Extrakte

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Extrak­te, Extra­c­tum, Mel­la­go, sind eigent­lich die ein­ge­dick­ten Auf­güs­se oder Dekok­te von trock­nen Gewächs­sub­stan­zen. (Die ver­dick­ten Säf­te frisch aus­ge­preß­ter Pflan­zen wer­den schick­li­cher Dick­säf­te (w.s.) genannt.

Ist der Aus­zug der trock­nen Gewächs­sub­stanz durch Was­ser gesche­hen, so ent­steht durch die Abdamp­fung ein wäs­se­ri­ges Extrakt (Extra­c­tum aquo­sum), wor­in meh­rent­heils mehr gum­mi­ch­te als har­zi­ge Thei­le vor­han­den sind; ent­stand das Extrakt durch Abrau­chung eines mit Wein berei­te­ten Auf­gus­ses so ent­steht ein wei­nich­tes Extrakt (Extra­c­tum vi-nosum), wel­ches mehr har­zi­ge Thei­le ent­hält, aber sel­ten vor­fällt; hat­te man aber einen mit Brandt­wein oder Wein­geist berei­te­ten Aus­zug einer trock­nen Gewächs­sub­stanz, das ist, eine Tink­tur oder Essenz ein­ge­dickt, so bekömmt man ein geis­ti­ges Extrakt (Extra­c­tum spi­ri­tuo­sum), wel­ches größ­tent­heils aus Harz besteht.

Wie hie­zu die Auf­güs­se, Dekok­te, Tink­tu­ren und Essen­zen zu berei­ten sind, sehe man unter Auf­guß, Absud, Tink­tur und Essenz, nach. Nimmt man hie­zu noch, was unter dem Arti­kel Abdamp­fen gesagt wor­den ist, so ist wenig mehr über die­sen Gegen­stand zu sagen.

Ueber­haupt genom­men wer­den die Extrak­te des­to kräf­ti­ger, bei je gerin­ge­rer Hit­ze sie abge­dampft wer­den, und sehr dien­lich ist es, wenn die Auf­güs­se und Dekok­te dazu mit so wenig als mög­lich Was­ser berei­tet wor­den waren, weil man dann weni­ger Zeit und Koh­len zum Ein­di­cken braucht. Har­te Sub­stan­zen, Rin­den, Höl­zer, u.s.w. müs­sen mit zwei, drei und mehr­mal fri­schem Was­ser aus­ge­zo­gen oder abge­kocht wer­den, um alle Arz­nei­kräf­te dar­aus zu zie­hen und die­se Brü­hen dampft man dann ent­we­der zusam­men­ge­mischt ab, oder man dampft (bes­ser) zuerst den wäs­se­rigs­ten Aus­zug bis zu einem gewis­sen Gra­de ab, und setzt dann die kräf­ti­gern und kräf­ti­gern Brü­hen all­mäh­lig zu. Doch gibt es Sub­stan­zen, wel­che nur etwa zwei­mal aus­ge­zo­gen wer­den dür­fen z.B. Rha­bar­ber, Sen­s­blät­ter, u.s.w. weil sie sonst zu viel Schleim von sich geben, wovon das Extrakt schimm­lich wird. Das sonst gebräuch­li­che mehr­tä­gi­ge Maze-riren der zur Berei­tung der Extrak­te aus­zu­zie­hen­den Gewächs­sub­stan­zen ist sehr nacht­hei­lig, da das Was­ser indeß in Gäh­rung geht.

Waren es Dekok­te, so dampft man sie in einer ähn­li­chen Hit­ze ab, wenn man nur ver­mei­det, die Hit­ze des sie­den­den Was­sers zu über­schrei­ten. Beim Sand­ba­de ist eine über­trie­be­ne Hit­ze schwer abzu­hal­ten, wenn man nicht zugleich einen Ther­mo­me­ter dane­ben in den Sand setzt, beim frei­en Feu­er noch schwe­rer, da bei zuneh­men­der Ver­di­cke­rung des Extrak­tes sich noch lan­ge kein Sie­den oder Bla­sen­wer­fen zeigt, wenn auch die Hit­ze schon weit über die Grän­zen gestie­gen und zwei bis drei­mal stär­ker als die des kochen­den Was­sers gewor­den ist; eine Hit­ze in der die meis­ten Kräf­te der Vege­ta­bi­li­en schon in die Luft geflo­gen sind und ein nutz­lo­ses unkräf­ti­ges bran­zi­ges Extrakt zurück bleibt.

Sehr fla­che, plat­te Geschir­re, wor­in das eben ein­ge­gos­se­ne Dekokt nicht über einen Zoll hoch steht und unab­läs­si­ges Rüh­ren hel­fen nächst einer behut­sa­men Regie­rung des (selbst frei­en) Koh­len­feu­ers die­ser Unbe­quem­lich­keit ziem­lich ab.

Die Aus­zü­ge hin­ge­gen, wel­che absicht­lich ohne viel Hit­ze berei­tet wor­den sind, die Tink­tu­ren, Essen­zen, die kal­ten und lau­en Auf­güs­se u.s.w. soll­ten durch­aus in kei­ner Hit­ze zum Extrak­te ein­ge­dickt wer­den, wel­che bis zum Punk­te des sie­den­den Was­sers steigt, geschwei­ge höher. Für die­se gehört blos das Was­ser­bad oder die Vor­rich­tung, wel­che ich im Arti­kel Dick­säf­te emp­foh­len habe. Auch sie müs­sen unter ste­tem Umrüh­ren und im frei­en Luft­zu­ge ein­ge­dickt werden.

Sel­ten ist es, daß Gewäch­se, wel­che bei der Destil­la­ti­on ein kräf­ti­ges Was­ser geben, bei einer sol­chen Hit­ze noch wirk­sa­me Extrak­te geben soll­te. Die Mün­ze, die Rosen, die Cha­mil­le, die Kas­ka­ril­le und der Ros­ma­rin sind eini­ge von den selt­nen Bei­spie­len. And­re geben zwar kein geruch­vol­les destil­lir­tes Was­ser von sich, ver­lie­ren aber doch in der Sie­de­hit­ze theils kräf­ti­ge theils ange­neh­me Thei­le, z.B. Rha­bar­ber, Schlan­gen­wur­zel, Chi­na­rin­de, Brech­wur­zel, Bal­dri­an und meh­re­re, wie man unter Abko­chung nach­se­hen kann.

Bei Ver­fer­ti­gung der geis­ti­gen Extrak­te aus den Tink­tu­ren u.s.w. destil­lirt man zuerst den Wein­geist aus dem Was­ser­ba­de ab, und dampft den Rest dann eben­falls im Was­ser­ba­de auf recht fla­chen Scha­len ab.

Um die gemisch­ten Extrak­te (extra­c­ta gum­meore-sino­sa) zu ver­fer­ti­gen, muß das geis­ti­ge noch wei­che Extrakt mit dem eben­falls noch wei­chen aus der­sel­ben Gewächs­sub­stanz gezo­gnen wäs­se­ri­gen Extrak­te bei Was­ser­bad­wär­me durch flei­si­ges Rüh­ren der­ge­stalt zusam­men­ge­mischt wer­den, daß das Gemisch nicht krüm­licht wird.

Der Unter­schied der erstern und zwei­ten Extrak­te, gehört blos in die Chemie.

Die rech­te Kon­sis­tenz der Extrak­te ist, wenn sie erwärmt sind, die eines dicken Sirops oder des Honigs, so daß sie in Glä­sern mit ein­ge­rie­be­nen Stöp­seln auf­be­wahrt wer­den kön­nen. Sie wer­den dar­in etwas fes­ter, wenn das Glas erkal­tet ist, und hal­ten sich sehr wohl; will man aber etwas davon her­aus neh­men, so geschieht es mit einem schma­len Spa­tel, wenn man wenig braucht, oder man erwärmt die Fla­sche in war­mem Was­ser und gießt dann so viel her­aus, als man bedarf, wenn man viel davon braucht.

Etwas oben dar­auf gegoß­ner Wein­geist dient zwar zu ihrer län­gern Halt­bar­keit; aber auch ohne ihn erhal­ten sie sich in die­ser Kon­sis­tenz recht gut ein Jahr lang, und län­ger sol­len und dür­fen die Extrak­te nicht auf­be­wahrt wer­den. Der zuzu­set­zen­de Wein­geist muß ganz ver­stärkt seyn.

In schlech­ten Apo­the­ken (woll­te Gott, sie wären nicht so häu­fig!) kocht man auch jetzt noch die Extrak­te bei star­kem, hef­ti­gem Feu­er, und zwar (damit sie sich fein recht lan­ge hal­ten) bis zur Pil­len­kon­sis­tenz, ja wohl noch stär­ker ein, und da ent­ste­hen dann die soge­nann­ten trock­nen Extrak­te (Extra­c­ta sic­ca) eine wah­re Saty­re auf die Apo­the­ker­kunst. Sie rie­chen und schme­cken alle einer­lei, wie bran­zi­ges bit­te­res Flie­der­mus, und zert­hei­len sich mit Was­ser gerie­ben, in schwar­ze Flo­cken, die sich nicht auf­lö­sen; an die min­des­te Arz­nei­kraft ist bei ihnen nicht zu den­ken. Sie müß­ten denn Ekel erre­gen. Schänd­lich ists, die Gaben Got­tes so durch Sude­lei zu ver­der­ben, und den kraft­lo­sen Koth für theu­res Geld dem nach Hül­fe schmach­ten­den Kran­ken in sau­bern Fläsch­chen zu über­schi­cken. Ist eine sol­che That nicht kri­mi­nell? Occi­dit qui non servat!

Blos die Extrak­te von der Tor­men­till­wur­zel, der Rha­bar­ber, und der Myr­rhe müs­sen (aber nur im sie­den­den Was­ser­ba­de) bis zur Tro­cken­heit abge­dampft wer­den, weil sie sonst schim­meln. Man könn­te auch alle übri­ge Extrak­te bis zur Tro­cken­heit abdamp­fen, wenn es bei einer so gemä­sig­ten Hit­ze als die des Was­ser­ba­des ist, ohne viel Ver­lust der Zeit und der Koh­len gesche­hen könn­te. Sie müs­sen dann auch bis zum Pül­vern aus­ge­trock­net seyn, um sie in eng­häl­si­gen Fla­schen vor dem Zugan­ge der Luft ver­wah­ren zu können.

Das ehe­ma­li­ge Abklä­ren und Abschäu­men der Dekok­te und Auf­güs­se durch Eiweiß ist nun gänz­lich abge­schafft, und mit Recht, da hie­durch fast alle Arz­nei­kräf­te der Extrak­te, wel­che fast durch­gän­gig in den har­zi­gen, trü­ben Thei­len des Aus­zugs lie­gen, durch das gerin­nen­de Eiweiß ein­ge­hüllt, ver­lo­ren gehen. Die Aus­zü­ge zu den Extrak­ten aller Art brau­chen nur Tag und Nacht zu ste­hen, um die grö­bern Fasern zu Boden zu set­zen, von denen man sie dann so rein als mög­lich in die Abdampf­scha­le behut­sam abgießt.

Da alle Aus­zü­ge aus Pflan­zen, so wie die fri­schen Pflan­zen­säf­te eine ansehn­li­che Men­ge Salzt­hei­le ent­hal­ten, so kön­nen und dür­fen sie nicht in kup­fer­nen Gefä­ßen abge­raucht wer­den. Nimmt man statt ihrer eiser­ne, so ist unter andern der Umstand im Wege, daß sehr vie­le Gewäch­se etwas adstrin­gi­ren­des bei sich füh­ren, wel­ches sich in eiser­nen Gefä­ßen zu einer Din­te umän­dert, und so die Extrak­te übel­schme­ckend, unkräf­ti­ger und unan­sehn­lich macht. Des­halb müs­sen alle Abdampf­scha­len (w.s.) ent­we­der von rei­nem Berg­zin­ne, oder von Stein­zeu­ge, oder von Gla­se seyn. Die Gefä­ße zur Auf­be­wah­rung der Extrak­te dür­fen, wie gesagt, kei­ne andern als glä­ser­ne Fla­schen mit ein­ge­schmir­gel­ten Glas­stöp­seln seyn; die elen­den bis zur Tro­cken­heit ein­ge­bra­te­nen Extrak­te mag man immer in irde­nen weit­mün­di­gen Büch­sen zur ewi­gen Ruhe hin­stel­len. Auch das Auf­be­wah­ren in mit Oel getränk­ten Bla­sen muß dem in glä­ser­nen Fla­schen bei wei­tem nachstehen.