Johanniskraut
Heilpflanzen enthalten verschiedene Inhaltsstoffe: Ätherische Öle, Alkaloide, Glykoside, Gerbstoffe, Bitterstoffe, Polysaccaride, anorganische Stoffe, manchmal hormonartige Stoffe und Vitamine. Eben wegen der vielfältigen Zusammensetzung wird auch von Heilpflanzen-Vielsstoffgemischen gesprochen. Die moderne Pharmakologie legt aufgrund pharmakologischer Sicherheit Wert auf die Bestimmung der Hauptwirkstoffe von Heilpflanzen (siehe Geschichte der Monographien). Die Wirkstoffe werden chemisch isoliert und bestimmt. Durch die Zuordnung der Hauptwirkstoffe wird dann eine Heilpflanze z.B. zur Behandlung von Depression (Johanniskraut), Schlafstörungen (Baldrian), Unruhe (Melisse), Erkältungskrankheiten (Thymian, Eibisch, Spitzwegerich), Übelkeit (Ingwer) u.s.w. eingesetzt. Da die Wirkstoffe von Heilpflanzen jedoch sehr komplex sind, die chemische Bestimmung teuer und aufwändig, bleibt es meistens bei der Festlegung der Heilpflanzen auf ihre Hauptwirkstoffe. Kritiker sehen diesen Ansatz als höchst problematisch an. Denn wie schon erwähnt, sind Heilpflanzen aus einem ganzen Bouquet von vielen Wirkstoffen zusammengesetzt. Anzunehmen ist, dass diese unterschiedlichen Wirkstoffe untereinander Wirkungen haben. Möglicherweise wirken die oft hochgelobten Hauptwirkstoffe nur mit anderen Wirkstoffen in der bekannten heilsamen Kombination. Die Erforschung dieser Zusammenhänge ist nicht besonders weit. Genauso wie die Erkenntnisse beispielsweise der Erforschung des Mikrobioms, dass bis dahin gültige Annahmen (zum Beispiel über Funktionen des Immunssystems, Gedächtnisleistung, Emotionen) völlig außer Kraft setzte, könnte es bei der Erforschung der Heilpflanzen ebenfalls viele Überraschungen geben. Doch dazu wird es wahrscheinlich nicht kommen. Die deutsche Bundesregierung misst der Pflanzenheilkunde keinerlei Bedeutung bei – was beim ehemaligen “Mutterland der Phytotherapie” sehr traurig ist -, und folglich werden keine Forschungsgelder bereitgestellt. Vielen privaten Unternehmen fehlt meistens die wirtschaftliche Grundlage, um diese aufwändige Heilpflanzen-Erforschung zu betreiben. So ist der Erforschung der Wirkstoffe in Deutschland gegenwärtig nur einer Handvoll großen Phyto-Herstellern überlassen.
Heilpflanzen ein Naturprodukt
Baldrian
Nun ist der Begriff Heilpflanzen, Heilkräuter oder Kräuter umgangsprachlich weit gefasst: Heilpflanzen können auf groß angelegten Flächen kultiviert werden oder vereinzelnd im Garten, am Wegesrand, in Wäldern oder Wiesen wachsen. Heilpflanzen-Kundige sammeln sie in der Natur selbst, verarbeiten und verbrauchen diese meistens im Sinne der Selbstversorgung. Heilpflanzen haben jedoch noch einen arzneilich-medizinischen Aspekt. Sie sollen heilsam oder lindernd wirken, wenn z.B. eine Erkältung krank macht, Kopfschmerzen, rheumatische Schmerzen oder Blasenentzündungen bestehen. Nun wachsen Heilpflanzen in der Natur, sie sind dem Wetter und Umwelteinflüssen ausgesetzt. Folglich bilden Heilpflanzen entsprechend der jahreszeitlichen und klimatischen Gegebenheiten ihre Wirkstoffe aus. Diese heilsamen Wirkstoffe sind von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Ein Beispiel: Um ätherische auszubilden, benötigt Thymian genügend Feuchtigkeit zu Beginn der Wachstumsperiode und Hitze/ Sonne am Ende. Fällt der Regen im Frühjahr aus oder der Sommer ist zu feucht – so wird Thymian wenig ätherischen Öle enthalten.
Arzneimittel-Ware hat ihren Preis
Thymian
Bei dem Gebrauch von Heilpflanzen muss zwischen Gebrauchsware und Arzneimittel-Ware unterschieden werden (mehr). Heilpflanzen können wie in vielen Discountern zu Genusstees, Bonbons oder Wellnessprodukten verarbeitet werden. Sollen sie jedoch eine medizinische, das heißt heilsame Wirkung haben, ist pflanzlichen Arzneimitteln der Vorzug zu geben. Damit Verbraucher die Gewährleistung auf die medizinische Wirkung haben, sind pflanzlichen Arzneimitteln pharmazeutische Kontrollen und Qualitätskriterien gesetzlich vorgeschrieben. Bei pflanzlichen Arzneimitteln werden z.B. durch amtliche Vorschriften (Deutsches Arzneimittelbuch) die Mindestanforderungen (Mindestgehalt von ätherischen Ölen) oder Beschaffenheit bestimmter Ausgangsstoffe (keine schädlichen Stoffe wie Schimmelpilze, Pestizide, Mikroorganismen) festgelegt. Die Qualitätskriterien werden durch Laborkontrollen überprüft. Bei pflanzlichen Arzneimitteln ist ein hoher Qualitätsstandard gegeben, der die Wirksamkeit und die Verträglichkeit gewährleistet. Das ist auch der Grund, dass pflanzliche Arzneimittel teurer sind als z.B. billige Discounter-Ware.
Wissen für das Selbstsammeln von Heilpflanzen
Birken
Heilkundige oder solche, die es werden wollen, sollten eine genaue Kenntnis der Heilpflanzen haben, die sie suchen. Verwechslungsgefahr mit ähnlich aussehenden Pflanzen-Vettern können fatale Auswirkungen haben. Beispielsweise sehen Bärlauch und Maiglöckchen-Blätter für Unkundige ähnlich aus. Letztere sind giftig und gehören nicht verarbeitet. Auch werden sich Heilpflanzen-Liebhaber darum kümmern welche Pflanzenteile welche Wirkung haben. Denn mal sind die Wirkstoffe in den Blüten, Blättern oder den Wurzeln. Auch der Erntezeitpunkt spielt für den Wirkstoffgehalt eine wesentliche Rolle. Dann ist Wissen notwendig, um die Heilpflanzen schonend zu trocknen oder aufzuarbeiten, richtig zu lagern oder zu bevorraten (Mindesthaltbarkeit ein Jahr). Dazu gibt es viel Literatur, die vorbereitend gelesen werden sollte, um die Resourcen zu schonen.
Heilpflanzen können kurzfristig, zur z.B. Linderung von Husten angewandt werden. Auch eine kurmäßige Anwendung über sechs Wochen (Entschlackung im Frühjahr) kommt in Frage. Nicht zuletzt ist es wichtig, sich mit den einzelnen Inhaltsstoffen selbst auszukennen, um diese dann gezielt einsetzen zu können.
Autorin
• Marion Kaden, Heilpflanzen-Welt (2017).
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