Essig, destillirter

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Essig, destil­lirter (Ace­tum destil­la­tum). Durch die Destil­la­ti­on erhält man aus dem rohen Essig eine farb­lo­se, von Extrak­tiv­stof­fe fast freie Essig­säu­re. Die bes­ten Gefä­se, wenn man ihn im Klei­nen destil­lirt, sind tief abge­spreng­te glä­ser­ne Kol­ben, auf denen ein glä­ser­ner (auf der Spit­ze wo mög­lich mit einer Tubu-lat­öf­nung, unten­her aber mit einer Trauf­rin­ne ver­se­he­ner) Helm gekit­tet ist (Destil­la­ti­on). Zu grö­ßern Men­gen kann eine stein­zeug­ne Bla­se mit einem ähn­li­chen oder zin­ner­nen Hut­he die­nen. Zu ganz gro­ßen Quan­ti­tä­ten aber, wozu jene Gefä­se zu klein sind, die­nen zin­ner­ne Bla­sen mit glei­chen Hüt­hen und Kühl­röh­ren, doch letz­te­re ganz aus fei­nem Zin­ne verfertigt.

Man kann die Gefä­se bis auf fünf Sechs­tel ihrer in-nern Höhe mit dem rohen Essi­ge anfül­len, die metal­le­ne Bla­se in frei­es Feu­er, die irde­nen oder glä­ser­nen aber so weit ins Sand­bad set­zen, als die inne­re Flüs­sig­keit reicht, und all­mäh­li­ge Hit­ze geben.

Das anfäng­li­che Pro­dukt (spi­ri­tus ace­ti) ist eine sehr durch­drin­gend ange­nehm rie­chen­de Flüs­sig­keit, näm­lich ver­süß­ter Essig­geist mit Was­ser gemischt, von wel­chem man ihn durch noch­ma­li­ge Destil­la­ti­on befrei­en kann.

Auf die­sen Essig­geist folgt gar bald eine gro­ße Men­ge (gewöhn­lich das Vier­tel des gan­zen Essigs) Wäs­se­rig­keit, wel­che wenig oder gar nicht sau­er ist, und weg­ge­schüt­tet wer­den muß.

Bei der fort­ge­setz­ten Destil­la­ti­on des rohen Essigs wird zwar das Pro­dukt als der eigent­li­che destil­lir­te Essig, immer sau­rer, aber auch zugleich bränz­lich­ter, und die­se Bränz­lich­keit ver­mehrt sich nach und nach so sehr, daß die Trop­fen end­lich gilb­lich über­zu­ge­hen anfan­gen. Dieß ist der Zeit­punkt, wo man die gewöhn­li­che Essig­de­stil­la­ti­on been­digt, und doch ist der Rest (sapa ace­ti, Essig­ex­trakt) im Destil­lir­ge­fä­se noch äus­serst sau­er, obwohl schwarz und bran­zig, ein Rück­stand, der zwar zu eini­gen Arbei­ten, z.B. zum krystal­li­sir­ten Grün­spa­ne wie­der zu brau­chen ist, aber doch weit schätz­ba­rer seyn wur­de, wenn er eine eben so rei­ne als star­ke Säu­re wäre. Der über­ge­gang­ne Essig aber ist stets weit schwä­cher als der zur Destil­la­ti­on ein­ge­setz­te rohe Essig war; er ist zudem immer ziem­lich bränz­licht im Geru­che und Geschmacke.

Man sieht hier­aus, wie schwie­rig, kost­bar und unzu­läng­lich die bis­he­ri­ge Essig­de­stil­la­ti­on war, und sie wür­de es noch seyn, wenn Lowitz uns nicht gelehrt hät­te, die­sen Schwie­rig­kei­ten durch bei­gemisch­tes Koh­len­pul­ver zu entgehn.

Zu dem Ende wird der rohe Essig mit etwa 1/​15 sei­nes Gewich­tes an gepül­ver­ten frisch geglü­he­ten Koh­len ver­mischt, und die Destil­la­ti­on der­ge­stalt voll­führt, daß in der Bla­se oder dem Kol­ben nichts als ein trock­ner Rück­stand blei­be und alle Säu­re über­ge­he. Der so über­ge­gan­ge­ne Essig ist dann fast eben so stark, als der dazu ange­wen­de­te rohe war.

Man bricht aber bes­ser die Destil­la­ti­on von Zeit zu Zeit ab, d.i. man nimmt zuerst das Essig­phleg­ma weg, läßt dann in die Vor­la­ge den stär­kern Essig lau­fen, und fängt gegen das Ende der Destil­la­ti­on die stärks­te Säu­re noch beson­ders auf, wel­che etwas braun und bränz­licht befun­den wird, aber über fri­sches Koh­len­pul­ver leicht zur reins­ten stärks­ten Essig­säu­re rek­ti­fi-zirt wer­den kann.