Bolus

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Bolus, sind so wie die Sie­gel­er­den, fei­ne im Was­ser sich erwei­chen­de Thon­er­den von ver­schied­ner Far­be, nur daß man letz­tern eine schei­ben­ar­ti­ge oder zylin­dri­sche Gestalt gab mit ein­ge­drück­ten Zei­chen und Namen des Ortes, wo sie herrühren.

So führ­te man sonst die lem­ni­sche Sie­gel­er­de (ter­ra lem­nia) von der Insel Lem­nos oder Sta­li­me­ne so genannt, mit vie­len Cere­mo­nien jähr­lich Ein­mal den 6ten August aus­ge­gra­ben, und ehe­dem mit dem Zei­chen einer Zie­ge, jetzt mit dem hal­ben Mon­de und drei Ster­nen bezeich­net. Sie ist von gel­ber oder gelb-röth­li­cher Far­be und mode­rich­tem Geru­che. Ihres unge­heue­ren Prei­ses wegen bekömmt man die­se gering­fü­gi­ge Erde nicht mehr zu sehen.

Die gewöhn­li­che wei­ße Sie­gel­er­de von Gold­berg oder Lie­gnitz in Schle­si­en (ter­ra sigil­la­ta alba gold­ber­gen­sis, lig­nicen­sis), die man auch axun­gia lunae, medal­la lunaegenannt hat, ist mit einem Adler bezeich­net. Es gie­bt auch eine rothe Sor­te von daher.

Die Mal­the­ser Sie­gel­er­de (ter­ra sigill. meli­ten­sis, s. de Mal­tha, ter­ra St. Pau­li) ist sehr weiß, in Klümp­chen von ver­schied­ner Gestalt geformt, und mit dem Bild­niß des heil. Pau­lus und einer Schlan­ge bezeichnet.

Die wei­ßen, bleich­ro­then und grau­en tür­ki­schen Sie­gel­er­den (ter­ra sigill. tur­ci­ca alba, rubra gri­sea) sind mit einer tür­ki­schen Schrift bezeichnet.

Die gel­be Stri­gau­er oder graue Schle­si­sche Sie­gel­er­de (ter­ra sigill. lutea stri­go­ni­en­sis, gri­sea file­sia­ca), wel­che auch glän­zend gel­ber ein­ge­spreng­ter Flit­ter­chen wegen axun­giaoder medul­la folisgenennt wird, hat drei Thür­me zum Zeichen.

Von den unbe­sie­gel­ten Erden glei­cher Natur, den Bolus­ar­ten ach­te­te man sonst den blaß­ro­then Arme­ni­schen (bolus arme­na, ori­en­ta­lis) von har­tem, fei­nem Gewe­be. Er kommt nicht mehr von daher, son­dern ver­schie­dent­lich auf Frank­reich, Ungarn u.s.w.

Der gemei­ne rothe Bolus (bolus com­mu­nis, rubra vul­ga­ris) ist grö­ber im Gewe­be, aber von glei­cher Natur. Man erhält ihn aus dem Salz­bur­gi­schen und aus Böh­men in etwa drei Zoll lan­gen, zwei Zoll brei­ten und hohen Stücken.

Der wei­ße Bolus (bolus alba) kömmt in eben so geform­ten Stü­cken aus Mäh­ren, Schle­si­en u.s.w. zu uns, nur daß sie aus wei­ßem Tho­ne gebil­det sind.

Man weiß noch nicht, ob die unge­färb­ten, das ist, aus blo­ßem Tho­ne bestehen­den Bolus­se und Sie­gel­er­den irgend eine arz­nei­li­che Kraft besit­zen. Sonst hielt man sie für zusam­men­zie­hend; eher möch­ten die fei­nern Sor­ten eine schlüpf­rig machen­de Eigen­schaft besit­zen, wenn man ihrer über­haupt dazu bedürfte.

Die bezo­ar­di­schen Kräf­te der gefärb­ten Bolus- und Sie­gel­er­den, der gel­ben und rothen, waren nur ein­ge­bil­det; eher konn­te man eine adstrin­gi­ren­de Kraft von den Eisen­kal­ken erwar­ten, die ihnen die Far­be gewöhn­lich geben, wie­wohl sich noch and­re Metall­kal­ke dar­in ver­mu­then lassen.

Es ist über­haupt sehr viel gewagt, die vie­ler­lei Erden (denn man hat aus­ser den genann­ten noch vie­le and­re sol­che arz­nei­li­che Bolus- und Sie­gel­er­den von da und dort her,) so gera­de­zu, ohne vor­he­ri­ge genaue che­mi­sche Prü­fung, den mensch­li­chen Ein­ge­wei­den zu über­lie­fern, da doch zuwei­len schäd­li­che Metal­le ihnen die Far­be geben, sich auch wohl der­glei­chen in den weis­sen unge­färb­ten Thon­ar­ten befin­den können.

Die­ser Zwei­deu­tig­keit wei­chen die neu­ern Aerz­te mit Recht dadurch aus, daß sie kaum je weder Bolus noch Sie­gel­er­de mehr verordnen.

Bolus, Bis­sen.