Apotheke

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Apo­the­ke. Die­se Werk­statt der Gesund­heit besteht aus meh­rern Theilen.

I. Die Apo­the­ke im engern Ver­stan­de oder der Ver­k­auf­la­den. Sie muß tro­cken und durch­aus hel­le seyn; ihre Höhe ist will­kühr­lich, und wenn sie, wie nicht zu ver­ach­ten, weit über zwölf Fuß hoch wäre, und man des guten Ansehns wegen auch bis in die­se Höhe Gefä­ße rings her­um stel­len woll­te, so müs­sen doch die obers­ten Rei­hen der­sel­ben in die­sem Fal­le kei­ne Arz­nei­en ent­hal­ten, son­dern leer seyn. Alles was ein erwach­se­ner Mensch auf der drit­ten Stu­fe des höl­zer­nen Trit­tes bequem errei­chen kann, ist der höchs­te Stand­punkt der gefüll­ten Gefä­se einer beque­men Offi­zin. Was hier­über hin­aus­geht, ist gefähr­lich zu hand­ha­ben, vor­züg­lich wenn es eilig her­geht. Daß die leich­tes­ten und am wenigs­ten zer­brech­li­chen Gefä­se die obers­ten Rei­hen beset­zen müs­sen, fällt leicht in die Augen.

Es ist vort­heil­haft, wenn sie so breit ist, daß auf bei­den Sei­ten des Ein­tritts ein Tisch hin­läuft, wovon der eine blos zur Ver­fer­ti­gung der Rezep­te bestimmt, und das Repo­si­to­ri­um dahin­ter blos mit den hie­zu nö-thi­gen Stü­cken in größ­ter Ord­nung besetzt ist, der Tisch auf der andern Sei­te aber blos zum Hand­ver­kau­fe bestimmt wird, des­sen Repo­si­to­ri­um dann auch wie­der die hie­zu gehö­ri­gen Dro­quen ent­hält. Ein klei­nes Glas­stüb­chen auf der Sei­te des Hand­ver­kauf­ti­sches muß die Gäs­te für das Etwas für den Magen ein­schlie­ßen, indeß auf der Sei­te des Rezept­ir­ti­sches ein ähn­li­ches hel­les Stüb­chen zum Schrei­ben und Rech­nen kurz ein klei­nes Büreau zu ver­schied­nen Absich­ten vor­han­den ist.

Die Stu­be zum Auf­ent­hal­te oder zur Woh­nung des Herrn der Apo­the­ke ist am bes­ten dicht neben dem Laden, und er hält in der­sel­ben in einem abge­son­der­ten Ver­schla­ge alle gewöhn­lich unter die Gif­te gezähl­ten, und in klei­ner Gabe hef­tig und dras­tisch wir­ken­den Mit­tel unter sei­nem Schlusse.

Die Gefä­se in der Apo­the­ke (ihre mate­ri­el­le Beschaf­fen­heit sehe man unter Gefä­se nach,) dür­fen nie unbe­schrie­ben seyn. Die Signa­tu­ren dür­fen aber auch nie weder auf einem dar­über noch dane­ben ange­bun­de­nem Papie­re geschrie­ben ste­hen, weil sie leicht ver­legt, zer­ris­sen oder von dem her­aus­drin­gen­den Duns­te zer­fres­sen oder unle­ser­lich wer­den kön­nen. Sie wer­den am bes­ten äus­ser­lich mit gro­ßen deut­li­chen schwar­zen Buch­sta­ben auf einem wei­ßen Schil­de mit Oel­far­be auf­ge­schrie­ben. Die Signa­tu­ren blos mit Cha­rak­te­ren (alt­che­mi­schen Zei­chen) anzu­deu­ten, ist thö­rich­ter Pedan­tis­mus; sie haben oft so viel Aehn­lich­keit mit ein­an­der, daß eine gefähr­li­che Ver­wech­se­lung sehr leicht mög­lich ist, und müs­sen durch­aus von einer Offi­zin ver­bannt blei­ben, deren Besit­zer auf Klug­heit und Recht­schaf­fen­heit Anspruch macht.

II. Das zwei­te Haupt­stück, den Ort zur Aus­ar­bei­tung der Arz­nei­en, sie­he unter Labo­ra­to­ri­um, und das dazu nöthi­ge Meublem­ent unter Werk­zeu­ge, Ge-fäse, Oefen u.s.w.

III. Das drit­te Erfor­der­niß einer guten Apo­the­ke sind die Anstal­ten zur Trock­nung der fri­schen Gewäch­se und den che­misch­phar­ma­zeu­ti­schen Zube­rei­tun­gen, die man unter Tro­cken­bo­den und Wärm­stu­be nach­zu­se­hen hat.

IV. Die Oer­ter zur schick­li­chen Auf­be­wah­rung der Vor­rä­the, sie­he Waa­ren­la­ger und Kel­ler.

Ueber­haupt müs­sen alle Vor­rä­the, wel­che mit der Zeit unkräf­tig wer­den, alle, wenigs­tens zur Rezep­tur nöthi­gen, Vege­ta­bi­li­en all­jähr­lich erneu­ert, und die alten hin­weg­ge­wor­fen wer­den. Und so sol­len alle ein­fa­chen, vor­züg­lich nas­sen Zube­rei­tun­gen mit frisch berei­te­ten ver­tauscht wer­den, sobald die min­des­te Ver­derb­niß oder Kraft­lo­sig­keit in den­sel­ben ent­stan­den ist.

Rich­tig ein­ge­sam­mel­te, und in ihrer gan­zen Kraft auf­be­wahr­te ein­fa­che Mit­tel und ein­fa­che Zube­rei­tun­gen in der höchs­ten Stu­fe ihrer Voll­kom­men­heit ver­fer­tigt, sind der höchs­te Schmuck einer guten Offi­zin; – die­se sich vom Publi­kum im vol­len Prei­se bezah­len las­sen, ist eine unnach­läs­si­ge, höchst bil­li­ge, ich möch­te sagen, gerin­ge Fode­rung; aber ver­le­ge­ne, kraft­lo­se oder wohl gar fal­sche Sim­pli­zi­en, und elend gepfusch­te, wohl gar unter der Arbeit zu Gift gew­ord­ne Zube­rei­tun­gen selbst unter der Hälf­te der Taxe ver­kau­fen, heißt mehr als Wucher trei­ben ‑heißt in vie­len Fäl­len den Elen­den trost­los las­sen, und – in eini­gen Fäl­len, in geheim ihn mor­den und berau­ben – eine schänd­li­che, kri­mi­nel­le Handthierung.

Einer Offi­zin, in deren Innern äch­te Rea­li­tät und gewis­sen­haf­te Auf­rich­tig­keit herrscht, wün­sche ich eine edle Sim­pli­ci­tät im Aeus­sern, und sogar eine geschmack­vol­le Ver­zie­rung alles des­sen, was dem Anbli­cke offen steht; Ueber­la­dung aber mit plum­per, rei­cher Deko­ra­ti­on und krau­sem Flit­ter­staa­te kün­digt dem Beob­ach­ter nicht leicht viel Kern dahin­ter an. Der Ort, wo die Spei­se des Lebens zusam­men­ge­setzt wird, ist eine ernst­li­che, fei­er­li­che Stä­te, wo Anstand und Wür­de woh­nen soll – und ihre Schwes­tern, Rein­lich­keit und Ordnung.