Trocknen

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Trock­nen (Exsic­ca­tio) ist eine äus­serst wich­ti­ge Ver­rich­tung bei der Apo­the­ke. Das sehr lang­sa­me Trock­nen der Kräu­ter, Wur­zeln, Rin­den und Blu­men im kal­ten Schat­ten läßt eine Art von Ver­derb­niß (Schwarz­wer­den, Schim­meln, Fau­len) in dem Saf­te der Gewäch­se ent­ste­hen, wodurch ihre Arz­nei­kraft größ­tent­heils zu Grun­de geht. Sie müs­sen viel­mehr in sehr kur­zer Zeit bei merk­li­cher Wär­me getrock­net wer­den, wenn sie mög­lichst alle ihre Kraft behal­ten sol­len. Es schrump­fen hie­bei die Blät­ter zusam­men, und die Vege­ta­bi­li­en wer­den zer­treib­lich; und obgleich ihr Geruch in die­sem trock­nen Zustan­de gerin­ger zu seyn scheint, so zeigt er sich doch sogleich wie­der, sobald sie aus der Luft wie­der eini­ge Feuch­tig­keit ange­zo­gen haben.

Zum Trock­nen im Som­mer wählt man sich einen rein­li­chen Boden (Tro­cken­bo­den), des­sen eine Dach­flä­che Vor­mit­tags, die ande­re Nach­mit­tags von der Son­ne beschie­nen wer­den kann, wo folg­lich hin­rei­chen­de Wär­me vor­han­den ist. An den bei­den ent­ge­gen­ge­setz­ten Enden bringt man eine gro­ße Fens­ter­öf-nung an, wel­che mit engem Drat­git­ter bezo­gen ist, wodurch zwar kein Vogel und kei­ne Kat­ze her­ein­kom­men kann, dem reich­li­chen Luft­zu­ge aber frei­er Spiel­raum ver­stat­tet wird. Hier wer­den an vier Stri­cken (den Zugang der Rat­ten und Mäu­se zu ver­weh­ren) hori­zon­tal auf­ge­han­ge­ne höl­zer­ne Räh­men mit eng-maschich­tem Netz­ge­flech­te von Bind­fa­den bezo­gen, etwa zwei Fuß breit, wor­auf die Kräu­ter locker aus­ge­brei­tet wer­den, der­ge­stalt, daß wo das eine Kraut auf­hört, und ein neu­es anfängt, immer ein vier­kan­ti­ger höl­zer­ner Stab zur Grän­ze zwi­schen bei­den quer­über gelegt wer­de, auf dem der Nah­me des Krau­tes ent­we­der auf­ge­schrie­ben oder auf­ge­klebt zu fin­den ist. Wer­den die auf die­sem Netz­ge­flech­te locker aus­ge­brei­te­ten Kräu­ter täg­lich wenigs­tens zwei­mahl umge­wen­det, so trock­nen sie weit glei­cher und schnel­ler als die in Bün­deln auf­ge­han­ge­nen; das Trock­nen in Bün­deln gehört höchs­tens für die saft­lo­sen Gewäch­se, Thy­mi­an, u.s.w.

Die Rin­den und die dün­nen Wur­zeln wer­den auf eben die­sen Netz­rah­men getrock­net; die dickern Wur­zeln aber der Län­ge hin gespal­ten, oder bei saf­ti­gen, mar­ki­gen, schlei­mi­gen Wur­zeln, bes­ser, quer­durch, oder schräg in Schei­ben zer­schnit­ten, und auf Bind­fa­den gerei­het, die man über einen gleich­falls hori­zon­tal hän­gen­den Rah­men quer­über zieht, so viel mög­lich fest ange­zo­gen, damit die straff gespann­te Schnur ver­stat­te, die Wur­zel­schei­ben eine von der andern etwas zu ent­fer­nen, so daß kei­ne die and­re berüh­re, wel­ches bei locker her­ab­hän­gen­den Schnü­ren nicht wohl angeht.

Hat man Gele­gen­heit in frei­em Son­nen­schei­ne zu trock­nen, an einem Plat­ze der vor Wind­stür­men gesi­chert ist, so kömmt man geschwin­der zu Ende und erreicht sei­ne Absicht eben so voll­kom­men, wenn man jede Sor­te Kraut oder geschnit­te­ne Wur­zel, jedes auf einem beson­dern Tuche aus­brei­tet, wor­an der auf einem Zet­tel geschrie­be­ne Nah­me ange­hef­tet ist. Hier muß unun­ter­bro­chen eine zuver­läs­si­ge Per­son zuge­gen seyn, von der die Vege­ta­bi­li­en bestän­dig umge­wen­det wer­den, wel­che die nacht­hei­li­gen Thie­re davon abwen­det, das völ­lig Getrock­ne­te von Zeit zu Zeit abnimmt und am gehö­ri­gen Orte ver­wah­ret (damit durch all­zu lan­gen Ein­fluß der Son­nen­strah­len die flüch­ti­gen Thei­le nicht all­zu­sehr ver­düns­ten) und wel­che auch, wenn ja ein Gewit­ter ein­fal­len soll­te, die Tücher ein­zeln unter einen nahen Schup­pen unter Obdach schnell tra­gen könne.

Eben die­ses Trock­nen an der Son­ne ist auch sehr wohl anwend­bar bei schon luft­trock­nen Vege­ta­bi­li­en, die die Trock­nung zum Pül­vern erhal­ten sol­len. Alle noch so luft­trock­nen Gewäch­se zie­hen beim Auf­be­wah­ren wie­der einen gewis­sen Theil Feuch­tig­keit aus der Luft an, wodurch ihre Tex­tur wie­der zäher wird. Um sie fein zu pül­vern, müs­sen sie die­se Feuch­tig­keit wie­der ver­lie­ren durch eine neue Trock­nung bis dahin, daß die Blät­ter sich zwi­schen den Hän­den gröb­lich zer­rei­ben las­sen bis die Sten­gel sich kni­cken las­sen, und die Wur­zeln beim Bie­gen, obgleich etwas schwie­rig zer­bre­chen. Hie­zu sind die Son­nen­strah­len ein gutes Hülfs­mit­tel; wenn dieß aber die Wit­te­rung nicht erlaubt, so muß künst­li­che Wär­me ange­wen­det wer­den. Hie­zu dient jedoch nicht nach alt­frän­ki­scher Wei­se das Dör­ren in oder auf einem Bäck­erofen, wo die Hit­ze bald zu schwach, bald zu stark ist, wo sich Staub und Unrei­nig­kei­ten aller Art, leicht­fer­ti­ge Kin­der, Kat­zen, Hun­de, Rat­ten, Spin­nen und and­res Unge­zie­fer (vor­züg­lich ohne Gegen­wart des Apo­the­kers) ver­ei­ni­gen, die köst­li­chen Hülfs­mit­tel zur Wie­der­her­stel­lung der Gesund­heit des Men­schen zu ver­der­ben, zu besu­deln, oder unter ein­an­der zu wir­ren, daß sie nie­mand wie­der genau von ein­an­der son­dern kann. Die­ser Apo­the­ke­r­em­pi­ris­mus soll­te gänz­lich abge-schaft werden.

Viel­mehr dient zu die­ser Hart­trock­nung bei Man­gel an Son­nen­schei­ne vor­züg­lich die Aus­brei­tung der Ve-geta­bi­li­en auf glei­chen mit Netz­ge­flech­te bezo­ge­nen Räh­men, wel­che in der Wär­me­stu­be (w.s.) neben oder über ein­an­der hin­lau­fen, auf denen sie öfters umge­wen­det wer­den, bei einer Heit­zung des Ofens, wodurch die Luft­wär­me die­ses Zim­mers nach den in der Mit­te auf­ge­han­ge­nem Ther­mo­me­ter auf 120° Fahr, steigt. Hier gehö­ren weni­ge Stun­den dazu, sei­ne Absicht voll­kom­men zu erreichen.

Zu die­ser Trock­nung in der Wärm­stu­be muß man auch bei fri­schen Gewäch­sen sei­ne Zuflucht neh­men, wenn nas­se, stür­mi­sche Früh­lings- oder Herbst­wit­te­rung kei­ne Aus­sicht ver­stat­tet, die grü­nen Gewäch­se bin­nen zwei oder drei Tagen völ­lig luft­tro­cken zu machen, zum Auf­be­wah­ren geschickt. In gro­ßen Offi­zi­nen könn­te zum Trock­nen fri­scher Kräu­ter eine Dar­re ohne Rauch, mit Drat­git­ter, vort­re­f­li­che Diens­te leis­ten, wor­über Bast­mat­ten oder Bin­sen­de­cken gezo­gen sind.

Hat man nur klei­ne Quan­ti­tä­ten zu trock­nen, wo es nicht der Mühe und den Auf­wand lohn­te, die Wärm­stu­be zu heit­zen, da bedient man sich der unter dem Arti­kel Oefen ange­geb­nen Tro­cken­an­stalt im sand­lee­ren Digesto­ri­um, oder der damit in Ver­bin­dung gesetz­ten eiser­nen Tro­cken­plat­te, der man die Hit­ze von 100° Fahr. giebt.

Die­se Vor­rich­tung ist zur Trock­nung der Blu­men­blät­ter und blü­hen­den, aro­ma­ti­schen Kraut­spit­zen sehr dien­lich, wel­che bei lang­sa­mer Trock­nung auf dem Haus­bo­den, unter ein­fal­len­der kal­ten und reg-nich­ten Wit­te­rung, sehr viel an Far­be, Geruch und Kräf­ten zu ver­lie­ren pfle­gen. Im Som­mer aber, bei anhal­ten­dem Son­nen­schei­ne, kön­nen sie sehr wohl auch auf dem beschrieb­nen Tro­cken­bo­den im hei­ßen, luf­ti­gen Schat­ten bin­nen einem oder zwei Tagen getrock­net wer­den, wenn man sie, auf Papier­bo­gen (mit kas­ten­för­mig auf­ge­bo­ge­nen Rän­dern) locker aus­ge­brei­tet auf dem Netz­ge­flech­te der Räh­men hin­stellt, gewöhn­lich ohne daß es nöthig wäre, sie oft um zu wen­den; wie denn, z.B. die Hol­lun­der­blüt­hen unum­ge-wandt weni­ger von ihrer natür­li­chen Far­be verlieren.

Wie die fri­schen Vege­ta­bi­li­en durch Able­sen des Ver­dor­be­nen, durch Abput­zen der unnüt­zen Thei­le und Abspüh­len in Was­ser gerei­nigt und zum Trock­nen vor­be­rei­tet wer­den, sehe man nach unter dem Arti­kel: Sam­meln, und in Absicht ihrer Auf­be­wah­rung, den Arti­kel: Gefäße.

Meh­re­re Kräu­ter ertra­gen ohne Ver­lust aller ihrer arz­nei­li­chen Bestandt­hei­le das Trock­nen gar nicht am wenigs­ten die kreß­ar­ti­gen, wor­un­ter die aus den Gat­tun­gen Lepi­di­um, Ery­si­mum, Coch­lea­riaund meh­re­re Arten von Sisym­bri­umsind; eben so unnütz ist das getrock­ne­te Kraut von Bach­bun­geneh­ren­preiß, Herz­freud­bo­retsch, Peter­sil­ge­ppich, Glatt­bin­gel und and­rer. Man bedient sich ihrer am bes­ten nur frisch. Selbst eini­ge Wur­zeln kön­nen das Trock­nen nicht ver­tra­gen, ohne kraft­los zu wer­den, wie die von der Pfingst­ro­sen­päo­ne, dem Fle­cken­a­ron, dem Schlan­gen-aron und dem Mär­ret­tig. Die­se müs­sen im trock­nen San­de ver­schar­ret, im Kel­ler auf­be­wahrt, und so jeder­zeit frisch zum Gebrau­che her­bei geholt wer­den. Eini­ge Kräu­ter wer­den größ­tent­heils nur frisch zu Prä­pa­ra­ten oder zur Gewin­nung der Pro­duk­te von ihnen, ver­braucht, weil sie bei jeder Art von Trock­nen all­zu viel von ihren duf­ten­den Gewürzthei­len ver­lie­ren z.B. die Hirn­kraut­ba­si­lie, der Erd­e­pheu­gun­der-man, die Zitron­me­lis­se, der Skor­dien­ga­man­der, u.s.w. Eini­ge Blu­men ver­lie­ren durchs Trock­nen ihren gan­zen Geruch, z.B. die Lin­den­blüt­hen, die Blu­men­blät­ter der Weiß­li­lie, der Kron­veil­re­be, des Weiß­jas­mins; blos frisch kann man sie zu destil­lir­ten Was­sern nutzen.

In ihrer völ­li­gen Rei­fe abge­nom­me­ne Samen bedür­fen kei­nes Trock­nens, blos der Auf­be­wah­rung in ver­schlos­se­nen trock­nen Behältern.

Eini­ge Pflan­zen, deren arz­nei­li­che Kraft blos auf leicht ver­flieg­ba­ren, an der Luft bald ver­gäng­li­chen Grundt­hei­len beruht, müs­sen gleich nach dem ers­ten Trock­nen gepül­vert, und so in ver­kork­ten Fla­schen auf­be­wahrt wer­den, z.B. der Fleckenschierling.

Geruch­vol­le fei­ne Pflan­zen, wel­che jähr­lich frisch zu haben sind, dür­fen nicht über Ein Jahr auf­ge­ho­ben wer­den; alle Jah­re muß man von ihnen den nöthi­gen Vor­rath frisch trock­nen, die über­jäh­ri­gen Kräu­ter die­ser Art aber weg­schüt­ten oder verbrennen.