Vitriolsäure

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Vitri­ol­säu­re (Aci­dum vitrio­li, s. sulp­hu­ricum) ist eine Säu­re, wel­che sich spe­zi­fisch von allen andern dadurch unter­schei­det, daß sie mit Koh­len­pul­ver erhitzt, sich in Schwe­fel ver­wan­delt, und durch and­re Eigen­hei­ten, wel­che die Che­mie lehrt. Man ent­deckt sie in Flüs­sig­kei­ten durch die ent­stand­nen wei­ßen Prä­zi­pi­ta­te nach Ein­tröp­fe­lung der Auf­lö­sun­gen von Blei­koch­salz (Horn­blei) oder Baryt­sal­pe­ter (sal­pe­ter­sau­rer Schwer­erde), Präci­pi­ta­te (im erstern Fal­le Blei­vi­tri­ol von 30/​100 Säu­re­ge­halt und in 8700 Thei­len kal­tem Was­ser auf­lös­bar – im zwei­ten wie­der­erzeug­ter, im Was­ser fast unauf­lös­li­cher Schwer­spat von 26/​100 Säu­re­ge­halt), wel­che in rei­ner, ver­dünn­ter Sal­pe­ter­säu­re unauf­lös­bar sind.

Man hat zwei­er­lei star­ke Vitri­ol­säu­re, die bei­de nach ihrer ver­schied­nen Berei­tungs­art (ent­we­der aus Schwe­fel oder gemei­nem Vitrio­le) zwar im zufäl­li­gen Aeus­sern, aber nicht im Wesent­li­chen von ein­an­der abwei­chen. Das aus Schwe­fel berei­te­te soge­nann­te eng­li­sche Vitriol­öl (unter Schwe­fel) ist weiß, geruch­los, nicht damp­fend, krystal­li­sirt nicht in der Käl­te und erhitzt sich nicht sehr stark mit Was­ser; das aus Vitri­ol destil­lir­te soge­nann­te nord­häu­ser Vitriol­öl aber (unter Vitri­ol) ist bräun­lich von Far­be, stößt an der Luft weiß­graue, ersti­cken­de, schwef­lich­te Dämp­fe aus, krystal­li­sirt unter der Tem­pe­ra­tur 40° Fahr. spie­sicht, ist beträcht­lich stär­ker als das aus Schwe­fel berei­te­te und zischt in kal­tes Was­ser getröp­felt, unter star­ker Erhit­zung wie glü­hen­des Metall. Lez­te­re Säu­re hat gewöhn­lich noch eini­gen Gehalt von Eisen oder Kup­fer, ers­te­re gewöhn­lich einen Blei­ge­halt bei sich.

Die­ser Umstand macht, daß die eine wie die and­re zum innern Arz­neige­brau­che gerei­nigt oder rek­ti­fi­zirt wer­den soll­te, nem­lich durch Destil­la­ti­on, wel­che wenigs­tens bei dem nord­häu­ser eini­ge Vor­sicht nöthig macht. Geht man bei der Destil­la­ti­on der lez­tern gelind zu Wer­ke, so legt sich eine Salz­sub­stanz von noch unbe­kann­ter Natur (Sal vitrio­li vola­ti­le) in der Vor­la­ge in trock­ner Gestalt als stern­för­mig gestal­te­te, glän­zen­de Fäden an, wel­che an der Luft hef­tig und mit ersti­cken­dem Damp­fe rau­chen, sich sehr stark mit Was­ser erhit­zen, und an der Luft zu brau­ner Vitri­ol­säu­re zer­flie­ßen, und dann ist die in der Retor­te rück­stän­di­ge Säu­re farbelos, raucht nicht mehr bei Berüh­rung der Luft und krystal­li­sirt nicht mehr in der Käl­te. Am bes­ten geht man bei Rek­ti­fi­ca­ti­on die­ser Säu­ren zu Wer­ke, daß man eini­ge Pfun­de der einen oder der andern in einer in der Sand­ka­pel­le lie­gen­den Retor­te mit blos vor­ge­scho­be­ner Vor­la­ge, so lan­ge sie­den läßt, bis die rück­stän­di­ge Säu­re eine voll­kom­men wei­ße Far­be erhal­ten hat. Man fül­le sie dann in klei­ne­re etwa 18 Unzen hal­ten­de Glas­re­tor­ten, in jede etwa 10 bis 12 Unzen, set­ze sie in Schmelz­tie­gel mit etwas Sand umfüllt, der Gluth eines wohl­zie­hen­den Wind­ofens aus, lege eine geräu­mi­ge Vor­la­ge unlut­irt, oder (bes­ser) den unter dem Arti­kel Destil­la­ti­on, oder Sal­mi­ak­geist gezeich­ne­ten Appa­rat an, brin­ge den Untert­heil des Schmelz­tie­gels all­mäh­lich zum Glü­hen und erhal­te ihn dar­in (mit der Vor­sicht, daß die Trop­fen immer nur so lang­sam auf ein­an­der fol­gen, daß man zwi­schen jedem Zehn zäh­len kön­ne) so lan­ge, bis alle Flüs­sig­keit, alle von den in der Retor­te zurück­blei­ben­den Metall­kal­ken gerei­nig­te Vitri­ol­säu­re (aci­dum vitrio­li, s. sulp­hu­ricum rec­ti­fi­ca­tum) her­über gegan­gen ist, die man in glä­ser­nen Fla­schen mit ein­ge­rie­be­nem Glas­stöp­sel ver­wahrt. Da die kon­zen-trir­te Vitri­ol­säu­re die Feuch­tig­keit der Luft sehr begie­rig anzieht (oft ein ihr glei­ches Gewicht und mehr), und dadurch sehr geschwächt wird, so ist bei gro­ßen Stand­fla­schen dien­lich, die Glas­stöp­sel mit wei­ßem Wach­se zu über­zie­hen, um allen Zutritt der Luft abzu­hal­ten, nach der Art, wie unter dem Arti­kel Stöp­sel gelehrt worden.

Ist die­se von ihrem Metall­ge­hal­te befrei­te Säu­re durch ein­ge­fal­le­ne brenn­ba­re Sub­stan­zen, Kork, Wachs, Harz, u.s.w. wie­der braun gewor­den, so kann man sie zwar leicht in einem eng­häl­si­gen Kol­ben im Sand­ba­de durch Erhit­zung wie­der weiß machen, doch kömmt man leich­ter zum Zwe­cke, wenn man statt die­ses Sie­dens, eini­ge Trop­fen Sal­pe­ter­geist in die brau­ne Säu­re ein­tröp­felt, wel­cher dar­in zer­setzt in rothen Dämp­fen völ­lig ent­weicht, und die Vitri­ol­säu­re ent­färbt zurück­läßt; soll­te sie auch vor der Hand noch gelb­lich blei­ben, so dau­ert es doch nur weni­ge Tage, und sie ist was­ser­hell und völ­lig farbelos.

Wo man kei­ne von dem Metall­ge­halt völ­lig befrei­te, das ist, rek­ti­fi­zir­te Vitri­ol­säu­re zum arz­nei­li­chen Ein­neh­men, son­dern blos eine wei­ße, völ­lig oxy­dir­te zu phar­ma­zev­ti­schen Prä­pa­ra­ten bedarf, da ist zu ihrer Ent­fär­bung das blo­se Sie­den in eng­hal­si­gen Kol­ben oder die Ein­tröp­fe­lung eini­ger Sal­pe­ter­säu­re hinreichend.

Die unge­heu­re Erhit­zung, wel­che die kon­zen­trir­te Vitri­ol­säu­re bei Berüh­rung eini­ger Feuch­tig­keit zuwe­ge bringt, (wie wenn man ein glü­hen­des Eisen in Was­ser taucht), macht gro­ße Vor­sicht nöthig, theils, wo man sie in lee­re Glä­ser zu fül­len hat, dahin zu sehen, daß kei­ne Feuch­tig­keit in lez­tern hän­ge, und daß man ganz trock­ne und rei­ne Glä­ser dazu wäh­le (weil sie sonst unaus­bleib­lich zer­sprin­gen), theils wo man sie unter and­re Flüs­sig­keit zu mischen hat. Gro­ße Por­tio­nen star­ke Vitri­ol­säu­re plötz­lich zu einer klei­nen Men­ge Was­ser oder Wein­geist zu mischen, ist mit Lebens­ge­fahr verbunden.

Will man daher ver­dünn­te Vitri­ol­säu­re (Aci­dum vitrio­li tenueauch, unrich­tig, Vitriol­geist, Spi­ri­tus vitrio­li, aci­dusgenannt) berei­ten, so tröp­felt man z.B. in drei Thei­le, dem Gewich­te nach, destil­lir­tes Was­ser (And­re neh­men ein grö­ße­res Ver­hält­niß Was­ser und es ist Scha­de, daß man die ver­dünn­te Vitri­ol­säu­re nicht nach einem bestimm­ten spe­zi­fi­schen Gewich­te etwa zu 1, 100 berei­tet). Einen Theil, dem Gewich­te nach, star­ke Vitri­ol­säu­re nur in ein­zel­nen, lang­sam nach­ein­an­der fol­gen­den Trop­fen ein, und schüt­telt von Zeit zu Zeit das Was­ser um, damit sich die Säu­re nicht zu Boden set­ze, son­dern sich gleich­för­mig ver-thei­le, und die Erhit­zung des Gefä­ßes all­mäh­lich und gleich­för­mig erfol­ge. Man gie­ße ja nicht umge­kehrt das Was­ser in die Säure!

Noch grö­ße­re Vor­sicht ist nöthig, wenn man die star­ke Vitri­ol­säu­re unter brenn­ba­ren Geist zu mischen hat. Die erfor­der­li­che Men­ge ganz was­ser­frei­en Wein­geis­tes setzt man in einer geräu­mi­gen Fla­sche ent­hal­ten, in ein Gefäß voll kal­ten Was­sers und trägt die nö-thi­ge Men­ge kon­zen­trirter, ent­färb­ter Vitri­ol­säu­re, wie man sagt, in ganz klei­nen Quan­ti­tä­ten, sich­rer und bes­ser aber, in ein­zel­nen Trop­fen her­ein und bewegt die Fla­sche durch Schüt­teln von Zeit zu Zeit. So wird die hef­ti­ge Erhit­zung, die von jedem Trop­fen, wie von einer ein­ge­tauch­ten glü­hen­den Koh­le unter Zischen erfolgt, gleich­för­mig vert­heilt, ohne das Gefäß dem Zer­sprin­gen aus­zu­set­zen, und ohne wie beim schnel­len Ein­tra­gen geschieht, die Flüs­sig­keit in Wal­len und Kochen zu set­zen, wobei eine ansehn­li­che Men­ge äthe­ri­schen Geis­tes davon geht.

Ist die Mischung zum unmit­tel­ba­ren innern Arz­neige­brau­che bestimmt, so muß die Vitri­ol­säu­re nicht nur ent­färbt, son­dern auch durch Ueber­trei­bung rek­ti-fizirt seyn.

Unter 6 Unzen was­ser­frei­en Wein­geist mischt man, auf ange­geb­ne Art, 1 Unze star­ke rek­ti­fi­zir­te Vitri­ol­säu­re, um Dippels sau­res Eli­xir (Eli­xir aci­dum Dip-pelii) zu berei­ten. Die nach­gän­gi­ge Fär­bung mit Safran und Koschen­il­le geschie­het blos zur Zierde.

Eben so mischt man mit obi­ger Behut­sam­keit zu drei Unzen was­ser­frei­en Wein­geis­te 1 Unze star­ke rek­ti­fi­zir­te Vitri­ol­säu­re, um Rabels Was­ser (Aqua Rabelii) zu verfertigen.

Die meis­te Vor­sicht ist bei Ver­mi­schung glei­cher Thei­le was­ser­frei­en Wein­geis­tes und star­ker rek­ti­fi­zir-ter Vitri­ol­säu­re zu Haller’s sau­erm Eli­xir (Eli­xir aci­dum Hal­le­ri) nöthig. Die Fär­bung die­ses Gemi­sches mit Koschen­il­le zu Zim­mer­manns sau­erm Eli­xi­re (Eli­xir aci­dum Zim­mer­man­ni) ist unwesentlich.

Nur ist zu wis­sen nöthig, daß die inni­ge Ver­ei­ni­gung die­ser Säu­re mit dem Wein­geis­te nur all­mäh­lich vor sich gehe, und z.B. ein Hall­ersches sau­res Eli­xir ein Paar Stun­den nach sei­ner Mischung noch so fres­send sau­er ist, daß kaum ein Paar Trop­fen auf die Gabe genom­men wer­den kön­nen, wäh­rend es bin­nen meh­re­ren Wochen so mild wird, daß man nun eine zwan­zig­fa­che Men­ge davon auf die Gabe rei­chen kann. Auch sind dann sei­ne Kräf­te so äther­ar­tig gewor­den, als sie anfäng­lich fast blos die der unver-misch­ten Vitri­ol­säu­re waren, wel­ches lez­te­re der Absicht zuwi­der ist. Es soll­te daher kein recht­li­cher Apo­the­ker die­se genann­ten drei Mischun­gen eher zur Dis-pen­sa­ti­on neh­men, als bis sie vier Wochen lang ver­stopft an einem gemä­sigt küh­len Orte gestan­den haben. Sie nur eini­ge Tage an einem wär­mern Orte zu diger­i­ren, wie vor­ge­schla­gen wird, ist theils nicht zurei­chend zur genau­en Ver­bin­dung, theils wird die Geis­tig­keit der­sel­ben dadurch vermindert.

Die rei­ne Vitri­ol­säu­re zeigt gehö­rig mit Was­ser ver­dünnt (etwa 1 Theil star­ke Säu­re unter 2000 Thei­le wäs­se­ri­ge Flüs­sig­keit gemischt) Kräf­te erhe­ben­de, fäul­niß­wid­ri­ge, adstrin­gi­ren­de Eigen­schaf­ten und ist daher oft mit Nut­zen in fau­lich­ten Fie­bern, in Blut­flüs­sen, und eini­gen Haut­übeln gebraucht wor­den, etwa ein Trop­fen der star­ken Säu­re auf die Gabe in genann­ter oder ähn­li­cher Ver­dün­nung. Was sie in krampf­haf­ten Krank­hei­ten, im Bla­sen­stei­ne, in der schlei­mi­gen Lun­gen­sucht, und als harn­trei­ben­des Mit­tel leis­te, ist noch nicht völ­lig bestä­tigt. In einer Art von Gicht, wel­che jun­ge, robus­te Per­so­nen befällt, war sie nicht sel­ten hülfreich.

Aeus­ser­lich hat sie sich, mit 50 Thei­len Was­ser ver­dünnt, in fau­len Mund­ge­schwü­ren und Schwämm-chen der Kin­der, so wie im Was­ser­krebs dien­lich erwiesen.

Das sau­re Eli­xir aber, oder die mit brenn­ba­rem Geis­te ver­süß­te Vitri­ol­säu­re, zeigt nicht nur die Wir­kun­gen der lez­tern, son­dern auch, je län­ger sie Zeit gehabt hat, mit dem Wein­geist in Ver­bin­dung zu tre­ten, um so, mehr auch die Kräf­te des Vitriol­äthers. Selbst im Veits­tan­ze, der Fall­sucht und dem chro­ni­schen Zit­tern hat man in eini­gen Fäl­len Hül­fe davon erlangt; je nach der ver­schied­nen Ver­sü­ßung zu zwei bis zwan­zig Trop­fen auf die Gabe, mit Flüs­sig­kei­ten verdünnt.

Wenn man Hal­lers sau­res Eli­xir oder eine auf obi­ge Art behut­sam ver­fer­tig­te Mischung von glei­chen Gewich­ten star­ker Vitri­ol­säu­re, und des ver­stärk­tes­ten Wein­geis­tes eini­ge Wochen in ver­stopf­ten Fla­schen im Kal­ten ste­hen läßt, dann das Gemisch aus einer glä­ser­nen Retor­te mit dem Vorlag­ge­rä­the, wie im Arti­kel Destil­la­ti­on gezeich­net ist (in Erman­ge­lung der­sel­ben, wie­wohl weni­ger sicher, aus Kol­ben mit Helm und klei­ner Vor­la­ge) im Sand­ba­de (nach Ver­dich­tung der Fugen mit einer Mas­se aus Eiweiß und leben­di­gem Kal­ke zusam­men­ge­rührt) bei gelin­dem Feu­er destil­lirt, die zuerst über­ge­gan­ge­nen weni­gen Unzen unver­än­der­ten, obgleich ange­nehm rie­chen­den Wein­geis­tes weg­nimmt, sobald das Destil­li­ren­de in dün­nen, fet­tig aus­se­hen­den, geschlän­gel­ten Strie­fen über­zu­ge­hen anfängt, und nun, nach gewech­sel­ter Unter­satz­fla­sche (s. die gedach­te Zeich­nung) oder Vor­la­ge, so lan­ge mit der Destil­la­ti­on anhält, als die­se fet­ti­gen Strie­fen zu erschei­nen fort­fah­ren, und sie abbricht, sobald der ange­neh­me Aether­ge­ruch in einen schwe­fe­lichtsauern über­zu­ge­hen anfängt, so ist das Destil­lat Vitriol­äther (Aether vitrio­li, s. vitrio­laa-tus, s. vini, Aether Fro­be­nii, unei­gent­lich auch Nap-tha vitrio­ligenannt, ein Nah­me der ehe­dem auch dem Wein­öle bei­gelegt ward) eine 0, 732 leich­te, was­ser­hel­le Flüs­sig­keit von erqui­cken­dem, star­kem, durch­drin­gen­dem Geru­che und ähn­li­chem, auf der Zun­ge feu­ri­gem und zugleich käl­ten­dem Geschma­cke, die durch ihren weit umher sich ver­brei­ten­den Dunst schon in der Ent­fer­nung ent­zünd­bar, lodern­der und mit hel­le­rer Far­be, als der Wein­geist, und mit Anle­gung vie­len Rußes ver­brennt, so leicht ver­duns­tet, daß ein Trop­fen von eini­ger Höhe her­ab­ge­tröp­felt, eher ver­fliegt, als er die Erde erreicht, und dabei so viel Wär­me­stoff mit sich fort­nimmt, daß ein damit feucht erhal­te­ner Ther­mo­me­ter bis zu 20 Grad unter 0 Reaum. her­ab­sinkt, wodurch Was­ser auch im Som­mer zum Gefrie­ren gebracht wer­den kann – eine Flüs­sig­keit, wel­che, den äthe­ri­schen Oelen sehr ähn­lich, sich zwar mit Wein­geist in allen Ver­hält­nis­sen ver­bin­det, aber nur in zehn (viel­leicht noch mehr) Thei­len Was­ser auf­lös­bar ist, wor­ein sie getröp­felt, zischt, und wel­che nicht nur äthe­ri­sche Oele und Gewächs­har­ze, son­dern auch fet­te Oele, thie­r­i­sche Fet­te, Feder­harz, Phos­phor, Erd­harz und Gal­len­stei­ne, aber nicht, wie Wein­geist, den Sei­fen­stoff der Gewäch­se auf­lößt ‑ein in der Arz­nei­kunst sehr schätz­ba­res, Kräf­te erhe­ben­des, nicht erhit­zen­des Mit­tel, wel­ches in gewis­sen Fäl­len (die jedoch von Aerz­ten noch nicht genau bestimmt sind) sehr kräf­tig Krämp­fe (oft die von Hys­te­rie und Blä­hun­gen) Schmer­zen (oft des Kop­fes, der Zäh­ne bei Hys­te­rien, und des Magens von zurück­ge­tre­te­ner Gicht) und äus­se­re Ent­zün­dun­gen (des Fin­ger­wurms, der ein­ge­sperr­ten Leis­ten­brü­che) stillt, sehr kräf­tig zu Bele­bung Schein­tod­ter mit­wirkt und eins der bes­ten Gegen­mit­tel gif­ti­ger Schwäm­me ist.

Ist der Aether durch Ver­se­hen gleich­wohl etwas schwe­fe­licht gewor­den, so darf er nur mit etwas auf-gelö­se­tem Pota­schlau­gen­sal­ze (zer­flos­se­nem Wein­stein­öle) geschüt­telt und dann durch den Schei­de­trich­ter (w.s.) wie­der abge­son­dert werden.

Zu eini­gen tech­ni­schen Behu­fen (z.B. zur Auf­lö­sung des Feder­har­zes) muß er von aller Säu­re und dem ihm immer noch bei­gemisch­ten Was­ser durch eine neue Rek­ti­fi­ka­ti­on bei dem gelin­des­ten Hitz­gra­de zur Win­ter­zeit der­ge­stalt gerei­nigt wer­den, daß man nur zwei Dritt­hei­le davon her­über gehen läßt (Aether vitrio­li rec­ti­fi­ca­tus).

Wird Ein Theil Aether in vier (höchs­tens sechs) Thei­len was­ser­frei­em Wein­geis­te auf­gelößt, so ent­steht der soge­nann­te ver­süß­te Vitriol­geist, ver­süß­te Vitri­ol­säu­re, oder Hoff­manns schmerz­stil­len­der Li-quor (Spi­ri­tus vitrio­li dul­cis, Liqu­or anody­nus mine-ralis Hoff­man­ni), den man auch gera­de­zu erhal­ten kann, wenn man vier Thei­le Wein­geis­t­al­ko­hol mit einem Thei­le, dem Gewich­te nach, star­ker Vitri­ol­säu­re, unter oben ange­geb­ner Vor­sicht behut­sam gemischt, aus dem unter dem Arti­kel Destil­la­ti­on gezeich­ne­ten Appa­ra­te bei gelin­dem Feu­er so weit über­zieht, bis der schwe­fe­lich­te Geruch sich zu ent­wi­ckeln anfängt. Wenn er gleich­wohl die Lack­mustink­tur rö-thet, oder schwe­fe­licht riecht, so muß er mit Pota-schlau­gen­salz­auf­lö­sung geschüt­telt, und wenn bei­de Erschei­nun­gen ver­gan­gen sind, durch den Schei­de­trich­ter (w.s.) wie­der abge­son­dert werden.

Mischt man drei bis vier Thei­le star­ken Wein­geist mit Einem Thei­le Vitriol­äther und läßt die Mischung eini­ge Wochen ste­hen, so bekömmt man eben­falls Hoff­man­ni­schen Liquor.

Die Arz­nei­kräf­te des­sel­ben wei­chen von denen des Vitriol­äthers in so fern ab, als der zuge­misch­te Wein­geist erhit­zend ist.

Bei­de, Aether und Hoff­manns Liqu­or, müs­sen in glä­ser­nen Fla­schen auf­ge­ho­ben wer­den, deren ein­ge­rie­be­ner Glas­stöp­sel bei grö­ßern Stand­fla­schen noch über­dieß so luft­dicht gemacht wer­den muß, wie im Arti­kel Stöp­sel geleh­ret worden.

Wird die Destil­la­ti­on wei­ter fort­ge­setzt, so geht unter wei­ßen, immer dich­tern und dich­tern Dämp­fen aus­ser schwe­fe­lich­ter und Essig-Säu­re auch ein dun­kel­gel­bes, dick­li­ches Oel über, wel­ches stark schwe­fe­licht riecht und schmeckt, und in Wein­geist, aber nicht in Was­ser auf­lös­bar ist, auf wel­chem es schwimmt. Die­ses soge­nann­te Wein­öl (Ole­um vini, s. dul­ce, Ole­um vitrio­li dul­ce, ole­um naph­thae, Quin­ta essen­tia vege­ta­bi­lis) über Pota­schlau­gen­salz­auf­lö-sung oder gebrann­ter Schwer­erde rek­ti­fi­zirt, ver­liert zwar den schwef­lich­ten Geruch und Geschmack und nähert sich dann eini­ger­ma­sen dem Vitriol­äther, weicht aber in andern Stü­cken merk­lich von ihm ab, und nähert sich noch mehr den äthe­ri­schen Oelen, schon durch sei­ne Unauf­lös­lich­keit in Wasser.

Man hat das Wein­öl ehe­dem (Kin­dern zu 4 bis 8, Erwach­se­nen aber zu 20 Trop­fen, auf Zucker getröp­felt) in Schmer­zen vom Zah­nen, der Nie­ren­stein­ko­lik, ver­schied­nen Gicht- und rheu­ma­ti­schen Schmer­zen, bei Koli­ken, Schluck­sen, zurück­ge­trieb­nen Aus­schlä­gen, vie­ler­lei Krämp­fen, hit­zi­gen Fie­bern, Schlag­flüs­sen und Läh­mun­gen, und selbst im schwar­zen Sta­a­re (wie es scheint, oft ganz empi­risch) gebraucht.

Der Rück­stand von der Destil­la­ti­on des Vitriol­äthers oder des Hoff­man­ni­schen Liqu­ors ist eine brau­ne, schwe­fe­lich­te Säu­re, die bei fer­nerm, aber immer klei­nern und klei­nern Zusat­ze von Wein­geist und erneu­er­ter Destil­la­ti­on wie­der Aether oder Hoff­man­ni­schen Liqu­or, aber immer weni­ger und weni­ger gie­bt; sie wird aber bei öfte­rer Wie­der­ho­lung die­ses Pro­zes­ses all­zu wäs­se­richt, und wird dann bes­ser zu andern Behu­fen genutzt (mit Was­ser ver­dünnt, an die Luft gestellt und hell abge­gos­sen) zur Berei­tung des rei­nen Eisen­vi­tri­ols, rei­nen Zink­vi­tri­ols, und zu ver­schied­nen Prä­zi­pi­ta­tio­nen, der Schwe­fel­milch, des Spieß­glanz­schwe­fels, u.s.w.