Blei

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Blei (Plum­bum, Satur­nus), ein in Gang­ge­bir­gen häu­fi­ges blau­schwärz­li­ches Metall von gerin­gem Glan­ze und Klan­ge, und sehr gerin­ger Här­te und Dehn­bar­keit. Es hat 11, 3 bis 11, 479 eigent­hüm­li­che Schwe­re, schmilzt bei 540° Fahr. und gie­bt mit allen Säu­ren ein süßes Salz. Es wird im Feu­er leicht zu Kal­ke, und läßt sich dann durch Kochen in gro­ßer Men­ge und leicht in fet­ten Oelen auf­lö­sen; Vitri­ol- und Küchen­salz­säu­re schei­det es daraus.

Wenn es im Schmel­zen oft umge­rührt wird, so ver­wan­delt es sich gar bald in einen grau­en Kalk, den man Blei­asche (cinis satur­ni) nennt, und ehe­dem unter die Pflas­ter nahm.

Läßt man die­sen grau­en Kalk noch eine oder ein Paar Stun­den in die­sem Feu­er­gra­de, als zum Schmel­zen des metal­li­schen Blei­es erfor­der­lich ist, ste­hen, so nimmt er eine mehr oder weni­ger schön­gel­be Far­be an, und wird dann Mas­s­ikot, oder Blei­gelb (cerus­sa citri­na) genannt, aber blos von Mahlern gebraucht.

Wird fer­ner die­ses Blei­gelb 48 bis 72 Stun­den unter öfterm Umrüh­ren in einer Hit­ze von 400° bis 450° Fahr. erhal­ten, so ent­steht der schön­ro­the Blei­kalk, den man Men­ni­ge (mini­um) nennt, ein Fabri­kat, wel­ches aus­ser dem nürn­ber­ger Gebie­te und Eng­land fast nir­gend ver­fer­tigt wird; ers­te­res hat den Vor­zug. Einem etwas stär­kern Feu­er unter­wor­fen, wird die Men­ni­ge, wel­che 1/​10 an Gewich­te Zuwachs im Feu­er ange­nom­men hat, wie­der zu Bleigelb.

Blei­asche, Blei­gelb und Men­ni­ge flie­ßen in einem hef­ti­gen Feu­er zu Glas, wel­ches, wenn ein Luft­strom dar­über geht, wie beim Abtrei­ben des Sil­bers geschieht, sich in grau­weiß­li­che und grau­gelb­li­che glän­zen­de Schup­pen zert­heilt, und dann Glät­te (lithar­gy­ri­um) oder nach der Ver­schie­den­heit die­ser bei­den Far­ben, wie­wohl ganz unnö­thi­ger­wei­se Sil­ber- und Gold­glät­te (lithar­gy­ri­um argen­ti, lithar­gy­ri­um auri) genannt wird.

Ich brau­che die­se und die fol­gen­den Blei­be­rei­tun­gen nur oben­hin anzu­ge­ben, weil der Apo­the­ker sel­ten in dem Fal­le ist, sie selbst zu verfertigen.

Setzt man dünn gegos­se­nes oder Rol­len­blei in ver­schlos­se­nen Gefä­sen, wor­in weingäh­rungs­fä­hi­ge Mate­ri­en, Wein­tres­tern, Obst­tres­tern u.s.w. am Boden ent­hal­ten sind, einer vier­wö­chent­li­chen Wär­me von etwa 100° Fahr. aus, so zer­frißt die sich ent­wi­ckeln­de Luft­säu­re das metal­li­sche Blei ganz oder zum Theil zu Blei­weiß (cerus­sa alba), wel­ches ein in Was­ser höchst schwer auf­lös­li­ches Metall­salz, ein luft­saures Blei (Blei­sau­er­luft­salz) ist, in 100 Thei­len aus 74 Blei und 26 Luft­säu­re (mit Was­ser ver­bun­den) zusam­men gesetzt.

Die reins­ten Sor­ten kom­men ent­we­der in klei­nen höchst schwe­ren Kegeln (vene­tia­ni­sches Blei­weiß genannt) oder in andert­halb Lini­en star­ken Schir­beln (schi­fera alba, cerus­sa in lamel­lis, Schie­fer­weiß) zu uns, wel­che letz­te­re gewöhn­lich mit Stär­ke­mehl­kleis­ter in die­se Form gebracht wor­den sind. Man wählt ers­te­res zu arz­nei­li­chen Absich­ten. Es muß, wenn es nicht mit Krei­de ver­fälscht wor­den, mit Oel durch­kne­tet, in einem glü­hend erhal­te­nen eiser­nen Löf­fel ganz zu einem Blei­kor­ne zusammenschmelzen.

Der Zent­ner kann nicht unter 12 Tha­lern ver­las­sen wer­den; die wohl­fei­lern Sor­ten sind sehr schlecht.

Wird die­ses rei­ne Blei­weiß in destil­lir­tem Essi­ge auf­ge­löst und bis zur gehö­ri­gen Kon­sis­tenz abge­dampft, so ent­steht unter eini­gen Hand­grif­fen ein aus matt­wei­ßen, glän­zen­den, nadel­för­mi­gen Krystal­len bestehen­des metal­li­sches Mit­tel­salz (Blei­es­sig­s­alz), der von sei­nem adstrin­gi­rend süßen Geschma­cke so benann­te Blei­zu­cker, Blei­salz (sac­charum satur­ni, sal satur­ni). Es muß in wohl­ver­stopf­ten Fla­schen auf­be­wahrt wer­den, sonst wird es mit der Zeit fast ganz zu einem grau­gilb­li­chen Blei­wei­ße. Fri­scher Blei­zu­cker muß sich ohne Boden­satz in destil­lir­tem Was­ser auf­lö­sen, und wenn er ächt, darf er in einen glü­hen­den Tie­gel geschüt­tet, nicht vor sich ver­puf­fen; sonst ent­hält er Bleisalpeter.

Ein Quent­chen guter Blei­zu­cker gie­bt in sechs Unzen destil­lir­tem Was­ser auf­ge­löst, das zuver­läs­sigs­te Blei­was­ser (aqua vege­to­mi­ne­ra­lis Gou­lar­di) von stets glei­cher Stär­ke. Es ist was­ser­hell, und trübt sich nur dann weiß, wenn der Blei­zu­cker alt und ver­le­gen war, oder das Was­ser luft­saure Kalk­er­de ent­hielt, wie das gewöhn­li­che Brunnenwasser.

Lößt man aber Men­ni­ge oder Blei­glät­te bei der Wär­me in Essig auf (die gesät­tig­te und die Lak­mustink­tur nicht mehr röt­hen­de Auf­lö­sung nennt man Blei­es­sig, ace­tum satur­ni), und dampft die metall­sal­zi­ge Lau­ge bis zur Dicke eines Sirops ab, so krystal­li-sirt sich kein Blei­zu­cker, wie vom Blei­wei­ße ent­stand, son­dern das Blei­es­sig­s­alz bleibt flüs­sig unter dem Namen des Blei­ex­trakts oder des Blei­bal­sams (bal­sa­mum satur­ni, extra­c­tum satur­ni). Es muß hell­far­big, und wenigs­tens von 1, 500 spe­zi­fi­scher Schwe­re seyn. Aus dem Blei­ex­trak­te, wel­cher jedoch nie von glei­cher Stär­ke ist, berei­te­te man ehe­dem das Blei­was­ser, durch Ver­dün­nung mit etwa (mehr oder weni­ger) 48 Thei­len Wasser.

Man dampft auch das Blei­ex­trakt bis zur Tro­cken­heit ab (extra­c­tum saturn­i­num Gou­lar­di sic­cum);es ist aber weni­ger gebräuchlich.

Die­se Blei­be­rei­tun­gen wer­den häu­fig als äus­ser­li-che Arz­nei­mit­tel gebraucht, doch nicht das metal­li­sche Blei, nicht die Blei­asche, noch auch das Mas­si-kot; die Glät­te und Men­ni­ge nur in Zusam­men­set­zun­gen, nie vor sich. Das Blei­weiß wird als trock­nen­des, küh­len­des Mit­tel in Geschwü­re, oder bes­ser auf haut­lo­se, wun­de Stel­len gestreut.

Inner­lich wird der Blei­zu­cker von heroi­schen Aerz-ten im Blut­spei­en und Uebeln von krank­haf­ter Erhö­hung der Reiz­bar­keit zu weni­gen Gra­nen gebraucht, wobei gro­ße Behut­sam­keit erfor­der­lich ist. Aeus­ser­lich nimmt man ihn, wie gesagt am sichers­ten, statt des Blei­ex­trak­tes zur Ver­fer­ti­gung des Blei­was­sers, einer Blei­es­sig­s­alz­auf­lö­sung, wel­che Haut­ent­zün­dun­gen sehr wirk­sam hebt, und nur auf gro­ße haut­lo­se Stel­len gelegt, zuwei­len ein­ge­saugt wor­den ist, und Blei­ko­lik ver­ur­sacht hat.

Glät­te und Men­ni­ge wer­den in Essig auf­ge­löst zum Blei­ex­trak­te, in sie­den­den Oelen aber auf­ge­löst zum Blei­pflas­ter (w.s.), weil das metal­li­sche Blei sich in Gewächs­säu­ren und Oelen nur sehr schwer auflöst.

Ein ziem­lich ver­ges­se­nes Blei­prä­pa­rat ist das soge­nann­te gebrann­te Blei (plum­bum ustum), ein schwe­res, schwarz­brau­nes Pul­ver, ein geschwe­fel­tes Blei. Man legt dün­ne Blei­plätt­chen schicht­wei­se mit Schwe­fel in einen Schmelz­tie­gel, und wenn alles geschmol­zen, so rührt man die Mischung so lan­ge, bis ein ganz fei­nes Pul­ver ent­steht. Man süßt es mit Was­ser aus. Es soll ehe­dem mit Nut­zen in unrei­ne Geschwü­re gestreut wor­den seyn.

Schon in mäsi­ger Men­ge in die Ver­dau­ungs­we­ge gebracht, rich­tet das Blei viel Scha­den an, es mag auch in irgend einer Gestalt seyn, als Metall, als Kalk, oder in Auf­lö­sung. Es ent­steht (die Blei­ko­lik) eine fast unbe­zwing­li­che Hart­lei­big­keit und uner­träg­lich zusam­men­zie­hen­de Schmer­zen in den Gedär­men ohne Ent­zün­dungs­sym­pto­men, wobei der Unter­leib kon­vul­si­visch ein­ge­zo­gen wird. War die Men­ge Blei zu groß, oder wird das Uebel durch blei­hal­ti­ge Din­ge öfters erneu­ert, so ent­steht ein Glie­der­rei­ßen, wel­ches zuletzt in Kon­trak­tur und Läh­mung ausartet.

Es muß daher bei Ver­fer­ti­gung der Arz­nei­en sorg­fäl­tig ver­mie­den wer­den, daß dieß heim­tü­ckisch schäd­li­che Metall nicht unter die innern Arz­nei­en ge-rathe.

Blei­er­ne Kes­sel und blei­er­ne Mör­sel kön­nen blos zur Ver­fer­ti­gung von Blei­mit­teln gebraucht werden.

Eben des­halb sind die irde­nen inwen­dig mit Blei­glät­te gla­sur­ten Gefä­se und die ver­zinn­ten Geschir­re, weil zum Ver­zin­nen nach Malouin gewöhn­lich Blei zu glei­chen Thei­len mit Zinn ver­setzt genom­men wird, zur Ver­fer­ti­gung und Auf­be­wah­rung der Arz­nei­en durch­aus verwerflich.

Wie Blei in Flüs­sig­kei­ten zu ent­de­cken sey, sehe man in Weinprobe.