Essenzen, sollen Auszüge aller kräftigen Bestand-theile der einfachen Arzneisubstanzen mittelst des Weingeistes (oder einer ähnlichen Flüssigkeit seyn.) Im Grunde weichen die Essenzen wenig oder gar nicht von den Tinkturen ab; es müßte denn darin seyn, daß man bei erstern nicht eben auf eine liebliche Farbe, sondern auf mehrere Konzentration und stärkere Schwängerung des Auflösungsmittels mit den ausziehbaren Bestandtheilen der Substanz sieht.
Sehr oft wir in arzneilichen Verordnungen gar kein Unterschied zwischen Essenzen und Tinkturen gemacht.
Man hat einfache Essenzen (Essentia simplex), wo nur Eine Substanz, und zusammengesetzte (Essentia composita), wo mehrere Substanzen mit dem Auflösungsmittel digerirt und ausgezogen oder aufgelöset werden. Letztere nähern sich den Elixiren, erstere den Tinkturen, und man kann ausser den unter diesen beiden Artikeln und unter Digestion angegebnen Regeln nur noch etwa auf den Umstand sein Augenmerk richten, daß man bei Essenzen das Verhältniß der auszuziehenden Substanz gegen das Auflösungsmittel größer als bei Tinkturen zu nehmen habe, und zur Beförderung einer konzentrirtern Auflösung die Mischung längere Zeit und öfterer umschütteln müsse.
Die anzuwendende Digestionswärme sollte in den meisten Fällen nicht bis zu dem Hitzgrade steigen, worin das Auflösungsmittel zum Sieden gelangen könnte, und die Arbeit, wo möglich, immer in einem völlig verschlossenen Glase oder Digestor vorgenommen werden, um die feinen flüchtigen Bestandtheile zu erhalten, und die Essenz wohlschmeckender und kräftiger zu machen.
Zu Kräutern nimmt man gewöhnlich drei Theile Weingeist, zu Wurzeln und Rinden fünf Theile, zu Gummiharzen, Harzen und eingedickten Säften aber sechs Theile.
Reiner Weingeist ist zwar die gewöhnlichste Flüssigkeit, die man zur Bereitung der Essenzen nimmt; doch werden in einigen Fällen (und zwar oft mit wirk-samerm Erfolge) versüßte Säuren oder Aetherarten, und mit Laugensalz vermischter Weingeist zum Auflösungsmittel gewählt.
Man sehe noch Digestion, Tinktur, Elixir.