Silber

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Sil­ber, (Argen­tum) ein bekann­tes, schätz­ba­res Metall von gerin­gem, ange­neh­mem Klan­ge, vom wei­ßes­ten Glan­ze (der sich nicht an der atmo­sphä­ri­schen Luft ändert, aber von hepa­ti­schem Gas schnell braun oder schwarz anläuft) ohne Geruch und Geschmack von höchs­tens 1, 095 eigent­hüm­li­chem Gewich­te und etwa bei 1000° Fahr. schmelz­bar, im Feu­er nicht ver­kalk­bar, und sel­ten rein, gewöhn­lich mit andern Metal­len ver­bun­den in Berg­wer­ken zu finden.

Der Apo­the­ker bedient sich des Blätt­chen­sil­bers (Argen­tum foli­a­tum), um aus Luxus die Pil­len zuwei­len damit zu ver­sil­bern, ein Ver­fah­ren, wodurch die­se ohne­hin schon in unserm Magen schwer­auf­lös­li­che Arz­nei­form nur noch unauf­lös­li­cher und unwirk­sa­mer wird. M. unter Pil­len. Da man aber auch unäch­tes Blatt­sil­ber, aus Zinn, ver­fer­tigt, so dient die Pro­be, daß man ein Blätt­chen davon in lau­war­me Salz­säu­re wirft; es wird unauf­gelößt blei­ben, wenn es ächt, das ist fei­nes Blatt­sil­ber war, hin­ge­gen sich auf­lö­sen, wenn es unäch­tes, das ist, Zinn war. Das auch äch­te Blatt­sil­ber soll­te doch auch vor der Anwen­dung zum Ver­sil­bern der Pil­len, erst durch auf­ge­gos­se­nen ein­fa­chen Sal­mi­ak­geist geprüft wer­den, ob eine ent­ste­hen­de blaue Far­be auf Kup­fer deutet.

Man hat zwei Prä­pa­ra­te in der Arz­nei­kun­de vom Sil­ber, die soge­nann­ten Sil­ber­krystal­len und den Sil­ber­ätz­stein, bei­de aus Sil­ber und Sal­pe­ter­säu­re zusam­men­ge­setzt, und nicht weit von ein­an­der verschieden.

Hie­zu, schreibt man gewöhn­lich kupel­lir­tes Sil­ber vor, weil es zu die­ser Absicht fein und kup­fer­frei seyn muß. Die­se Rei­ni­gung mit dem Sil­ber vor­zu­neh­men, ist der Apo­the­ker gewöhn­lich nicht ein­ge­rich­tet; er kauft es also zu sehr theu­erm Prei­se, und erhält auch dann wohl nicht ein­mahl fei­nes, weil auch das kupel-lir­te nicht frei von Kup­fer zu seyn pflegt. Die­sen mis­li­chen Umstand aus dem Wege zu räu­men, darf man blos das bes­te Sil­ber, was sich am leich­tes­ten haben läßt (wenn kei­ne fei­nen Harz­gul­den, oder augs­bur­ger Fili­grain­sil­ber bei der Hand ist) z.B. Bruch­sil­ber von augs­bur­ger Geräthen oder Kon­ven­ti­ons­geld in einer zurei­chen­den Men­ge Sal­pe­ter­säu­re in der Wär­me bis zur Sät­ti­gung auf­lö­sen, und dann so weit in einer por-zell­ai­ne­nen Scha­le abdamp­fen, bis bei der Erkal­tung das Sil­ber­sal­pe­ter­salz häu­fig in dün­nen blätt­chen- und tafel­ar­ti­gen Krystal­len anschießt.

Am bes­ten wird die Berei­tung im Win­ter vor­ge­nom­men, damit die grö­ße­re Käl­te das Sil­ber­salz mög­lichst rein aus­krystal­li­si­re; in andern Jahrs­zei­ten muß man sich zum Anschus­se mit dem Kel­ler begnügen.

Von dem Anschus­se gießt man die blaue kup­ferhal-tige Lau­ge ab, läßt das Sil­ber­salz auf einem Fil­t­rum von Fließ­pa­pier voll­ends abtröp­feln, wickelt das Salz in das noch etwas feuch­te Fil­trir­pa­pier ein, und bringt die­sen Klum­pen zwi­schen zwan­zig- oder drei­sig­fa-ches trock­nes Fließ­pa­pier und legt ein Bret­chen mit einem mäsi­gen Gewicht oben drü­ber, wel­ches man von Stun­de zu Stun­de ver­mehrt, bis das Salz auf das stärks­te gepres­set ist; man nimmt den Salz­ku­chen, so wie er ist, in dem Fil­trir­pa­pie­re, her­vor, und ver­sucht ihn zwi­schen trock­nem Fließ­pa­pier noch ein­mahl zu pres­sen, mit den stärks­ten Gewichten.

Mit dem, was aus der blau­en Lau­ge noch durch Abdamp­fen und Krystal­li­si­ren in der Käl­te an Sil­ber­sal­ze her­aus­ge­bracht wer­den kann, ver­fährt man auf glei­che Weise.

Durch die­se Aus­pres­sung wird der Sil­ber­sal­pe­ter ganz schnee­weiß und fast völ­lig vom Kup­fer­sal­pe­ter befrei­et, wenigs­tens so weit als zur Ver­fer­ti­gung des schöns­ten Sil­ber­ätz­steins zureicht.

Um nun Sil­ber­ätz­stein (Höl­len­stein, Lapis infer­na-lis, Cau­st­i­cum luna­re, Cau­te­ri­um luna­re) zu berei­ten, fül­le man ein erha­be­nes, por­zel­lai­ne­nes Geschirr, etwa eine Scho­ko­la­ten­tas­se halb voll mit die­sem Sil­ber­sal­pe­ter­sal­ze an, set­ze die Tas­se in eine mit etwas Sand ange­füll­te eiser­ne Kapel­le, auf ein gutes Koh­len­be­cken. (In einem irde­nen Schmelz­tie­gel zieht sich zu viel ein, mit Ver­lust.) Das Salz blä­het sich auf, man rührt die Mas­se mit einer glä­ser­nen Röh­re um, und fährt fort umzu­rüh­ren, bis die Ent­wi­cke­lung der rothen Dämp­fe auf­hört, und alles ruhig fließt. Dann wird sie sogleich und augen­blick­lich in die mit etwas Oel bestri­che­nen, zylin­der­för­mi­gen Höh­lun­gen der metal­le­nen Form (Machi­na pro lapi­de infer­na­li) aus­ge­gos­sen, (statt deren man auch ein Stück Thon wäh­len kann, der noch nicht völ­lig erhär­tet ist, und wor­in man die Höh­lun­gen mit einem geöl­ten dicken Drathe ein­ge­drückt hat).

Es sind schwärz­lich­te Stan­gen, die man nach dem Erkal­ten her­aus­nimmt. Von einer Unze des fei­nen Gehal­tes des dazu ange­wen­de­ten Sil­bers bekömmt man zwölf bis drei­zehn Quent­chen Höl­len­stein. Im Schmelz­ge­fä­ße darf nur wenig, wenigs­tens nur wenig auf ein­mahl von dem Sal­ze ein­ge­tra­gen wer­den, weil die Mas­se beim Auf­blä­hen leicht über­läuft. Ein höl­zer­nes Werk­zeug zum Umrüh­ren zu neh­men, oder unter dem Schmel­zen eine Koh­le ein­fal­len zu las­sen, ist mit Lebens­ge­fahr ver­bun­den, der schnell erfol­gen­den Explo­si­on wegen. Der ange­ge­be­ne Zeit­punkt zum Aus­gie­ßen darf nicht ver­fehlt wer­den, weil, wenn die Mas­se eher aus­ge­gos­sen wird, als die rothen Dämp­fe auf­ge­hört haben, oder sie län­ger, als bis zu dem gedach­ten Zeit­punk­te, im Flus­se steht, in bei­den Fäl­len ein unkräf­ti­ge­res Prä­pa­rat ent­steht. Ers­te­rer ist braun­schwarz, lez­te­rer hell­grau, sehr fest, und zeigt kein spie­ßich­tes Gewe­be im Bruche.

Der grü­ne, leicht an der Luft feuch­ten­de, ent­hält Kup­fer und ist untauglich.

Der gut berei­te­te Sil­ber­ätz­stein ist von schwarz­grau­er Far­be, leicht zu zer­bre­chen und im Bru­che von strah­len­för­mi­gem Gewe­be, des­sen Strie­fen gegen den Mit­tel­punkt zusam­men lau­fen; er ist gänz­lich in Was­ser auf­lös­lich. Er muß vor der Ein­wir­kung der Luft in ver­stopf­ten Glä­sern auf­ge­ho­ben wer­den, jedes Stän-gel­chen in Papier gewi­ckelt, an dun­keln Orten, oder doch in schwarz ange­stri­che­nen Flaschen.

Der Sil­ber­ätz­stein ist ein sehr schätz­ba­res topi­sches Mit­tel, die schwam­mi­gen Aus­wüch­se in schlaf­fen alten Geschwü­ren zu til­gen, wenn man sie damit bedupft. Har­te Aus­wüch­se müs­sen vor dem Bedup­fen befeuch­tet wer­den. Er hat den Vor­zug, daß er sich nicht son­der­lich über die Stel­le hin­aus ver­brei­tet, wor­auf man ihn anbringt, daß er weni­ger Schmer­zen macht als die andern Aetz­mit­tel, und zugleich fäul­niß-wid­rig und stär­kend wirkt. Auch zur Oef­nung eini­ger Abs­ces­se bedient man sich des­sel­ben, oft statt des bes­sern Mes­sers. Er wirkt mit­telst einer Art von Verbrennung.

Die Anwen­dung der Auf­lö­sung des­sel­ben in 80 Thei­len Was­ser als eines rei­ni­gen­den Mit­tels in Fis­teln ist zwar schätz­bar, kömmt aber mit der Auf­lö­sung des Sil­ber­sal­pe­ter­sal­zes überein.

Um den, auch zum innern Gebrau­che bestimm­ten Sil­ber­sal­pe­ter (Sil­ber­krystal­len), Crystal­li lunae, s. luna­res, s. Argen­ti, Argen­tum nitra­tum, Nit­ras ar-gen­ti, Nitrum luna­re, und unrich­tig Vitrio­lum Argen­tigenannt, zu berei­ten, bedarf man kei­nes aufs höchs­te fein gemach­ten Sil­bers. Man nimmt den ers­ten Anschuß von der oban­ge­führ­ten abge­dampf­ten Auf­lö­sung vier­zehn oder drei­zehn­lö­thi­gen Sil­bers in Sal­pe­ter­säu­re, dem man, wie oben ange­führt, durch Pres­sen zwi­schen Fließ­pa­pier soviel mög­lich das anhän­gen­de zer­flie­ßen­de Kup­fer­sal­pe­ter­salz ent­zo­gen hat, löset ihn noch­mahls in so wenig als mög­lich kochen­dem destil­lir­tem Was­ser auf und stellt die Auf­lö­sung in die Käl­te eini­ge Tage lang hin, läßt die in schnee­wei­ßen Par­al­le­lo­gram­men ange­schos­se­nen Krystal­len wohl abtröp­feln, trock­net sie eben­falls durch Pres­sen zwi­schen Fließ­pa­pier, und ver­wah­ret sie in wohl­ver­stopf­ten Glä­sern an Orten, wo kein Tages­licht hin­zu­kom­men kann, wel­ches die Sil­ber­sal­ze zer­setzt, und das Sil­ber redu­zirt. Die­ses Salz ist so frei von Kup­fer als das aus dem feins­ten Sil­ber berei­te­te. Es löset sich bei mitt­le­rer Tem­pe­ra­tur in glei­chen Thei­len Was­ser auf, und in etwa drei Thei­len sie­den­dem Weingeist.

Sein ätzend adstrin­gi­ren­der Geschmack, und die Aehn­lich­keit mit dem Höl­len­stein zeigt, wie ver­we­gen eini­ge Män­ner (R. Boyle, Ang. Sala und Boer­have) han­del­ten, da sie den Sil­ber­sal­pe­ter in Sub­stanz mit etwas Sal­pe­ter gemischt (Hyd­r­ago­gum Boy­lei, s. ar-gen­te­um, Cathar­ti­cum luna­re, Luna pur­ga­ti­va, Crystal­li hyd­r­ago­gae) zu eini­gen Gra­nen bei Was­ser­sucht, Fall­sucht, Läh­mun­gen u.s.w. inner­lich zu geben wag­ten; ein nie zu recht­fer­ti­gen­des Ver­fah­ren. Demun­ge­ach­tet ist die­ses Metall­salz eins der fäul­niß-wid­rigs­ten Mit­tel. Schon 1/​1000000 des­sel­ben in Fluß­was­ser auf­gelößt und vor dem Tages­lich­te ver­wahrt schützt das­sel­be vor Fäul­niß, und scheint ihm schar­bock­wid­ri­ge Kräf­te mit­zut­hei­len. Dem Son­nen­lich­te aus­ge­setzt und mit etwas Koch­salz ver­mischt, ver­liert es allen Sil­ber­ge­halt, und man kann es wie rei­nes Was­ser trin­ken. Ver­stärkt man die Men­ge, und löset z.B. in 500 Thei­len destil­lir­tem Was­ser einen Theil Sil­ber­sal­pe­ter auf, so erhält man eine Flüs­sig­keit, die das Fleisch vor Fäul­niß schützt, und damit benetz­te fau­le Geschwü­re an äus­sern Thei­len und im Hal­se all­mäh­lich zu fri­schen Wun­den macht; auch könn­te man die­se Auf­lö­sung, nach Sims Anlei­tung, zu ein Paar Trop­fen gegen Fall­sucht ver­su­chen. Zuwei­len ist es jedoch zum äus­sern Gebrau­che nöthig, nur einen hal­ben Gran – auch wohl im Gegen­t­hei­le mehr als einen Gran (2, 3, 4 bis 5 Gran nach den Umstän­den) in einer Unze destil­lir­tem Was­ser auf­gelößt äus­ser­lich anzu­wen­den. In lez­tern Pro­por­tio­nen fängt es aber schon an, bei­zend zu wir­ken. In einer star­ken Auf­lö­sung vier­zehn Tage lang gebeiz­tes Fleisch wird schon in ziem­lich dicken Stü­cken zur Mumie, das ist, an der Luft getrock­net, schwärz­lich, hart und unver­wes­lich. Eine etwas star­ke Auf­lö­sung in Was­ser (etwa wie 1 zu 50) bil­det die Aqua grae­ca, die damit gewa­sche­nen Haa­re schwarz zu färben.

Da das Sil­ber aus der Sal­pe­ter­säu­re durch Vitri­ol­säu­re zu einem Sal­ze (Sil­ber­vi­tri­ol) gefäl­let wird, wel­ches bei mitt­le­rer Tem­pe­ra­tur in 100 Thei­len Was­ser auf­lös­bar bleibt, so darf man nur die­ses, oder, wel­ches einer­ley ist, einen Theil Sil­ber­sal­pe­ter in 100 Thei­len destil­lir­tem Was­ser auf­lö­sen, um eine Flüs­sig­keit zu erhal­ten, die selbst in 200000 Gra­nen Was­ser Einen Gran Koch­salz durch Weiß­trü­bung entdeckt.