Abdampfen

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Abdamp­fen, (Ins­pis­sa­tio, Eva­po­ra­tio,) ist eine bei Berei­tung der Arz­nei­mit­tel sehr häu­fi­ge Arbeit, vor­züg­lich um in kur­zer Zeit flüs­si­ge Din­ge ihrer Feuch­tig­keit zu berauben.

Ist die Sub­stanz, wel­che zurück blei­ben soll, sehr feu­er­be­stän­dig, wie die meis­ten Sal­ze, so bedient man sich am bes­ten eines nach und nach ver­stärk­ten Feu­ers, wel­ches die Feuch­tig­keit in Dunst­ge­stalt fort­treibt. In die­sen Fäl­len kann der Hitz­grad in frei­em Feu­er zulezt weit über den Sie­de­punkt des kochen­den Was­sers erhö­het wer­den, weil die Feuch­tig­keit, je weni­ger ihrer wird, um des­to stär­ker mit den fes­ten Thei­len der Mischung zusammenhängt.

Ist aber die von Feuch­tig­keit zu befrei­en­de Mate­rie bei der Hit­ze des kochen­den Was­sers flüch­tig, wie bei eini­gen Sal­zen, beson­ders aber bei den meis­ten wirk­sa­men Säf­ten und Auf­güs­sen der Pflan­zen, dann gehört grö­ße­re Behut­sam­keit dazu, die anzu­wen­den­de Hit­ze in gehö­ri­gen Schran­ken zu hal­ten, als über frei­em Feu­er, oder im Sand­ba­de mög­lich ist. Hier ist die gewöhn­li­che Klip­pe, wor­an der Arbei­ter bei Ver­fer­ti­gung geruch­vol­ler oder and­rer Extra­c­te schei­tert, deren Wirk­sam­keit in flüch­ti­gen, oft geruch­lo­sen Be-standt­hei­len liegt. Ist er noch etwas gewis­sen­haft, und kennt er eini­ger­ma­sen die Flüch­tig­keit des Wesent­li­chen in sei­ner Flüs­sig­keit, so regiert er gewöhn­lich das Feu­er zwar so, daß sein Gefäß nie ins Kochen und Bla­sen­wer­fen geräth, (und so behut­sam sind sie nicht ein­mal alle,) aber er bedenkt nicht, daß ein sei­ner Ver­di­ckung sich nähern­der Saft, wenn er auch nicht Bla­sen wirft, doch eine Hit­ze anneh­men kann, wel­che fast dop­pelt so hoch als der Sie­de­punkt des rei­nen Was­sers steigt. Dieß ist bei Abdamp­fun­gen über frei­em Feu­er oder im Sand­ba­de fast unver­meid­lich, und daher die gewöhn­li­che Unkräf­tig­keit gewis­ser Extrak­te, wel­che der gewöhn­li­che Schlag der Apo­the­ker alles Zure­dens unge­ach­tet nicht im Was­ser­ba­de abdamp­fen will, des ein­ge­dick­ten Saf­tes von Schier­ling, Bel­la­don­ne, Sturm­hut, Bil­sen­kraut u.s.w. selbst des Extrak­tes der Chi­na­rin­de, des Tau­send­gül­den­krau­tes u.s.w. (Mehr hie­von unter dem Arti­kel Extrak­te und Dicksaft.) 

Bei allen Abdamp­fun­gen in offe­nen Gefä­sen ist das flei­si­ge, und (bei stär­ke­rer Kon­sis­tenz) unun­ter­bro­che­ne Umrüh­ren der Flüs­sig­keit eine sehr not­hwen­di-ge Bedin­gung, theils um das Anbren­nen an den Wän­den und dem Boden des Gefä­ses zu ver­hü­ten, theils aber die Zeit der Abdamp­fung zu ver­kür­zen, weil beim Umrüh­ren der Salz­auf­lö­sun­gen, so wie der Säf­te, der Auf­güs­se und der Abko­chun­gen der Pflan­zen, eine immer erneu­er­te Ober­flä­che ent­steht, von wel­cher die umge­ben­de Luft die wäs­se­ri­gen Thei­le um des­to leich­ter in sich auf­neh­men und hin­weg­füh­ren kann. Je mehr eine abzu­damp­fen­de Flüs­sig­keit sich ihrer Kon­sis­tenz nähert, um des­to fes­ter hängt die noch übri­ge Feuch­tig­keit mit der gan­zen Mas­se zusam­men, und um des­to mehr muß man ihre Ver­duns­tung durch ste­tes Umrüh­ren beför­dern, wenn man die Been­di­gung der Arbeit nicht durch ein stär­ke­res Feu­er beschleu­ni­gen, oder durch eine lang­wie­ri­ge gemä­sig­te Hit­ze viel Zeit und Koh­len ver­lie­ren will.

Daß sich bei Pflan­zen­ex­trak­ten die Ope­ra­ti­on durch ver­stärk­te­res Feu­er nicht erzwin­gen las­se, wenn man nicht eine bränz­lich­te oder unkräf­ti­ge Mas­se zuzu­be­rei­ten gedenkt, ist schon erwähnt wor­den; aber auch bei Abdamp­fun­gen rei­ner Salz­flüs­sig­kei­ten lei­det man von hef­ti­gem Feu­er Scha­den. Selbst wenn die inne­re Natur der Sal­ze in die­ser Hit­ze kei­ne Ver­än­de­rung erlei­det, wie doch oft geschieht, so geht doch eine Men­ge der­sel­ben beim star­ken Auf­wal­len in die Luft über, beson­ders zuletzt, wenn sie sich ihrem Kry-stal­li­sa­ti­ons­punk­te nähern, theils unsicht­bar in den nun mit meh­re­rer Hitz­ma­te­rie geschwän­ger­ten Was­ser­düns­ten, theils offen­bar in dem, was durch das hef­ti­ge Auf­wal­len ver­spritzt. Ein Umstand, der sel­ten beher­zigt wird, und bei theu­ern Salz­flüs­sig­kei­ten gleich­wohl von Beträcht­lich­keit ist.

Allen die­sen Uebeln abzu­hel­fen, ist bei allen Abdamp­fun­gen über­haupt eine sehr gemä­sig­te Hit­ze, das flei­si­ge Umrüh­ren, und aus­ser­dem vor­züg­lich ein sehr fla­ches wei­tes Abdampf­ge­fäß sehr ernst­lich anzu­ra-then. Je grö­ßer die Ober­flä­che der abzu­duns­ten­den Flüs­sig­keit ist, des­to frei­er kön­nen die Düns­te ent­wei­chen, des­to mehr erneu­er­te Luft zu ihrer Auf­nah­me kann dar­über hin spie­len. In sehr fla­chen Gefä­sen ge-räth die Flüs­sig­keit nicht leicht in star­kes und schäd­li­ches Auf­wal­len; selbst eine unvor­sich­tig ver­stärk­te Hit­ze wird hier unschäd­li­cher, da die häu­fi­ger ent­wei­chen­den Düns­te ihr zum kräf­ti­gen Ablei­ter die­nen, und ver­bin­det man noch ein flei­si­ges Umrüh­ren damit, so hat man in den meis­ten Fäl­len alle die Hülfs­mit­tel einer zweck­mä­si­gen Abdamp­fung ver­ei­nigt. Ich sage in den meis­ten Fäl­len; denn wo die Ent­wei­chung eines bei der Hit­ze des sie­den­den Was­sers flüch­ti­gen Bestandt­heils zu befürch­ten ist, da muß doch noch statt des frei­en Feu­ers oder des Sand­ba­des durch­aus das Was­ser­bad als die drit­te Bedin­gung bei einer kunst­mä­si­gen Abdamp­fung und Ein­di­ckung zu Hül­fe genom­men wer­den, (Dick­saft, Was­ser­bad, Extrakt).

Bei weni­ger kost­ba­ren Salz­flüs­sig­kei­ten, beson­ders denen, die man im Gro­ßen berei­tet, kann man das Umrüh­ren größ­tent­heils erspa­ren, wenn das Abdampf­ge­schirr nur recht flach ist, und ein immer erneu­er­ter Luft­zug über die Flüs­sig­keit hin spie­len kann.

Bei allen die­sen Abdamp­fun­gen ist die ver­duns­ten­de Flüs­sig­keit von kei­nem Wert­he, und man unter­nimmt sie daher in offe­nen Gefä­sen; wo man aber theu­re­re Flüs­sig­kei­ten von den fes­tern Mate­ri­en tren­nen, dabei aber doch ers­te­re erhal­ten will, da muß die Ver­duns­tung in ver­schlos­se­nen Gefä­ßen gesche­hen. So zieht man bei Berei­tung der geis­ti­gen Extrak­te, des Jal­ap­pen­har­zes u.s.w. den Wein­geist, den Aether u.s.w. in Destil­lir­ge­fä­sen von der Tink­tur ab, wie man im Arti­kel Destil­la­ti­on sieht.