Biber

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Biber, Cas­tor fiber L. [Les­ke Natur­gesch. I Taf. 3 Fig. 13.] des­sen eiför­mi­ger Schwanz von oben nie­der­ge­drückt und kurz ist, ein in kal­ten und tem­pe-rir­ten Gegen­den an Strö­men und Tei­chen bei­der Welt-thei­le leben­des Thi­er, höchs­tens von drei Fuß Län­ge, des­sen künst­li­cher Bau sei­ner Woh­nung und sei­ne gesell­schaft­li­che Lebens­art bekannt sind. Jetzt hält er sich am häu­figs­ten in Nord­ame­ri­ka auf, nächst­dem in Preu­ßen, Poh­len und Ruß­land. Er lebt von zar­ten Baum­rin­den, sam­melt sich Win­ter­vor­rath, wirft im Dezem­ber zwei bis vier Jun­ge, und dient zu einer wie­wohl nicht annehm­li­chen Fastenspeise.

Für die Arz­nei sind die­se Thie­re durch die Beu­tel merk­wür­dig, deren bei jedem der­sel­ben (Männ­chen und Weib­chen) vie­re zwi­schen dem After und dem Scham­bei­ne sit­zen. Die unters­ten bei­den und größ­ten ent­hal­ten das soge­nann­te Biber­geil, die obern und klei­nern aber das Biber­geil­fett (axun­gia cas­tor ei).

Das Biber­geil (cas­tor­e­um) selbst aber ist eine zähe, schmie­ri­ge, har­zi­ge Sub­stanz von dunk­ler Zimmt­far­be, zwi­schen ver­schied­nen Mem­bra­nen in dem läng­lich­ten balg­drü­sen­ähn­li­chen Säck­chen ein­ge­schlos­sen. Sie ist ent­zünd­bar, von eig­nem, durch­drin­gend star­kem, wid­ri­gem, beschwer­li­chem Geru­che, von schar­fem, beis­send bit­term und ekel­haf­tem Ge-schma­cke und einer Kon­sis­tenz wie ein Gemisch aus Wachs und Honig.

Nach­dem die Beu­tel aus­ge­schnit­ten wor­den, wäscht man sie äus­ser­lich und räu­chert sie, und so wird das inne­re Wesen tro­cken. Dann ist das Biber­geil ein schwe­rer, dun­kel­brau­ner Beu­tel, mit einem fes­ten, etwas zähen, doch zer­brech­li­chen, brau­nen Wesen (in vie­le häu­ti­ge Fächer ein­ge­schlos­sen) ange­füllt, von dem genann­ten sehr star­ken Geru­che und Geschmacke.

Was­ser zieht größ­tent­heils nur den wid­ri­gen, ekel­haf­ten Theil her­aus, Wein­geist größ­tent­heils nur die Bit­ter­keit; Brannt­wein löset mehr von bei­den auf, ver­süß­ter Sal­pe­ter­geist aber gie­bt das kräf­tigs­te Auf­lö­sungs­mit­tel ab. Das meis­te kräf­ti­ge aus dem Biber­geil geht in der Destil­la­ti­on mit Was­ser über; mit Wein­geist wenig oder nichts.

Das bes­te Biber­geil kömmt aus Poh­len und Preu­ßen über Dan­zig (cas­tor­e­um borus­si­cum) in gro­ßen, rund­lich­ten höcke­rich­ten Beu­teln; das nächst­dem an Güte fol­gen­de aus Ruß­land (cas­tor­e­um rus­si­cum, mosco­vi­ti­cum), und von der Elbe. In größ­ter Men­ge aber, wie­wohl von der gerings­ten Güte ward das Biber­geil ehe­dem aus Nord­ame­ri­ka, vor­züg­lich Kana­da, durch die Eng­län­der gebracht, und heißt des­halb eng­li­sches Biber­geil (cas­tor­e­um angli­cum). Es steht in zehn bis sechs­zehn­mal gerin­germ Prei­ße, als die ers­ten bei­den Sor­ten, kömmt in klei­nern läng­lich­ten, sehr ein­ge­schrumpf­ten, schwärz­lich­ten, dün­nen Beu­teln zu uns, von schwä­cherm etwas fet­ti­gem Geru­che und einer leicht zer­reib­li­chen Kon­sis­tenz. Das schwe­di­sche soll noch gerin­ger seyn.

Man hüte sich, ver­fälsch­tes zu kau­fen, wel­ches von oben beschrieb­ner Güte abweicht. Es gie­bt Gemi­sche aus Biber­geil­pul­ver mit Ammo­ni­ak, Saga­pen und Gal­ba­num durch­kne­tet und in Hoden­sä­cke klei­ner Zie­gen gefüllt. Oder es wer­den auch zuwei­len in die Beu­tel voll äch­ten Biber­geils Stück­chen Blei zur Ver­meh­rung des Gewichts eingeschoben.

Biber­geil von bes­ter Güte zeigt in gehö­rig gro­ßer Gabe sehr krampf­wid­ri­ge, anthys­te­ri­sche Kräf­te, und ist sehr heil­sam, wo von sei­ner erhit­zen­den Kraft nichts zu befürch­ten ist.

Das Biber­geil­fett (axun­gia cas­to­rei), wel­ches in den andern bei­den Beu­teln ent­hal­ten, gelb, von ölich-ter Kon­sis­tenz und weni­ger star­kem Geru­che, als das Biber­geil ist, ward ehe­dem zu ner­ven­stär­ken­den Sal­ben genom­men, auch bei Blä­hungs­ko­li­ken und hys­te­ri­schen Zufäl­len vor sich in den Unter­leib eingerieben.

Das in alten Zei­ten gebräuch­lich gewe­se­ne Fett unter der Haut des Bibers (axun­gia cas­to­ris) ist sei­nes unbe­deu­ten­den Nut­zens wegen vom Schwei­ne­fet­te (wie bil­lig) ver­drängt worden.