Homöopathische Erst-Verschlimmerung: Häufig, aber zumeist nicht gravierend

Seit über 200 Jah­ren strei­ten sich Homöo­pa­then und Skep­ti­ker immer wie­der dar­über, ob denn die von Samu­el Hah­ne­mann (1755–1843) begrün­de­te „Homöo­pa­thie“, die von Wil­helm Hein­rich Schüß­ler (1821–1898) hier­aus abge­lei­te­te „bio­che­mi­sche Heil­wei­se“ oder die auf Schüß­lers Bio­mi­ne­ral­sal­zen beru­hen­de „JSO-Bicom­plex-The­ra­pie“ von Kon­rad Grams (1878–1947) über­haupt wirk­sam sei­en. Wis­sen­schaft spielt bei die­sem Dau­er­streit meist kei­ne Rol­le – es geht eher zu wie bei einem Glau­bens­krieg ver­schie­de­ner, sich bekämp­fen­der Sek­ten und Religionen.

Um so erfreu­li­cher ist es, wenn sich wis­sen­schaft­li­che Unter­su­chun­gen mit Grund­fra­gen der Homöo­pa­thie und der dar­aus abge­lei­te­ten Heil­ver­fah­ren beschäf­ti­gen. Bei­spiels­wei­se gera­de eine Stu­die nor­we­gi­scher For­scher, die das Phä­no­men der „homöo­pa­thi­schen Erst-Ver­schlim­me­rung“ zum The­ma hat. Die­se Ver­schlim­me­rung von Krank­heits-Beschwer­den zu Beginn der Behand­lung mit einem indi­vi­du­ell aus­ge­such­ten homöo­pa­thi­schen Mit­tel ist – so die Erfah­rung vie­ler homöo­pa­thi­scher Ärz­te und vie­ler Pati­en­ten – eine spe­zi­el­le Heil-Reak­ti­on, die immer dann auf­tritt, wenn ein aktu­ell gewähl­tes homöo­pa­thi­sches Mit­tel beson­ders gut die kör­per­ei­ge­nen Selbst­hei­lungs­kräf­te anregt. Die homöo­pa­thi­sche Erst-Ver­schlim­me­rung wird als Zei­chen gewer­tet, dass eine The­ra­pie beson­ders gute Hei­lungs­chan­cen hat.

Die For­scher der Uni­ver­si­tät Trom­sø, Nor­we­gen, unter­such­ten, ob es bei homöo­pa­thisch behan­del­ten Pati­en­ten inner­halb von 14 Tagen nach Ein­nah­me eines homöo­pa­thi­schen Mit­tels zu
• einer Ver­stär­kung bestehen­der Beschwer­den und/​oder
• einer aus­ge­präg­ten Bes­se­rung der Befind­lich­keit 1–3 Tage nach der Ein­nah­me und/​oder
• zusätz­lich auf­tre­ten­den Kopf­schmer­zen und/​oder
• Erschöp­fungs-Beschwer­den kam.

Die Ergeb­nis­se waren ein­deu­tig: Immer­hin ein Vier­tel aller Pati­en­ten berich­te­ten über eine anfäng­li­che Ver­schlim­me­rung ihrer Beschwer­den. Etwa ein Drit­tel hier­von wur­de als krank­heits­be­dingt, zwei Drit­tel jedoch als typi­sche homöo­pa­thi­sche Erst-Ver­schlim­me­rung gewer­tet. Glück­li­cher­wei­se war die Beschwer­den durch Erst-Ver­schlim­me­rung meist gering­fü­gig (73%) oder mäßig (23%) aus­ge­prägt. Die Autoren kom­men zu dem Schluss, dass die gesund­heit­li­che Risi­ken einer homöo­pa­thi­schen Behand­lung eher gering sind. Die Quer­schnitt­stu­die beant­wor­tet jedoch nicht die Fra­ge, so ergän­zen sie, ob die homöo­pa­thi­sche Erst-Ver­schlim­me­rung als eigen­stän­di­ge Enti­tät exis­tiert und wie sie kli­nisch ein­zu­ord­nen ist.

Hin­weis: Da die JSO-Bicom­plex-Prä­pa­ra­te eben­falls homöo­pa­thi­sche Arz­nei­mit­tel sind, kön­nen auch bei ihnen homöo­pa­thi­sche Erst-Ver­schlim­me­run­gen auf­tre­ten. Die­se sind jedoch eher sel­ten, unter ande­rem weil die ver­wen­de­ten „Ver­dün­nun­gen“ (Poten­zen) gerin­ger sind als meis­tens in der klas­si­schen Homöopathie.

Autor
• Rai­ner H. Buben­zer, Gesund­heits­be­ra­ter, Ber­lin, August 2015.
Quel­le
• Stub T, Kris­toff­er­sen AE, Alræk T, Musi­al F, Steins­bekk A: Risk in home­opa­thy: Clas­si­fi­ca­ti­on of adver­se events and home­opa­thic aggrava­tions – A cross sec­tion­al stu­dy among Nor­we­gi­an home­opath pati­ents. Com­ple­ment Ther Med. 2015 Aug;23(4):535–43 (DOI).