Vitriolweinstein

Hahnemanns Apothekerlexikon
vorheriges KapitelZurückInhaltsverzeichnisWeiternächstes Kapitel

Vitriol­wein­stein, (Pott­asch­vi­tri­ol­salz, Tar­ta­rus vitrio­la­tus, Alca­li vege­ta­bi­le vitrio­la­tum, Kali vitrio­la­tum, auch wohl aus dem Rück­stan­de von der Schei­de­was­ser­de­stil­la­ti­on aus­ge­laugt, arca­num dupli­ca­tum, sal de duobus, und panacea hol­sa­ti­caDop­pel­salz, Dupli­kat­salz genannt) ist ein aus Pota­schlau­gen­salz und Vitri­ol­säu­re zusam­men­ge­sez­tes Neu­tral­salz, wel­ches am bes­ten durch frei­wil­li­ge Abdüns­tung aus sei­nen Lau­gen höchs­tens zu erb­sen­gro­ßen Krystal­len anschießt, wel­che gewöhn­lich aus zwei mit ihrem Fuße gegen ein­an­der ste­hen­den sechs­sei­ti­gen Pyra­mi­den zusam­men­ge­setzt zu seyn schei­nen, eigent­lich aber mit einem sechs­sei­ti­gen, sehr kur­zen, pris­ma­ti­schen Mit­tel­stü­cke zwi­schen bei­den, von bit­term Geschma­cke. Wenn es voll­kom­men neu­tral­sal­zig ist, braucht es eine gro­ße Men­ge (man sagt, 16 bis 18 Thei­le) kal­tes Was­ser, kochen­des 4 bis 5 Thei­le, sticht aber nur die Säu­re im min­des­ten her­vor, weit weni­ger Was­ser zur Auf­lö­sung. Im Glü­hen zer­knis­tert es und wird bei anhal­ten­dem Glü­hen, unter Ver­lust sei­nes Krystal­li­sa­ti-ons­was­sers, zu einem wei­ßen Pul­ver; erst im Weiß­glü­hen schmilzt es beim hef­tigs­ten Feu­er. Es soll im krystal­li­ni­schen Zustan­de im Hun­dert, 8 Thei­le Was­ser, 40 Thei­le Säu­re und 52 Thei­le Lau­gen­salz enthalten.

Man mach­te sonst häu­fi­ge Anwen­dung von die­sem Sal­ze zum innern Gebrau­che, und bedient sich sei­ner auch noch, aber ohne genau zu wis­sen, zu wel­cher Absicht. Der Vitriol­wein­stein soll, so sagt man, ein dien­li­ches Ape­ri­ens seyn (ein Aus­druck, der mir durch sei­ne Viel­deu­tig­keit unver­ständ­lich ist); er soll zu vier bis fünf Quent­chen (eine gro­ße Gabe von einem wid­ri­gen Mit­tel!) ein gelin­des Laxa­tiv abge­ben und vor­züg­lich in Milch­ver­set­zun­gen eins der hülf­reichs­ten Mit­tel seyn.

Er ist oft unrein, und muß, wo man ihn nicht selbst berei­tet, (wie doch seyn soll­te!) genau geprüft wer­den, ehe man ihn zum innern Gebrau­che nimmt. Die Auf­lö­sung einer Pro­be davon in destil­lir­tem Was­ser darf weder die unver­misch­te Lak­mustink­tur röthen, noch die mit mög­lichst wenig Essig gerö­the­te Lak­mustink­tur blau fär­ben, und sich weder von ein­ge­tröp­fel­tem Lau­gen­sal­ze trü­ben, noch von Leber­luft­was­ser färben.

Man erhält ihn als Neben­pro­dukt vor­züg­lich bei Nie­der­schla­gung der Magne­sie aus dem Bit­ter­sal­ze, oder gera­de­zu, wenn in ver­dünn­te Vitri­ol­säu­re bis zum Sät­ti­gungs­punk­te (w.s.) Pota­schlau­gen­salz­auf­lö-sung getröp­felt, die Lau­ge bis zum Häut­chen abge­duns­tet, durch­ge­sei­het, und an einem war­men Orte meh­re­re Tage hin­ge­stellt wird.

Das Potasch­vi­tri­ol­salz ist sehr geneigt, sich mit einem Ueber­schus­se an Vitri­ol­säu­re zum krystal­li­ni-schen, leich­ter auf­lös­li­chen Sal­ze (sau­rer, über­sau­rer Vitriol­wein­stein, Tar­ta­rus vitrio­la­tus aci­dus, s. aci-dulus) zu ver­bin­den, wel­ches die­sen Ueber­schuß an Säu­re, weder vor sich destil­lirt, noch durch Auf­lö­sen im Was­ser und Wie­der­an­schie­ßen fah­ren läßt.

Man ver­fer­tigt es ent­we­der, indem man schon fer­ti­gen, guten, gepül­ver­ten Vitriol­wein­stein in einem dop­pel­ten Gewich­te ver­dünn­ter Vitri­ol­säu­re (Ein Theil star­ke Säu­re mit drei Thei­len destil­lir­tem Was­ser gemischt) im Kochen auf­lößt, und die Auf­lö­sung in der Käl­te anschie­ßen läßt, oder indem man zu sie­ben Thei­len star­ker Vitri­ol­säu­re, mit sie­ben Thei­len Was­ser ver­dünnt, in einem hohen Gefä­ße, vier Thei­le fein gerie­be­nes Pota­schlau­gen­salz so schnell nach ein­an­der hin­ein trägt, als es das Auf­brau­sen des hei­ßen Gemi­sches gestat­tet, da dann der über­säu­er­te Vitriol­wein­stein in schö­nen, gro­ßen Krystal­len beim Erkal­ten anschießt. Er wird dann zwei­mahl mit ein wenig kal­tem Was­ser schnell abge­spühlt, auf Fließ­pa­pier getrock­net und in Glä­sern aufgehoben.

Man bedient sich des über­sau­er­ten Vitriol­wein­steins zur Aus­trei­bung der stärks­ten Essig­säu­re aus Sodaes­sig­s­alz (unter Essig­säu­re), aber nicht zur Arz­nei, ob er gleich in die­ser Rück­sicht auch Diens­te leis­ten könnte.