Vitriol

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Vitri­ol (Vitrio­lum) nennt man gewöhn­lich ein vitri­ol-oder schwe­fel­sau­res, gemischt metal­li­sches Salz (gemei­nen, grü­nen, eng­li­schen Vitri­ol, Vitrio­lum vul­ga­re, com­mu­ne, angli­cum, lon­di­nen­se), des­sen Grundt­heil wohl größ­tent­heils Eisen, gewöhn­lich aber noch mit etwas Kup­fer, Thon­er­de, auch wohl noch mit Zink (Vitrio­lum gos­la­ri­cum, gos­la­ri­scher Vitri­ol) gemischt, ist, von undeut­lich schräg­würf­lich­ter Kry-stal­li­sa­ti­on, und grün­bräun­li­cher Far­be, wel­che sich um des­to mehr ins Brau­ne zieht, jemehr das Eisen dar­in oxy­dirt ist, oder mehr ins bläu­lich­te spielt, wenn er einen ansehn­li­chen Theil Kup­fer ent­hält. Von die­ser Art ist der Salz­bur­ger; der fahl­un­sche ent­hält au-sser Eisen- und Kup­fer­vi­tri­ol, noch Zink­vi­tri­ol. Die Kie­ße oder Vitriol­mi­nern wer­den zur Berei­tung des gemei­nen Vitri­ols ent­we­der gerös­tet, um den über­flüs­si­gen Schwe­fel davon zu gewin­nen und die Zer­set­zung zu erleich­tern, oder unge­rös­tet, wie die gewöhn­li­chen Atra­ment­stei­ne und Vitrio­le­r­den, blos an der Luft aus­ge­brei­tet, die ver­wit­ter­ten (das ist mit dem Sau­er­stof­fe der atmo­sphä­ri­schen Luft durch eine Art unmerk­li­chen Ver­bren­nens berei­cher­ten) und mit einem wei­ßen Salz­an­flu­ge über­zo­ge­nen Hau­fen aber aus­ge­laugt. Dann wird die ver­stärk­te Lau­ge, wenn fast rei­ner Eisen­vi­tri­ol in der Lau­ge seyn soll, am bes­ten mit Zusatz metal­li­schen Eisens bis zur gehö­ri­gen Kon­sis­tenz in blei­er­nen Pfan­nen ein­ge­sot­ten, der nie­der­fal­len­de Eise­n­o­cher beim Ver­küh­len abge­son­dert und so die Lau­ge rein in die tan­ne­nen, bedeck­ten Wach­strö­ge zum Anschie­ßen hingestellt.

Aus­ser andern tech­ni­schen Behu­fen (denn zu inne­rer Arz­nei wird der gemei­ne Vitri­ol nie gebraucht) bedient man sich die­ses Vitri­ols zur Berei­tung ver-schied­ner Mate­ria­li­en und Arz­nei­dro­guen, wie ehe­dem bei der Ver­fer­ti­gung des Queck­sil­ber­sub­li­mats, des Schei­de­was­sers u.s.w. Die ein­fachs­te Benut­zung aber besteht in Aus­zie­hung sei­ner Säu­re durch die Destil­la­ti­on. Zu die­ser Absicht wird der gemei­ne Vitri­ol in fla­chen Kes­seln über frei­em Feu­er sei­nes Krystal­li-sati­ons­was­sers mög­lichst beraubt, oder wie man es nennt, zur Röthe kal­zi­nirt (Vitrio­lum cal­ci­na­tum). Hie­mit füllt man in eig­nen Fabri­ken irde­ne Retor­ten bis zu zwei Drit­teln ihres innern Raums an, und zieht mit all­mäh­lig erhö­he­tem Feu­er zuerst die schwa­che Säu­re (wel­che ehe­dem Vitriol­geist hieß) in die Vor­la­ge über, die man dann mit einer neu­en wech­selt, um bei einem viel­stün­di­gen, aufs äus­sers­te erhö­ten Feu­er, die in wei­ßen, dicken Nebeln über­ge­hen­de, star­ke Vitri­ol­säu­re (Aci­dum vitrio­li for­te, s. con­cen­tra­tum) voll­ends über­zu­trei­ben, die man ihrer dick­flüs­si­gen Kon­sis­tenz wegen auch, obschon unei­gent­lich, Vitriol­öl (ole­um Vitrio­li) und, um es von dem eng­li­schen Vitriol­öle aus Schwe­fel zu unter­schei­den, Nord­häu­ser Vitriol­öl zu nen­nen pflegt, es mag nun in Nord­hau­sen, im säch­si­schen Erz­ge­bir­ge, oder in Schle­si­en fabri­cirt wor­den seyn. Man soll aus einem Zent­ner roth­ge­brann­tem Vitrio­le höchs­tens zehn Pfund sol­cher Säu­re erhal­ten. Die­ses gemei­ne Vitriol­öl hat immer eine etwas dunk­le Far­be, etwa 1, 800 eigent­hüm­li­ches Gewicht, stößt bei Berüh­rung der Luft weiß­graue Dämp­fe und einen ersti­cken­den, schwef­lich­ten Geruch von sich, und gefriert in einer Käl­te unter 40° Fahr. in spieß­för­mi­ge Krystal­le, die sich bei einer grö­ßern Käl­te zu einer fes­ten Mas­se ver­ei­ni­gen, wel­che beim Wie­der­auft­hau­en oben­auf schwimmt. Ganz anders ver­hält es sich mit dem wah­ren vitrio­li­schen Eis­öle (ole­um vitrio­li gla­cia­le) wel­ches man bei der Destil­la­ti­on des Vitri­ols, ganz zu Ende der Arbeit bei dem hef­tigs­ten Feu­er in besond­re Vor­la­gen über­zu­trei­ben pflegt, da sich dann der Dunst in fes­te Trop­fen zu ver­ei­ni­gen pflegt, die man mit dem Spa­tel los­sto­ßen kann. Die­ses ist einem im Auft­hau­en begrif­fe­nen Schnee­klum­pen ähn­lich, ohne unter­scheid­ba­re Krystal­li­sa­ti­on, von ganz wei­ßer Far­be, dampft wenig oder gar nicht, bleibt bei einer Wär­me von 80° Fahr. noch geron­nen, liegt immer unter der weni­gen, oben ste­hen­den, durch Anzie­hung der Feuch­tig­keit aus der Luft, gebild­ten flüs­si­gen Vitri­ol­säu­re zu Boden und besitzt über 2, 000 eigent-hüm­li­che Schwere.

Der Rück­stand der Destil­la­ti­on (Caput mor­tu­um vitrio­li, Col­cot­har) ist ein locke­rer, roth­brau­ner Metall­kalk von äus­serst schrump­fen­dem Geschma­cke, wel­cher noch einen ansehn­li­chen Theil kon­zen­trirter Säu­re ent­hält, und zuwei­len äus­ser­lich als ein blut­stil­len­des Mit­tel ist gebraucht wor­den. In ältern Zei­ten lang­te man hier­aus ein weiß­lichtes oder gilb­li­ches Salz (Sal vitrio­li, Sal col­cot­ha­ris, Gil­la vitrio­li, Gilia Theo­phras­ti) wel­ches außer oxy­dir­tem Eisen­vi­trio­le, auch wohl noch Alaun, Kup­fer- und Zink­vi­tri­ol zu ent­hal­ten pflegt, und als ein (dras­tisch unsich­res) Brech­mit­tel ange­wen­det ward. Der nach die­ser Aus­lau­gung oder Aus­sü­ßung rück­stän­di­ge Metall­kalk ist das zu Far­ben gewöhn­li­che Eng­li­sche Roth oder Braun­roth (Ter­ra vitrio­li dul­cis).