Wärmstube

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Wärm­stu­be (Etuve, Stu­fa, Cal­da­ri­um) ist eine der unent­behr­lichs­ten Vor­rich­tun­gen in einer ansehn­li­chen Offi­zin. Man läßt im Unter­sto­cke des Hau­ses auf plat­ter Erde ein nied­ri­ges, nicht über acht Fuß hohes, etwa acht­zehn Fuß lan­ges und brei­tes Zim­mer inwen­dig mit Bre­tern aus­tä­feln, sowohl die Wän­de (bis auf ein Paar Zoll vom Fuß­bo­den ent­fernt), als oben die Decke und ver­klei­det die Fugen mit Leis­ten; der Fuß­bo­den ist von Gyps oder Est­rich gegos­sen. Dieß Zim­mer hat am bes­ten kein Fens­ter; die Arbei­ten dar­in wer­den bei Lich­te ver­rich­tet, um jede Stel­le im Zim­mer zu ver­mei­den, wo sich der feuch­te Dampf anle­gen und von oben her­ab­rin­nen kön­ne, aus­ser am kal­ten Fuß­bo­den, wo sich alle Düns­te ver­dich­ten. Hier wird die gesam­mel­te Feuch­tig­keit von Zeit zu Zeit mit Tüchern auf­ge­trock­net. Die Thü­re ist nied­rig und kaum sechs Fuß hoch. Um aber die zum Athem­ho­len dien­li­che Luft zu erneu­ern, ist der zur Heit­zung in der Mit­te der Wärm­stu­be ste­hen­de Ofen ein Wind­ofen. Er wird in der Stu­be geheit­zt am bes­ten auf Ros­ten mit Torf, Stein­koh­len, oder Braun­koh­len. Die Feu­ert­hü­re ist ganz nied­rig am Fuß­bo­den, der Ofen ist durch­aus von gegos­se­nem Eisen, sein Obert­heil ist von der Decke des Zim­mers etwa zwei Fuß ent­fernt, nicht über 18 Zoll breit, aber wenigs­tens 5 Fuß lang. Bei die­ser Gestalt emp­fängt und gie­bt er die meis­te Hit­ze. Auf der dem Heit­z­lo­che ent­ge­gen­ge­setz­ten Sei­te geht die wage­rech­te Rauch­röh­re, etwa 18 Zoll höher als die Feu­ert­hü­re ist, durch die Wand des Zim­mers in einen Kamin oder in eine Küche, oder bes­ser, um allen Gegen­zug zu ver­mei­den, in einem eig­nen, dicht ver­schlos­se­nen Schor­stei­ne hin­aus, doch so, daß bei ihrem Aus­gan­ge durch die Wand die bre­ter­ne Ver­tä­fe-lung rings­um einen Fuß weit feh­le und der Zwi­schen­raum blos mit feu­er­fes­ten Stei­nen gemau­ert sei.

An den Wän­den hin lau­fen höl­zer­ne Gestel­le, mit meh­rern Unter­schie­den, auf­wel­che, wenn Kräu­ter bei ungüns­ti­ger Wit­te­rung zu trock­nen sind (unter Trock­nen) Räh­men (mit Netz­ge­flech­te von Bind­fa­den über­spannt) und hier­auf die fri­schen Kräu­ter, Wur­zeln oder Blu­men gelegt wer­den, auf denen man sie flei­sig umwen­det. Eben so wer­den auf die­se Gestel­le, nach Hin­weg­neh­mung der Tro­cken­räh­me, die fla­chen Näp­fe von Stein­zeug gesetzt, wor­in die durch all­mäh­li­che Abdamp­fung zu krystal­li­si­ren­den Salz­lau­gen (unter Krystal­li­sa­ti­on) sich befin­den, oder die frisch­ge­preß­ten Kräu­ter­säf­te, um sie zu den wirk­sams­ten Dick­säf­ten (ohne bei schlaf­fer Wit­te­rung ver­der­ben oder über unbe­hut­sa­men Feu­er über­hitzt und kraft­los wer­den zu kön­nen) all­mäh­lich ein­zu­di­cken. Die sechs bis acht über­ein­an­der ange­brach­ten Unter­schie­de, oder Fache der Gestel­le ver­stat­ten viel Raum hiezu.

An den Gestel­len hän­gen hie und da Ther­mo­me­ter, um den Grad der Hit­ze beob­ach­ten und stim­men zu können.

Zur Ein­di­ckung der Säf­te, zur Trock­nung der Wur­zeln, und zu den meis­ten Abdamp­fun­gen der Salz­lau­gen (z.B. des Potasch­essig­s­al­zes) darf die Hit­ze nicht unter 100 Grad Fahr. seyn; zuträg­li­cher ist es, sie auf und über 130 Grad zu erhö­hen, eine Hit­ze, von der alle Gäh­run­gen auf­ge­hal­ten wer­den. In die­ser Hit­ze kön­nen selbst fri­sche Thier­sub­stan­zen getrock­net wer­den, ohne daß sie fau­len; ein Vort­heil der in der frei­en Luft nie zu errei­chen ist.

Die­se Hit­ze ist zugleich zur Abdamp­fung des Sirups aus dem Saf­te der Run­kel­rü­ben oder der Wur­zeln des Weiß­m­an­golds, d.i. zur Kör­nung des Zuckers dar­in, nicht nur zuträg­lich, son­dern auch unentbehrlich.

Geis­ti­ge Diges­tio­nen, wenn sie ja Wär­me erfor­dern (unter Tink­tur), fin­den eben­falls in der Wärm­stu­be ihren Platz, so wie die Trock­nung der Salz­krystal­len, wel­che leicht an der Luft zerfließen.

Eben so ist hier der Ort zur Durch­sei­hung dick­li­cher Flüs­sig­kei­ten, wel­che, durch die Wär­me ver­dünnt, nun leich­ter durchs Fil­t­rum gehen.

Die Thü­re der Wärm­stu­be muß ohne gro­ße Gewalt auf und zuge­macht wer­den kön­nen; gewalt­sa­mes Zuwer­fen der Thü­re stört die Krystal­li­sa­tio­nen. Die Tücher zum Abtrock­nen des gyp­se­nen Fuß­bo­dens müs­sen oft mit tro­cke­nen gewech­selt werden.

Da der Ofen im Innern der Stu­be geheizt wird, so kann, wenn der feuch­te Dunst der Stu­be dem Athem-holen nicht beschwer­lich fällt, und der Zug des Ofens zu stark wäre, daß all­zu viel kal­te Luft (im Win­ter) durch die Fugen der Thü­re her­ein­ge­zo­gen wür­de, wel­che die gehö­ri­ge Erhö­hung des Wär­me­gra­des ver­hin­der­te, in die­sem Fal­le eine in die run­de Oef­nung der Feu­er­herdsthü­re pas­sen­de ble­cher­ne Röh­re ein­ge­steckt wer­den, deren ande­res Ende durch eine Oef­nung in die Wand aus­geht und von da die zur Unter­hal­tung des Feu­ers nöthi­ge Luft unmit­tel­bar ein­zieht, die nun nicht mehr die Tem­pe­ra­tur der Stu­be abküh­len kann. Wo aber der Gesund­heit schäd­li­che Düns­te sich ver­brei­ten, darf die­se Zugröh­re nicht ein­ge­legt wer­den, damit die freie Oef­nung der Feu­er­herdsthü­re des Ofens sie absor­bi­ren kön­ne, und sie so der Gesund­heit des Arbei­ters nicht nacht­hei­lig wer­den. Im Som­mer, wo stark­wir­ken­de Pflan­zen getrock­net, oder ihre aus­ge­preß­ten Säf­te ver­dickt wer­den sol­len, darf man die­se Röh­re durch­aus nicht anwenden.