Bittersalzerde

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Bit­ter­salzer­de (magne­sia alba, magn. sal. ama­ri, magn. sal. cathar­ti­ci, magn. edin­bur­gen­sis, magn. sal. com­mu­nis). Gewöhn­lich ver­steht man hier­un­ter die luft­ge­säu­er­te (oder das Magne­sies­au­er­luft­salz). Die­se besond­re Erd­art (deren Eigen­schaf­ten von der Che­mie zu erler­nen sind) ward zu Anfan­ge die­ses Jahr­hun­derts von einem regu­lir­ten Chor­herrn in Rom zuerst als ein Geheim­niß unter dem Namen magne­sia albaund pul­vis comi­tis de Pal­maver­kauft, und anfäng­lich durch Kal­zi­ni­rung der Sal­pe­ter­mut­ter­lau­ge berei­tet, nach­ge­hends aber vor­züg­lich von Fr. Hoff­mann sei­ner wah­ren Natur und Eigen­schaf­ten nach uns Deut­schen erst recht bekannt gemacht.

Die bes­te Magne­sie ist in blen­dend wei­ßen, höchst leich­ten Stü­cken (wel­che aber doch fest sind und beim Bre­chen kna­cken), löset sich in Vitri­ol­säu­re ohne Rück­stand auf, ist völ­lig unschmack­haft, und erhö­het die Far­be der Rha­bar­ber nicht, wenn man sie damit reibt.

Ihr eigent­hüm­li­ches Gewicht ist 2, 330; sie ent­hält in gewöhn­li­chem Zustan­de (magn. aerata) etwa in 100 Thei­len 25 Thei­le Luft­säu­re, 45 Thei­le Erde und 30 Thei­le Was­ser. Sie soll sich bei 60° Fahr. in 850 Thei­len Was­ser auflösen.

Um sie zu berei­ten (denn eine gute Apo­the­ke soll­te sie nie kau­fen, um von der Güte ihrer Waa­re ver­si­chert zu seyn), berei­tet man sich eine alka­li­sche Lau­ge ent­we­der aus 12 Pfund Wein­st­ein­sal­ze in eben so viel Was­ser auf­ge­löst, oder rührt zwan­zig Pfund der bes­ten Pota­sche mit eben soviel kal­tem Was­ser ver­mischt, mehr­mal des Tages drei Tage lang um, und sei­het dann die Lau­ge durch Leinwand.

Die­se Lau­gen­salz­auf­lö­sung ver­mischt man mit 20 Pfund engl. oder bes­ser Seid­schüt­zer Bit­ter­sal­ze, wel­ches in 40 Pfun­den Was­ser auf­ge­löst in einem eiser­nen Kes­sel kocht, läßt das gan­ze Gemisch noch eine Vier­tel­stun­de mit Auf­wal­lung sie­den, und schüt­tet es dann in ein sehr rei­nes, hohes, höl­zer­nes, aus­ge­brü­he-tes Gefäß von Tan­nen­hol­ze. Sobald sich die abge-schied­ne Magne­sie bis zur Hälf­te dar­in gesetzt hat, zieht man die hel­le Flüs­sig­keit mit einem Heber noch ganz warm ab, fül­let das Gefäß wie­der mit kochend­wal­len­dem Was­ser an, läßt den Satz wie­der bis zur Hälf­te nie­der­sin­ken, zieht das Was­ser ab, füllt das Gefäß zum zwei­ten male mit kochen­dem Was­ser an, läßt den Satz bis zum vier­ten Thei­le der Höhe nie­der­sin­ken, und süßt den nach Abzie­hung der hel­len Lau­ge rück­stän­di­gen Satz noch­mals wie vor­hin mit neu­em kochen­dem Was­ser aus. Den bis zum Vier­tel der Höhe gesenk­ten Satz trägt man nun auf ein lei­ne­nes gro­ßes Tuch (wel­ches man bedeckt), läßt die Feuch­tig­keit eine Nacht hin­durch absei­hen, hebt dann das Fil­t­rum auf eine dicke Lage Fließ­pa­pier, und schnei­det, wenn der Satz eine dicke Kon­sis­tenz hat, den­sel­ben in meh­re­re Stü­cke, die man dann auf Ble­chen in einem frisch geheiz­ten, eben von Koh­len gerei­nig­ten Beck­erofen bin­nen einer hal­ben Stun­de aus­trock­nen läßt.

So erhält man acht Pfund einer sehr leich­ten, har­ten, schnee­wei­ßen Magne­sie von der bes­ten Güte.

Ist man nicht über­zeugt, daß man unver­fälsch­te Po-tasche habe, so muß man durch­aus Wein­st­ein­salz oder gutes Mine­ral­lau­gen­salz zum Nie­der­schla­ge nehmen.

Die Absü­ßungs­lau­gen der Magne­sie, vor­züg­lich die ers­ten bei­den, wer­den abge­dampft, und der Vitriol­wein­stein dar­aus durch Anschuß gewonnen.

Ver­fer­tigt man die Magne­sie im Win­ter, so ist es nach dem abge­än­der­ten Schee­li­schen Ver­fah­ren sehr zuträg­lich, die Vitri­ol­säu­re des Bit­ter­sal­zes vor dem Nie­der­schla­ge auf Glau­ber­salz zu nut­zen, die zwan­zig Pfund Bit­ter­salz in eine kochen­de Auf­lö­sung von zehn Pfund Küchen­salz in drei­sig Pfun­den Was­ser zu tra­gen, das Kochen fort­zu­set­zen, bis das Bit­ter­salz auf­ge­lö­set ist, und die­se Lau­ge dann sogleich in die Käl­te zum Anschie­ßen des Glau­ber­sal­zes zu set­zen. Die über dem Anschus­se, wel­chem man Tag und Nacht Zeit läßt, ste­hen­de Mut­ter­lau­ge ist eine salz­saure Magne­sie (magn. sali­ta), wel­che man mit der oben ange­geb­nen Men­ge Lau­gen­salz auf gedach­te Wei­se prä­zi­pi­ti­ren, aus­sü­ßen und trock­nen kann.

Man prüft die Magne­sie in Absicht ihrer Rei­nig­keit von Kalk- und Kie­sel­er­de am genau­es­ten, wenn man 24 Gran in über­schüs­si­gem, destil­lir­tem Essi­ge auf­löst, die Auf­lö­sung in einer zwei Pfund hal­ten­den star­ken Fla­sche mit sechs­zehn Unzen kal­tem destil­lir­tem Was­ser ver­dünnt, ein Quent­chen auf­ge­lös­tes Mine­ral­lau­gen­salz dazu mischt, und die Fla­sche fest ver­stopft. Bleibt alles hell, so ist sie ganz rei­ne Bit­ter­salzer­de, schlägt sich etwas nie­der, so wird es sich wie­der in Essig auf­lö­sen, wenn es nicht Kie­sel­er­de, son­dern Kalk­er­de war.

Zur Ver­fer­ti­gung der gebrann­ten Magne­sie (magne­sia cal­ci­na­ta) (im Gegen­halt jener erstern, wel­che auch magne­sia aeratagenennt wird,) soll man durch­aus kei­ne gekauf­te anwen­den, man habe sie dann auf letzt ange­geb­ne Wei­se von Kalk­er­de frei besun­den. Hat man die luft­ge­säu­er­te Magne­sie selbst berei­tet, und kennt man die dabei ange­wen­de­ten Zu-tha­ten, so kann man sie ohne die­se Prü­fung der Kal­zi-nati­on aussetzen.

Man drückt zu dem Ende die luft­saure gepül­ver­te Magne­sie in einen Schmelz­tie­gel ein, den man bedeckt und andert­halb Stun­den roth glü­hen läßt. Erkal­tet hebt man sie in ver­stopf­ten Glä­sern auf.

So gebrannt ist sie ein nur in 800 bis 1000 Thei­len Was­ser auf­lös­li­ches Salz (Magne­sie­ätz­salz, magn. usta, magn. cal­ci­na­ta), und hat über die Hälf­te ihres Gewichts theils an Was­ser theils an Luft­säu­re ver­lo­ren. Auf der Zun­ge läßt sie das ihr aus dem Feu­er bei-getret­ne Kaus­ti­kum nicht spü­ren, sie schmeckt mild, löset sich aber in Säu­ren mit Erhit­zung auf, ohne zu brau­sen, wie unge­brann­te thut.

Die­ser Berau­bung von Luft­säu­re hat sie es zu dan­ken, daß sie bei Säu­re des Magens kein Auf­blä­hen ver­ur­sacht, und weil sie so viel an Gewicht ver­lo­ren hat, so thun 45 Gran von ihr zum Arz­neige­brau­che eben so viel Diens­te als 100 Gran der rohen Magne-sie.

Führ­te sie im rohen Zustan­de Kalk­er­de, so wird sie nun ätzen­den Kalk (ein wah­res Gift, in Pul­ver­form genom­men,) in den Magen brin­gen. Ob sie der­glei­chen ent­hal­te, über­zeugt man sich, wenn man ein Quent­chen davon mit vier Unzen kochen­dem Was­ser anrührt; hat die ent­ste­hen­de durch­ge­sei­he­te Flüs­sig­keit einen lau­gen­haf­ten Kalk­was­ser­ge­schmack, trübt sie sich weiß auf Zugie­ßung luft­sauren Lau­gen­sal­zes, so ist der Betrug klar – man muß sie als gefähr­lich verwerfen.

Bei­de Arten Magne­sie die­nen im rei­nen Zustan­de als ein Ver­schluckungs­mit­tel der krank­haf­ten Säu­re der ers­ten Wege, und bil­den in die­sem Ein­ge­wei­de dann ein Mit­tel­salz, wel­ches gelind, zuwei­len häu­fig abführt, je nach­dem sie mehr oder weni­ger Säu­re, mehr oder weni­ger reiz­ba­re Gedär­me antrift.