Branntwein

Hahnemanns Apothekerlexikon
vorheriges KapitelZurückInhaltsverzeichnisWeiternächstes Kapitel

Brannt­wein (Spi­ri­tus fru­men­ti, spi­ri­tus vini dilutus, spi­ri­tus vino­sus tenui­or), der aus geg­ohr­nen wei-nich­ten Flüs­sig­kei­ten (sie mögen nun Wein­beer­wein, Obst­wein, Honig­wein, geg­ohr­ne Mösche aus geschro-tenen oder gemalz­ten Getrei­de­kör­nern, oder der­glei­chen seyn,) destil­lir­te, aber noch mit vie­lem Was­ser ver­misch­te brenn­ba­re Geist. Hier ist, über sei­ne Berei­tung, wel­che von der tech­ni­schen Che­mie gelehrt wird, wei­ter nichts zu sagen, als daß 1) die geg­ohr­nen Flüs­sig­kei­ten zu der Zeit den meis­ten Geist geben, wenn sie eben mit Aus­sto­ßen der Luft­säu­re, oder, wie man sagt, mit Brau­sen auf­hö­ren, und die obe­re Hefe sich zert­heilt und wie­der zu sin­ken beginnt; 2) daß die wein­ar­ti­ge Flüs­sig­keit nur bei anhal­ten­dem gelin­dem Kochen im Destil­lir­ge­rä­the ihren Geist von sich gie­bt; 3) daß eine gehö­ri­ge Abküh­lung des Helms und sei­ner Röh­re erfor­der­lich sey, um den meis­ten und wohl­schme­ckends­ten Brannt­wein zu bekommen.

In Deutsch­land hat man fast nir­gend Anstal­ten, um die Brannt­wein­bren­ner zu ver­mö­gen, einen Brannt­wein von bestimm­ter Stär­ke und Güte zu verkaufen.

Was die Stär­ke anlangt, so hat man im Publi­kum nur sehr dürf­ti­ge und unzu­läng­li­che Hand­grif­fe, um einen kräf­ti­gen Brannt­wein von einem schwa­chen zu unter­schei­den. Das hie­her gehö­ri­ge sehe man unter Wein­geist nach. Ich erin­ne­re blos, daß die Stär­ke eines arz­nei­li­chen Brannt­weins in Eng­land auf die spe­zi­fi­sche Leich­tig­keit des Brannt­weins von 0, 930 gegen 1000 Was­ser, in Frank­reich aber unge­fähr auf 0, 926 bestimmt ist.

Was sei­ne Güte anlangt, so besteht sie für arz­nei­li­che Absich­ten blos in der Rei­nig­keit des mit Was­ser ver­dünn­ten Geis­tes, ohne Neben­ge­ruch oder frem­den Nach­ge­schmack. Er muß nicht nach dem Fas­se schme­cken, nicht (vom Anbren­nen der geg­ohr­nen Mate­rie am Boden der Bla­se) bran­zicht gewor­den, nicht (von man­gel­haf­ter Abküh­lung des Helms und der Helm­röh­re) Feu­er­ge­schmack bekom­men, nichts von dem Schee­li­schen Fusel­öle (bei über­mä­sig erhö­he­tem Feu­er­gra­de) mit her­über genom­men haben, am wenigs­ten aber über­ge­gan­gen seyn. Er muß mit einem Wor­te blos als rei­ner (nur ver­dünn­ter) Wein­geist rie­chen und schmecken.

Da aber bei jedem noch so kunst­mä­sig voll­führ­tem, erst­ma­li­gem Bren­nen der geg­ohr­nen Flüs­sig­kei­ten, wel­chen Namen sie auch haben mögen, immer ein Theil der­sel­ben in Sub­stanz, d.i. Phleg­ma, mit über­geht, so unter­schei­det sich ein von Wei­ne destil­lirter gar sehr von einem aus Getrei­de­mö­sche über­ge­trieb­nem, uns gewöhn­li­cherm, soge­nann­tem Korn­brannt­wei­ne sowohl im Geschma­cke als im Geruche.

Der Wein­brannt­wein oder Franz­brannt­wein (spi­ri­tus vini gal­li­ci) hat einen lieb­li­chen, würz­haf­ten vom Trau­ben­saf­te her­rüh­ren­den Geruch, und eine eben daher rüh­ren­de Lieb­lich­keit im Geschma­cke. Er hat gewöhn­lich, wenn er zu uns kömmt, eine gilb­li­che Far­be, wel­che sich aus dem Eichen­hol­ze der Fäs­ser gezo­gen hat, und macht daher Eisen­auf­lö­sun­gen schwarz. Alle die­se Eigen­schaf­ten aber las­sen sich durch Küns­te­lei­en, wie betrü­ge­ri­scher Wei­se geschieht, auch Frucht­brannt­wei­nen zum Theil geben, aber durch ein besond­res Merk­mal wird ers­te­rer doch gar leicht von letz­tern unter­schie­den. Man erhit­ze eine Pro­be des zu unter­su­chen­den Brannt­weins auf einer hei­ßen Stel­le der­ge­stalt, daß er nicht ins Kochen kom­me, so lan­ge, bis sich der Dunst davon nicht mehr ent­zün­det, und die übrig geblieb­ne Wäs­se­rig­keit wird nicht undeut­lich in Geruch und Geschmack den wah­ren Ursprung des Brannt­weins ver­ra­then. War es äch­ter Wein­brannt­wein, so schmeckt das rück­stän­di­ge Phleg­ma blos wein­säu­er­lich, und hat den süß­li­chen Geruch des gekoch­ten Wei­nes; war es hin­ge­gen Korn­brannt­wein, so wird die­ser Rück­stand den dem Korn­brannt­wein­spüh­lich­te eig­nen, ekel­haf­ten Fusel­ge­ruch und den hin­ten am Gau­men krat­zen­den Fusel­ge­schmack zu erken­nen geben.

Destil­lirt man gut ver­fer­tig­ten Korn­brannt­wein noch­mals bei gelin­dem Feu­er und gehö­ri­ger Abküh­lung des Helms u. Helm­rohrs (u. schmeck­te er bran­dig, mit Zusatz eines Zwan­zigt­heils fei­nem Koh­len­pul­ver,) über, so ent­steht ein Spi­ri­tus, wel­cher frei von dem fuse­lich­ten Phleg­ma und dem aus Wein­brannt­wei­ne abge­zo­gnen völ­lig gleich ist, nur daß letz­te­rer noch etwas Gewürz­haf­tes aus dem ursprüng­li­chen Wei­ne im Geru­che zu haben pflegt.

Aus allem die­sem folgt, daß wenn man den theu-rern Franz­brannt­wein nicht ächt haben kann, ein guter Arbei­ter statt des­sen den weit unan­ge­neh­mern Korn­brannt­wein doch nicht zur Ver­fer­ti­gung der Arz­nei­en neh­men dür­fe, son­dern den davon abge­zo­gnen Geist mit so viel rei­nem Was­ser ver­dün­nen müs­se, daß die oben ange­geb­ne Stär­ke ent­ste­he, näm­lich, daß ein tar-irtes Fläsch­chen, wel­ches bis an einen bestimm­ten Punkt am Hal­se von 1000 Gran destil­lir­tem Was­ser ange­fül­let wird, nur 926 Gran von dem gehö­rig star­ken Brannt­wei­ne braucht, um bis eben dahin voll zu wer­den. Ein gut abge­zo­gner Frucht- oder Korn­brannt­wein­geist wird, mit einem glei­chen Gewich­te Was­ser gemischt, ziem­lich genau die­se erfor­der­li­che Stär­ke des Brannt­weins geben. Ein Trop­fen Lein­öl sinkt dar­in lang­sam zu Boden.

Man nimmt ihn oft zu Aus­zie­hung der Tink­tu­ren aus Gum­mi­har­zen, wel­che sich weder in Wein­geist noch in Was­ser allein auf­lö­sen las­sen, auch auch Wein­geist.