Von Dr. med. Konrad Grams, Arzt in Berlin (1925).
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Anmerkung Durch moderne Medikamente wie Antazida, H2-Blocker und Protonenpumpeninhibitoren (PPI) sowie die Bekämpfung des „Magenkeimes“ Helicobacter pylori ist das Magengeschwür bei all den Patienten glücklicherweise fast ganz verschwunden, die früher vor allem betroffen waren (siehe unten). Leider ist es seither bei ganz anderen Patientengruppen häufig geworden: Nämlich Hunderttausenden von Patienten, die häufig anti-entzündlich wirkende Schmerzmittel aus der Gruppe der „nicht-steroidalen Antirheumatika“ (NSAR) einnehmen. Zum Beispiel Acetyl-Salicylsäure (ASS, Aspirin®) und andere. Dies sind vor allem oft ältere Patienten mit chronischen Erkrankungen des Bewegungsapparates (zum Beispiel „Rheuma“ oder Arthrose). Auch diese Patienten sollten umgehend eine Therapie mit hochwirksamen Säureblockern und eventuell Antibiotika erhalten. Die folgenden Informationen zeigen, wie langwierig und kompliziert die Therapie des Magengeschwürs vor noch nicht einmal 100 Jahren war. Und welche Akut- oder diätetischen Maßnahmen vorgeschlagen wurden (Rainer H. Bubenzer, Gesundheitsberater, Dezember 2010).
Wesen und Anzeichen.
Das runde Magengeschwür ist eine häufige Erkrankung des jugendlichen Alters. Am häufigsten kommt es zwischen dem 15. bis 30. Lebensjahre vor. Es entwickelt sich infolge ständiger Reizung der Magenschleimhaut durch übermäßige Absonderung von Salzsäure. Besonders disponiert zu Magengeschwür sind bleichsüchtige, blutarme und tuberkulöse Personen.
Die auslösenden Ursachen sind lokale Blutstauungen der Magenschleimhaut, wodurch ihre Ernährung an dieser Stelle gestört und ihre Widerstandsfähigkeit geschwächt wird. Diese nicht genügend mit Blut versorgte Stelle der Magenschleimhaut wird daher leicht von dem stark salzsäurehaltigen Magensaft angegriffen. Solange aber die Blutzirkulation in der Magenschleimhaut normal ist, kann keine Schädigung eintreten.
Zunächst entsteht eine kleine oberflächliche Schleimhautzerstörung von runder oder länglicher Form. Diese wird bei weiter bestehender Ernährungsstörung der Schleimhaut größer, greift in die Tiefe und zerstört Teile der Magenwand. Das Geschwür hat dann das Aussehen eines Trichters. Wird durch das Geschwür ein Blutgefäß angefressen, so kommt es zu einer mehr oder minder starken Blutung in dem Magen.
Wenn jemand eine übermäßige saure Magensaftabsonderung und unmittelbar nach seinen Mahlzeiten regelmäßig Magenschmerzen immer an einer bestimmten Stelle hat, so besteht die sehr große Wahrscheinlichkeit, daß solche wunden Geschwüre vorhanden sind. Diese werden größer und tiefer und können schließlich die Magenwand durchbohren.
Die Schmerzen werden als dumpf, bohrend, brennend empfunden, lassen meist sofort nach, wenn der Magen leer wird.
Das Erbrechen ist ein selten fehlendes Zeichen bei Magengeschwür. Es tritt meist einige Stunden nach der Nahrungsaufnahme auf, wonach dann auch die Schmerzen in der Regel nachlassen. Die erbrochenen Speisereste zeigen meist einen hohen Säuregehalt.
Ein weiteres und wichtiges Zeichen ist die Magenblutung, das Blutbrechen. Die Blutmenge ist dabei ganz verschieden. Auf die Magenblutung allein kann man aber noch nicht auf ein Magengeschwür schließen, denn die Magenblutung tritt auch bei Magenkrebs und Verletzungen auf. Wo man im Zweifel ist, frage man den Arzt.
Wenn die Blutung groß ist, dann wird das Gesicht blaß, der Puls klein und schnell. Der Kranke bekommt alle Zeichen des Schwächegefühls. Uebelkeit, Flimmern vor den Augen, Ohrensausen und schließlich vollkommene Ohnmacht. In der Regel erholt sich der Kranke bald wieder. Bei baldigem Erbrechen nach der Magenblutung sehen die Massen dunkelrot aus. Hat jedoch der saure Magensaft schon längere Zeit auf das Blut eingewirkt, so hat das Erbrochene ein schwarz-braunes, kaffeesatzähnliches Aussehen.
Da nicht alles Blut erbrochen wird, geht ein Teil mit dem Stuhlgang durch den Darm ab. Der Stuhl zeigt dann ebenfalls eine dunkle bis schwarz-braune Farbe.
Nur wenn sich diese drei Zeichen: „Magenschmerz, Erbrechen, Magenblutung“ finden, dann kann man mit großer Wahrscheinlichkeit ein Magengeschwür vermuten. Da die Kranken meist aus Furcht vor Schmerzen wenig essen, so leidet selbstverständlich die Ernährung in vielen Fällen, und große Schwäche und Kraftlosigkeit ist die Folge.
Heilaussichten.
Das Geschwür heilt mitunter sehr schnell, in anderen Fällen wieder zieht sich die Heilung über Monate und Jahre hinaus, wenn es überhaupt zur Heilung kommt. Bricht das Geschwür durch die Magenwand, so entleert sich der Mageninhalt in die freie Bauchhöhle, es entsteht eine fast immer tödlich endende Bauchfellentzündung. Die hauptsächlichsten Anzeichen hierfür sind ein sofort einsetzender heftiger Schmerz in der Magengegend, Auftreibung des Leibes und Ohnmacht.
Jedes Geschwür heilt mit narbiger Verengerung; daher bildet sich als Folge eines geheilten Magengeschwürs leicht eine Magenerweiterung aus, wenn das Geschwür am Magenausgang sitzt. Beim Sitz in der Mitte des Magens wird der Magen durch den Narbenzug zusammengeschnürt. Es bildet sich der sogenannte Sanduhrmagen. Auf Geschwürsnarben entwickelt sich leicht Magenkrebs.
Vorbeugung.
Wenn ein Patient an zu starker Säureabsonderung leidet, so muß man schon Verdacht haben auf eine Schädigung der Magenschleimhaut oder den Anfang eines Geschwürs, zumal, wenn er dazu noch unmittelbar nach der Mahlzeit über Schmerzen an einer bestimmten Stelle der Magengegend klagt. Jetzt muß schon eine entsprechende Behandlung einsetzen, die dieselbe ist wie bei einem ausgebildeten Magengeschwür.
Behandlung.
Vollkommene Bettruhe, völlige Nahrungsenthaltung für einige Tage, um jede Tätigkeit des Magens auszuschalten, die Absonderung des sauren Magensaftes einzuschränken, die Magenwand nicht zu dehnen, die Vernarbung des Geschwürs zu beschleunigen. Während der Bettruhe lege man stundenlang heiße Leibkompressen auf, besonders wenn starke Schmerzen bestehen. Bei frischer Blutung ist eine kühle Leibkompresse aufzulegen sowie Ableitung nach den Händen und Füßen durch kühle Packungen, evtl. mit Wärmeflaschen, zu versuchen. Kalte Sitzbäder sollen nicht genommen werden, weil diese die Blutung anregen.
Oft werden auch, wie die Erfahrung gelehrt hat, die Blutungen auf reflektorischem Wege vom Mastdarm aus gestillt durch Einführung kleiner Eisstücke in den Darm, resp. durch kalte Behalte-Klistiere oder durch heiße Klistiere von 45* C von 1/2 Liter, die in Rückenlage zu geben sind und, wenn nötig, mehrmals hintereinander.
Bei starker Herzschwäche und körperlichem Zusammenbruch bleiben dem Arzt die geeigneten Maßnahmen vorbehalten, aber durch Tieflagerung des Kopfes und Erwärmen der Glieder kann schon vorgearbeitet werden.
Innerlich ist gegen die Blutung ein Eßlöffel erwärmte Gelatine, viertel- bis halbstündlich, sehr nützlich. Bei heftigem Schmerz ist neben der heißen Leibkompresse der Genuß von Oel sehr zu empfehlen. Man gibt stündlich bis zweistündlich oder nur vor dem Essen 1 bis 2 Eßlöffel Oel. Das Oel überzieht das Geschwür mit einer Schutzschicht, schützt es vor der Einwirkung des sauren Magensaftes. Außerdem wird die Säureabsonderung und die Magenbewegung herabgesetzt. Wenn das Oel Uebelkeit hervorruft, dann versetzt man es mit Zucker oder reicht Mandelmilch.
Bei etwa noch nach der Heilung vorhandener Empfindlichkeit sind kühle Leibumschläge, abwechselnd kalte und heiße Leibkompressen sowie noch längere Zeit Schonungsdiät angezeigt. Massage darf auch jetzt wegen einer zu befürchtenden Blutung noch nicht angewendet werden.
(Biochemische Komplexmittel)
Von unseren biochemischen Komplexmitteln sind gleich zu Anfang Blutmittel und Magenmittel 1 anzuwenden, am besten dreistündlich im Wechsel drei Tabletten. Bei Blutungen in kürzeren Zwischenräumen. Aufstehen soll der Kranke erst dann, wenn keine Schmerzen mehr vorhanden sind und wenn kein Blut mehr im Stuhlgang nachzuweisen ist. Dies wird in etwa zwei bis drei Wochen der Fall sein.
Diät.
Wenn in schweren Fällen keine Nahrungsaufnahme durch den Mund gestattet ist, dann behilft man sich in den ersten Tagen durch zwei- bis dreitägliche Nährklistiere.
In leichten und mittelschweren Fällen gibt man in den ersten Tagen nur laue oder kalte Milch, und zwar halbstündlich bis stündlich nur einen Teelöffel oder Eßlöffel voll. Bei starker Säurebildung kann man der Milch auf einen Tassenkopf voll einen Eßlöffel oder Teelöffel voll Kalkwasser zur Neutralisation zusetzen. Wird die Milch gut vertragen, so können nach der ersten Woche Mehl- und Schleimsuppen gegeben werden; von der zweiten Woche ab Breie, wie Kartoffelbrei, Haferbrei, Reisbrei, Karottenbrei, Spinat, später Fische und evtl. durchgedrehtes Fleisch. Als Getränke sind, außer Milch, dicke Milch, saure Milch, Milchwasser, Buttermilch, Mandelmilch, Kakao usw. zu reichen, je nach Geschmack und Verlangen des Kranken. Man darf sich bei der Ernährung nicht auf ein Schema festlegen, sondern man muß stets die größtmöglichste Schonung des Magens im Auge behalten.
Literatur
Grams K: Das Magengeschwür. Die Komplex-Biochemie. 1925 Jan 1; 5(1):10–2.