Zimmtlorber

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Zimmt­lor­ber, Lau­rus Cin­na­mo­m­um, L. [Zorn, pl. med. tab. 339] mit drei­rib­bi­gen, oval­läng­lich­ten Blät­tern, deren Rib­ben gegen die Blatt spit­ze zu ver­schwin­den, und ganz getrenn­ten Geschlech­tern; ein mit­tel­mä­sig hoher Baum nicht nur auf Zey­lon, son­dern auch andern oft und west­in­di­schen Inseln und Län­dern, unge­ach­tet wir bis­her fast ein­zig die Rin­de aus Zey­lon von den in san­di­gem Boden nicht weit vom Meer­u­fer wach­sen­den wil­den Bäu­men erhal­ten, von deren Abar­ten die daselbst Ras­se -oder Pen­ni ‑Curun­dumit dicken, gro­ßen Blät­tern, und die Nai-Curun­dugenann­ten, die vor­züg­lichs­ten sind.

Die nach abge­schab­tem Ober­häut­chen von drei­jäh­ri­gen Aes­ten nebst dem Splin­te abge­schäl­ten, von selbst im Trock­nen sich zusam­men rol­len­den, in acht­zig Pfund schwe­ren Bun­den und in dop­pel­ten Säcken mit schwar­zem Pfef­fer umschüt­tet, bis­her blos durch die Hol­län­der zu uns gebrach­ten Rin­den (Zimmt, Cin­na­mo­m­um, ver­um, acu­tum, Canella, zey­lani­ca, Cas­sia cin­na­mo­mea) bil­den, eine in die and­re gesteckt, fin­ger­di­cke Röh­ren, etwa einen bis zwei Schuh lang; jede ein­zel­ne Rin­de aber muß etwas bieg­sam und doch leicht zer­brech­lich, nicht viel dicker als star­kes Noten­pa­pier, im Bru­che split­te­rig, und von aus Blaß­gelb und Hoch­roth zusam­men­ge­setz­ter Far­be, von durch­drin­gend erqui­cken­dem süßen Wohl­ge­ruch und von erst süßem und lieb­lich aro­ma­ti­schem, nach-gehends ste­chend hit­zi­gem, nur wenig zusam­men­zie­hen­dem Geschma­cke seyn. Der sehr schar­fe, gewürz­nel­ken­ar­ti­ge Geschmack zeigt eine schlech­te­re Sor­te oder and­re Rin­den (Bit­ter­zimmt­lor­ber) an, so wie die grö­ße­re Dicke und Här­te, oder dun­kel­brau­ne­re Far­be der Rin­de (Zimmt­sor­ten­lor­ber). Die in die Päcke ein­ge­schob­nen, schon ihres Oels beraub­ten Rin­den sind kaum durch Geruch und Geschmack zu ent­de­cken, da ihnen bei­des auf der wei­ten Rei­se durch die neben lie­gen­den guten Rin­den wie­der mit­get­heilt wird.

Die Haupt­kraft der Zimmt­rin­de liegt in dem äthe­ri­schen Oele (Ole­um Cin­na­mo­mi), wovon man in der wäs­se­ri­gen Destil­la­ti­on etwa 1/​128, sel­ten bis zu 1/​48 erhält, wovon der größ­te Theil im Was­ser unter­sinkt (von 1, 003 spe­zi­fi­schem Gewich­te), ein klei­ne­rer Theil aber oben­auf schwimmt, von anfäng­lich weiß­gel­ber Far­be, ätzend bren­nen­dem, und gleich­wohl offen­bar süßem Geschma­cke und dem kon­zen­trirts­ten Zimmt­ge­ru­che. Da es bei uns, der Theu­rung der Zimmt­rin­de wegen, nicht rath­sam zu destil­li­ren ist, so bedient man sich gewöhn­lich des in Zey­lon aus den Abfäl­len und den Bro­cken destil­lir­ten, wovon die Unze auf der Stel­le mit zehn hol­län­di­schen Tha­lern in Hol­land mit 30 bis 50 Gul­den bezahlt wird. Die­ser hohe Preis setzt es häu­fi­gen Ver­fäl­schun­gen aus. Der Wein­geist nimmt bei der Destil­la­ti­on mit der Rin­de wenig sub­stan­ti­el­les Oel, wohl aber den sei­nen geruch- und geschmack­vol­len Theil mit über, und setzt man Wein­geist, wor­in Zimmt­öl auf­ge­lö­set ist, zur Destil­la­ti­on ein, so soll nach Ueber­gang jenes geruch­vol­len Geis­tes das fast gänz­lich sei­nes Geruchs und Geschmacks beraub­te Oel, bei­na­he ohne Gewichts­ver­lust, in der Retor­te übrig bleiben.

Unge­mein lieb­lich und erqui­ckend ist das weiß­licht trü­be destil­lir­te Was­ser (Aqua Cin­na­mo­mi sim­plex s. sine vino) des­sen Weiß­trü­big­keit, das Zei­chen sei­ner Güte, sich durch Auf­be­wah­ren im Kal­ten und einen klei­nen Zusatz Zuckers auf die Dau­er erhal­ten läßt.

Die­se als Küchen­ge­würz all­ge­mein belieb­te Rin­de, dient oft zur Ver­bes­se­rung des Geruchs und Geschmacks arz­nei­li­cher Pul­ver, in sehr klei­ner Men­ge zuge­setzt, vor­züg­lich aber als ein kräf­ti­ges Reit­zmit­tel bei ent­zün­dungs­lo­ser Schwä­che. Die Alten rühm­ten ihre kar­mi­na­ti­ven, Magen stär­ken­den, ermun­tern­den Kräf­te; sie rühm­ten sie in Eng­brüs­tig­keit (wel­cher Art?) und im Hus­ten. Im all­ge­mei­nen ist der Zimmt eins der hit­zigs­ten Gewür­ze, wel­ches aber nicht nur den gan­zen Blut­lauf erregt, son­dern auch ins­be­son­de­re die Thä­tig­keit der Geburts­t­hei­le und der Bär­mut­ter in Bewe­gung setzt, in stär­kern Gaben die Monat­zeit mit Gewalt her­vor­treibt und auf glei­che Art gebraucht, gewalt­sa­me Wehen zur Geburt erzeugt, wie die Alten in Erfah­rung gebracht haben. Die­se fast spe­zi­fi­sche Kraft der Zimmt­rin­de, das Gefäß­sys­tem der Bär­mut­ter zu erre­gen, hat sich vor­züg­lich bei dem Gebrau­che der geis­ti­gen Zimmt­tink­tur bewährt, wel­che in klei­nen Gaben die von Ato­nie ent­stan­de­nen Bär­mut­ter­blut­flüs­se (und wei­ßen Fluß) mit gro­ßer Zuver­läs­sig­keit hebt und die daher ent­stand­ne Schwä­che min­dert, dage­gen aber auch in allen akti­ven Bär­mut­ter­blut­flüs­sen, und bei über­eil­ten Geburts­we­hen ple-tho­ri­scher Per­so­nen des­to schäd­li­cher wer­den kann, beson­ders in grö­ßern Gaben.

Die Tink­tur ent­hält zugleich die adstrin­gi­ren­den Thei­le des Zimm­tes wäh­rend das destil­lir­te Was­ser und das Oel davon ent­blößt sind.

Das äthe­ri­sche Oel darf nur in der kleins­ten Men­ge im Oel­zu­cker oder in der geis­ti­gen Auf­lö­sung ver­ord­net wer­den, da es so blos auf die Haut, vor­züg­lich der innern Thei­le, ange­bracht, sie fast augen­blick­lich zu einer Brand­krus­te zer­stört. In der kleins­ten Men­ge ist das äch­te Zimmt­öl eins der vor­züg­lichs­ten ermun­tern­den und stär­ken­den Mit­tel bei trä­gem Umlau­fe der Säfte.

Ein sehr ähn­li­ches, nur bei wei­tem wohl­fei­le­res Gewürz sind die soge­nann­ten Zimmt­blüt­hen (Flo­res Cas­siae, rich­ti­ger Zimmt­kel­che, oder Zimmt­nel­ken, Caly­ces cas­si­nae zey­lani­cae, Clayel­li cin­na­mo­mi), eigent­lich die Blüt­hen­knos­pen ver­muth­lich des Zimmt­lor­bers; die fast von der Gestalt der Gewürz­nel­ken oben mit einem run­den Kop­fe, in der Grö­ße eines klei­nen Pfef­fer­korns, mit einem undeut­lich sechst­hei­li­gen Kel­che umge­ben, und nach unten zu all­mäh­lich ver­dün­nert, von voll­kom­me­nem Zimmt­ge­ru­che und Geschma­cke, nur daß das Adstrin-giren­de der Zimmt­rin­de in ihnen weni­ger bemerk­bar ist. Das weiß­trü­be destil­lir­te Was­ser hat den gan­zen Geruch und Geschmack des Zimmt­rin­den­was­sers nur mit eini­ger bei­ßen­den Schär­fe ver­ge­sell­schaf­tet, die eini­gen würz­nel­ken­ar­tig gedeuch­tet hat. Das zugleich mit über­ge­hen­de wesent­li­che Oel aber kömmt fast völ­lig mit dem Zimmt­rin­den­öle über­ein; man erhält 1/​256, sel­ten bis 1/​120 des Gewichts der zur Destil­la­ti­on ein­ge­setz­ten Zimmtkelche.

Die Arz­nei­kräf­te die­ser Dro­gue (wel­che ihrer weit grö­ßern Wohl­feil­heit wegen jetzt weit häu­fi­ger zum Küchen­ge­würz als die Zimmt­rin­de genom­men wird) schei­nen von denen der Rin­de sich etwas zu ent­fer­nen. Man braucht sie wenig zur Arz­nei, und weder das Pul­ver der Zimmt­kel­che noch ihre Tink­tur oder ihr destil­lir­tes Was­ser soll­te still­schwei­gend vom Apo­the­ker dem Pul­ver, der Tink­tur oder dem Was­ser der Zimmt­rin­de je sub­sti­tuirt wer­den, wenn man auch die bei­der­sei­ti­gen Oele für gleich­wir­kend gel­ten las­sen wollte.