Biesam

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Bie­sam, rührt aus dem Säck­chen am Nabel des männ­li­chen Bie­samt­hie­res her, Moschus mo-schi­fe­rus L. [Schre­ber Säug­thie­re, Taf. 242.] wel­ches dem Rehe im Aeus­ser­li­chen sehr ähn­lich, aber durch die her­vor­ste­hen­den Eck­zäh­ne, den Bie-sam­beu­tel am Nabel u. die sehr lan­gen fal­schen Hufe an den Vor­der­fü­ßen von ihm abweicht. Es nährt sich vom Laub der Bäu­me und ver­schied­nen Moos­flech­ten, und ver­birgt sich scheu in hohe Fel­sen­rit­zen. Man fin­det die­ses Thi­er in den höhern Thei­len von Asi­en, Sibi­ri­en und Chi­na; der bes­te Bie­sam aber kömmt von dem thi­be­ti­schen, die andern Sor­ten sind unkräf­ti­ger und geruchloser.

Der unter der Haut etwa einen Zoll her­vor­ra­gen­de, an sich aber drei Zoll lan­ge, zween Zoll brei­te, behaar­te Bie­sam­beu­tel wird mit dem schmie­ri­gen Inhal­te aus­ge­schnit­ten, wie­der zuge­näht und getrock­net nach Euro­pa geschickt.

Der thi­be­ti­sche und tun­ki­ni­sche Bie­sam besteht aus ganz klei­nen, loh­far­bi­gen oder brau­nen kör­ner­ar­ti­gen Klümp­chen mit grö­ßerm, schwar­zen, weni­ger har­ten ver­mischt, wel­che gekaut oder mit einem Mes­ser auf Papier gerie­ben, nichts san­di­ges füh­len las­sen, viel­mehr glatt wer­den und eine gel­be Far­be anneh­men, auf einem glü­hen­den Ble­che aber ver­rau­chen mit Zurück­las­sung höchst weni­ger, grau­lich­ter Asche. Sie sind zwar tro­cken, aber doch etwas fet­tig anzu­füh­len, von etwas schärf­li­chem, bit­ter­li­chem, nicht unan­ge­neh­mem Geschma­cke und einem durch­drin­gen­den, fast unaus­steh­lich star­ken Geru­che in der Nähe, von lieb­li­chem in der Fer­ne. Er ist in sei­nem natür­li­chen Behält­nis­se, d.i. in dün­nen, tau­ben­ei­gro­ßen, rund­li­chen Bla­sen ein­ge­schlos­sen (moschus in vesi­cis), wel­che ganz damit voll­ge­füllt, äus­ser­lich mit weni­gen, kur­zen, stei­fen, brau­nen Haa­ren besetzt, inner­lich aber noch mit einer andern Haut über­klei­det sind, in wel­cher die Wur­zeln der äus­sern Haa­re sit­zen, mit Blut­ge­fä­sen und Drü­schen durch­webt. An den Beu­teln darf kei­ne künst­li­che Nath zu ent­de­cken seyn.

Der aus Ruß­land und Ben­ga­len ist gewöhn­lich mit wei­ßen oder weiß­lich­ten Haa­ren besetzt, und weit wohl­fei­ler und unkräf­ti­ger. Der Bie­sam aus­ser dem Beu­tel (moschus ex vesi­cis) ist als ein künst­li­ches Gemisch verwerflich.

Was­ser nimmt aus dem Moschus 2/​5 in sich, Wein­geist 1/​3, ver­süß­ter Sal­pe­ter­geist und geis­ti­ger Sal­mi­ak­geist lösen noch mehr auf. Was­ser, nicht aber Wein­geist nimmt in der Destil­la­ti­on Geruch und Kraft mit sich in die Vorlage.

Sei­ne Ver­fäl­schung mit getrock­ne­tem Blu­te, gehack­ten Hoden und andern Thiert­hei­len wird auf Koh­len durch den stin­ken­den Geruch des gebrann­ten Horns merk­lich; die mit Ben­zoe und Asphalt ist unkennt­li­cher. Ein­ge­schob­ne Stück­chen Blei wer­den beim Auf­schnei­den sicht­bar. Ver­fälsch­ter Moschus in nicht erküns­tel­ten Bla­sen ohne Nath erscheint in grö­ßern Klumpen.

Man ver­wahrt ihn am bes­ten in wohl­ver­schlos­se­nen glä­ser­nen Fla­schen, nicht aber in Blei, wel­ches davon ange­grif­fen wird.

Beim Sin­ken der Kräf­te von Ner­ven­fie­bern und zurück­ge­trieb­ner Aus­schlags- oder Gicht­ma­te­rie, so wie bei krampf­haf­ten Krank­hei­ten meh­re­rer Art ist der inne­re Gebrauch des bes­ten Moschus in Gaben zu zwan­zig und meh­rern Gra­nen sehr wirk­sam; er erregt dann erleich­tern­de Aus­düns­tung und beruhigt.