Weißbirke

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Weiß­bir­ke, Betu­la alba, L. [Zorn, pl. med. tab. 546] mit drei­ecki­gen, spit­zi­gen, zwie­fach säge­ar­tig gezahn­ten, glat­ten Blät­tern, und auf­rech­ten, stei­fen Aes­ten, ein in Wäl­dern der käl­tern Län­der ein­hei­mi­scher Baum, wel­cher zei­tig im Früh­lin­ge blüht.

Der vor Aus­bruch der Blät­ter im Früh­lin­ge aus der ange­schnit­te­nen Rin­de der nicht all­zu­star­ken Aes­te rin­nen­de Saft (Suc­cus Betu­lae), des­sen Men­ge in einem Tage oft auf acht bis zehn Pfund beträgt, ist von süß­lich­tem etwas bar­schem Geschma­cke, und geht fast augen­blick­lich in Gäh­rung über, wenn die zu sei­ner Auf­be­wah­rung bestimm­ten Gefä­ße nicht wohl aus­ge­schwe­felt, d.i. mit der flüch­ti­gen Säu­re des bren­nen­den Schwe­fels durch­zo­gen sind. Man läßt ihn frisch zur Früh­lings­kur trin­ken, als gelind abfüh­ren­des, vor­züg­lich aber als star­kes, zuwei­len all­zu hef­ti­ges harn­trei­ben­des Mit­tel, zu sechs Unzen mehr­mahl des Tags. Er soll die Zufäl­le vom Bla­sen­stei­ne zum Schwei­gen brin­gen, und in Haut­aus­schlä­gen und im Schar­bo­cke Diens­te leis­ten. Oft ist er aber nur empi­risch, ohne bestimm­te Grün­de, ange­wen­det wor­den. Sonst gie­bt er durch Gäh­rung theils eine Art cham­pa­gner ähn­li­chen, theils einen voll­stän­di­gen Wein und der dar­aus abge­zo­gne Geist ist sehr rein.

Die jun­gen, fri­schen Blät­ter (Folia Betu­lae) die­nen als Haus­mit­tel, roh damit den Kör­per im Bet­te zu über­de­cken, um bei gich­t­i­schen und rheu­ma­ti­schen Beschwer­den Schweiß zu erre­gen, oder sie, in einer erhitz­ten Pfan­ne erweicht, auf Was­ser­ge­schwüls­te zu legen (wovon aber nicht sel­ten die Brust beschwe­ret wird) oder mit einem Absu­de der­sel­ben Haut­aus­schlä­ge zu bähen. Den Auf­guß, oder den Dick­saft der fri­schen Blät­ter läßt man in Schwe­den gegen Gicht und Roth­lauf brau­chen, doch immer noch mit roher Hand, und ohne genaue Unter­schei­dung der Fäl­le. Aus dem Absu­de der Blät­ter mit Alaun wird die Mahl­er­far­be, das soge­nann­te Schütt­gelb nie­der­ge­schla­gen, mit­telst Potasche.

Den Absud der innern Rin­de (Cort. inte­ri­or betu-lae) hat man gegen Wech­sel­fie­ber, vor­züg­lich wo Schar­bock vor­wal­te­te und bei äus­sern Geschwü­ren trin­ken las­sen. Das dar­aus durch abstei­gen­de Destil­la­ti­on gewon­ne­ne bränz­lich­te, zum Theil äthe­ri­sche Oel (Ole­um betu­li­num, bal­sa­mum lithua­ni­cum, ole­um rus­si­cum, s. mosco­vi­ti­cumDag­get) ist nicht mehr gebräuch­lich, unge­ach­tet es in ältern Zei­ten nicht nur in die Ohren gegen Taub­hö­rig­keit getröp­felt, son­dern auch äus­ser­lich gegen Ein­ge­wei­de­wür­mer auf­ge­stri­chen wor­den ist. Die­ses äus­serst hit­zi­ge Oel aber bei Hämor­rhoi­den auf­zu­le­gen, bei Blind­heit (Horn­haut­fle­cken?) in die Augen zu strei­chen oder inner­lich zu meh­rern Trop­fen beim Trip­per ein­neh­men zu las­sen, über­läßt man bil­lig den rohen Rus­sen, ohne es je nachzuahmen.