Rind

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Rind, Bos Tau­rus, L. dome­sti­cus, mit aus­wärts gebo­ge­nen, kegel­för­mi­gen Hör­nern und schlaf­fen Wam­pen, ein bekann­tes, sehr nütz­li­ches Haust­hi­er, wel­ches sei­nen Feind mit Stö­ßen bekämpft, in Island und Eng­land zuwei­len ohne Hör­ner ange­trof­fen wird, nied­ri­ge Wei­den liebt, an funfzehn Jahr lebt, und wovon das Weib­chen (die Kuh) neun Mona­te träch­tig geht, gewöhn­lich nur mit einem Kalbe.

Die Kuh­milch (lac. vac­cinum, bovinum) ist eine emul­si­ve nahr­haf­te Flüs­sig­keit, wel­che gewöhn­lich aus 3/​128 Fet­tig­keit oder But­ter (die in 3/​64 Rahm, der sich auf der Ober­flä­che absetzt, ent­hal­ten ist), aus 3/​32 Käse und aus Mol­ken besteht, die außer Was­ser 5/​128 fes­te Sub­stanz und dar­in 9/​320 Milch­zu­cker ent­hal­ten; das übri­ge ist phos­phor­saure Kalk­er­de und Diges­tiv­salz. W.s. Mol­ken und Milch­zu­cker unter Milch. Die Kuh­milch gerinnt durch Zusatz aller Säu­re, und bei­der Lau­gen­sal­ze, des Magen­saf­tes der Käl­ber (Laab), des Alauns, des Eiwei­ßes, der ad-strin­gi­ren­den Pflan­zen, der Blu­men der Dis­teln, des Laab­me­gers und zum Theil auch durch Zusatz des Wein­geis­tes, so wie sie auch vor sich durch Anzie­hung des Sau­er­stoffs der atmo­sphä­ri­schen Luft bin­nen drei Tagen sich schüt­tet und sau­er wird.

Der Rahm son­dert sich bei fort­ge­setz­tem Schüt­teln in einer Tem­pe­ra­tur, die nicht über 72° Fahr. ist, in einen wäs­se­richt käsich­ten Theil und But­ter (butyrum) ab, wel­che ein sehr mil­des Thier­fett von süßem, ange­neh­mem Geschma­cke ist, bei einer Wär­me unter 84° Fahr. fest wird, bei gelin­dem Feu­er zer­las­sen und von den käsich­ten Hof­en abge­gos­sen, eine kör­nich­te Tex­tur annimmt, und sich dann in der Käl­te Jah­re lang frisch erhält, star­kem Feu­er aber aus­ge­setzt, bei wel­chem sie kochet brau­ne But­ter), ersti­cken­de Dämp­fe (Fett­säu­re) aus­stößt und eine erhit­zen­de, sehr reit­zen­de Eigen­schaft annimmt. Unzer­las­sen und in der Wär­me wird die But­ter leicht ran­zicht und ver­än­dert ihre gel­be Far­be in Weiß, wel­ches durch Ver­mi­schung mit Salz und Auf­be­wah­rung im Kal­ten ver­zö­gert wird. Die unge­sal­ze­ne fri­sche, unzer­las­se­ne But­ter (Butyrum insulsum) dient vort­re­f­lich zu eini­gen aus dem Steg­reif zu berei­ten­den Sal­ben, und eben so gie­bt der Rahm (Cre­mor lac­tis) von süßer, unge­säu­er­ter Milch ein vort­re­f­li­ches äuße­res Schmei­di­gungs-mit­tel ab.

Das vor­züg­lich um die Nie­ren des Rin­des hän­gen­de Unschlitt, gie­bt über gelin­dem Feu­er zer­las­sen und durch­ge­sei­het, einen weiß gilb­lich­ten, ziem­lich har­ten, etwas wid­rig rie­chen­den Rind­st­alg (Sebum, Sevum bovinum) wel­cher eben­falls zu eini­gen Sal­ben, wie­wohl sel­ten, gebraucht wird. Die Fett­sub­stanz, wel­che in den cylin­dri­schen Kno­chen ent­hal­ten ist, gie­bt über gelin­dem Feu­er zer­las­sen und durch­ge­sei­het, das wei­ße fast eben so har­te, geruch­lo­se, nicht unan­ge­nehm schme­cken­de Rinds­mark (Medul­la bovina), ein rei­nes Thier­fett, wel­ches äußer­lich ein­ge­rie­ben, oder in war­men Trän­ken inner­lich gege­ben, zwar schmei­di­gen­de und erschlaf­fen­de, aber kei­ne stär­ken­den Kräf­te aus­übt, wie das Alter­thum gewähnt hat, die­je­ni­gen aus­ge­nom­men, die das Rei­ben vor sich äußert.

Die Gewin­nung und den Nut­zen des Magen­saf­tes (liqu­or gas­tri­cus bovi­nus) sehe man unter Magen­saft nach.

Gebräuch­li­cher noch ist die frisch, und bei sehr gelin­dem Feu­er ein­ge­dick­te Rinds­gal­le (Fel tau­ri ins­pis­sa­tum, bilis bovina spis­sa­ta) äußer­lich, auf den Unter­leib gelegt, gegen Wür­mer, und inner­lich gege­ben wider die über­mä­ßi­ge Schleim­erzeu­gung, zum Ersat­ze der man­geln­den Gal­le, und zur Tödung der Eingeweidewürmer.

Man fin­det in den Gall­b­la­sen der Rin­der zuwei­len Gal­len­stei­ne (Bezoar Bovis, lapis Alche­ron) von der Grö­ße, Gestalt und Ansehn eines hart gekoch­ten Eidot­ters, aus kon­zen­tri­schen Lagen zusam­men­ge­setzt, die man in ältern Zei­ten für ale­xi­te­risch gehal­ten, ohne gehö­ri­ge Gründe.

Wid­ri­ger noch ist das Pul­ver der getrock­ne­ten männ­li­chen Ruthe des Stie­res (Pria­pus tau­ri), wel­ches die aber­gläu­bi­gen Alten in der Ruhr und dem Sei­ten­stich, lächer­li­cher­wei­se, inner­lich zu geben pfleg­ten; aber noch ekel­haf­ter das aus dem Rin­der­ko­the im Mai destil­lir­te Was­ser (aqua mil­le­florum, eau de mil­le­fleurs), des­sen sich ehe­dem das Pari­ser Frau­en­zim­mer als eines Schön­heits­wasch­was­sers, And­re aber sogar inner­lich als eines harn­trei­ben­den Mit­tels bedien­ten; unter wel­chem Nah­men in neu­ern Zei­ten auch der (zu fran­zö­si­schen, abfüh­ren­den Früh­lings­ku­ren getrun­ke­ne) Kuh­harn ver­stan­den wor­den ist.

Der Rin­der­bla­se (vesi­ca bubu­la) bedient man sich zur Ver­bin­dung wohl zu ver­schlie­ßen­der grö­ße­rer und der Käl­ber­bla­se (vesi­ca vitu­li­na) zur Ver­bin­dung klei­ner Glä­ser und Gefä­ße, das Aus­trock­nen und die Ver­flie­gung kräf­ti­ger Thei­le zu hin­dern; wie­wohl alle Bla­sen all­mäh­lich die Feuch­tig­keit durch­düns­ten lassen.

Man ver­fer­tigt mehr als Haus­mit­tel, denn als Arz­nei­mit­tel von der aus magerm Rind- und Kalb­flei­sche stark aus­ge­koch­ten, all­mäh­lich über gelin­dem Feu­er abge­dampf­ten Fleisch­brü­he (die man in der Käl­te zu Gal­ler­te gerin­nen läßt, in Stü­cken schnei­det und schnell im Luft­zu­ge auf Fließ­pa­pier trock­net, so hart als mög­lich) die soge­nann­ten Sup­pen­ta­feln (tablet­tes de bouil­lon; sou­pe por­ta­ble, Gela­ti­na tabu­la­ta, sic­ca) deren man sich zur Bequem­lich­keit auf Rei­sen, im Feld­la­ger und auf dem Lan­de bedient, wo man die leim­ar­tig zähen Stück­chen, in kochen­dem Was­ser auf­gelößt, statt der fri­schen Fleisch­brü­he gebraucht, aber ver­geb­lich von die­ser Sub­stanz die Erqui­ckung als von fri­scher Fleisch­brü­he erwartet.