zucker­krank­heit (Dia­be­tes mel­li­tus Typ II). Damit feh­len zuneh­mend die Erfah­rungs­wer­te bei Pati­en­ten, es wer­den kei­ne kli­ni­schen Stu­di­en mehr durch­ge­führt und zum Schluss droht das Ver­bot einer Medikamentengruppe.

In dem grund­le­gen­den Werk „Eine abge­kürz­te The­ra­pie“ (1878) wird deut­lich, wel­che Erkran­kun­gen Dr. med. Wil­helm Hein­rich Schüß­ler mit sei­nen 12 Mine­ral­sal­zen behan­delt hat. Nicht anders als Dr. med. Kon­rad Grams, der zu Beginn des 20 Jahr­hun­derts mit sei­nen Schüß­ler-Bikom­ple­xen eben­falls „rich­ti­ge“ Erkran­kun­gen behandelte.

Autor
• Rai­ner H. Buben­zer, Gesund­heits­be­ra­ter, Ber­lin, März 2014.