Herbert Fritsche: Ein Querdenker aus Leidenschaft

Her­bert Fritsche

Kennt noch jemand Her­bert Frit­sche? Nein? Selt­sam eigent­lich! In den Nach­kriegs­jahr­zehn­ten erreich­ten sei­ne bedeu­tends­ten Bücher hohe Auf­la­gen bei renom­mier­ten Ver­la­gen. Sein rie­si­ges feuil­le­to­nis­ti­sches Werk strahl­te bis in “Die Zeit”, “Die Welt” oder den “Spie­gel” hin­ein. Frit­sche führ­te eine inten­si­ve Kor­re­spon­denz mit Mar­tin Buber, Ernst Jün­ger, Ernst Klett und vie­len ande­ren, war mit Gott­fried Benn und Ger­hard Nebel befreun­det, ver­stand sich als Schü­ler Gus­tav Mey­rinks und Alfred Kubins, kurz, war eine Grö­ße, eine Schnitt­stel­le im intel­lek­tu­el­len Leben Deutsch­lands der 30er bis 60er Jahre.

Sei­ne Inter­es­sen waren weit gefä­chert. Früh­reif ver­öf­fent­lich­te der 18-jäh­ri­ge meh­re­re Gedicht­bän­de, mit 23 wag­te er sich bereits an ein “Klei­nes Lehr­buch der wei­ßen Magie” und von da an arbei­te­te er wie ein Ber­ser­ker, ver­fass­te zahl­rei­che Bücher und tau­sen­de Arti­kel und ver­gaß über alle­dem, sich in eige­ner Sache stark zu machen. Nie nahm er ein Blatt vor den Mund, wenn es ein Argu­ment zu ver­tei­di­gen galt. Der zier­li­che, oft kränk­li­che Mensch leb­te in sei­ner Matrat­zen­gruft, saß auf dem Bett, hack­te 16 Stun­den am Tag in sei­ne Schreib­ma­schi­ne, kam aber nie auf die Idee, sich zu ver­mark­ten, die Öffent­lich­keit zu suchen.

Im Jah­re 2015, mehr als 55 Jah­re nach sei­nem Tod – er, der sein Leben in Sie­ben­jah­res­schrit­ten bemaß, starb im geseg­ne­ten Alter von 49 Jah­ren – könn­te sich die­se Situa­ti­on ändern, denn nun lie­gen Frit­sches gesam­mel­te Wer­ke in 17 Bän­den, nebst drei volu­mi­nö­ser Brief­bän­de und einer umfang­rei­chen Bio­gra­fie end­lich geschlos­sen vor, in nur drei Jah­ren her­aus­ge­ge­ben von Wer­ner Zach­mann.

Mit dabei ist Frit­sches ori­gi­nel­le Anthro­po­lo­gie der Grenz­wis­sen­schaf­ten, jener “Erst­ge­bo­re­ne”, der sein größ­ter Erfolg war. Auch die Bio­gra­fie Hah­ne­manns, des Urva­ters der Homöo­pa­thie, die nicht kau­sal, son­dern entel­echal argu­men­tiert, gilt es her­vor­zu­he­ben: nir­gend­wo sonst wird man das Wesen und die inne­ren Para­do­xa der Homöo­pa­thie bes­ser erklärt fin­den. Frit­sche selbst hielt “Die Erhö­hung der Schlan­ge” für sei­ne sum­ma und sein opus magnum. In ihr ent­wirft er eine “Homöo­pa­thia Divina”, eine tran­szen­den­ta­le Homöo­pa­thie, deren Grund­prin­zip “Simi­lia Simi­li­bus Curen­tur” er onto­lo­gisch und im Chris­tus auch theo­lo­gisch ver­wirk­licht sieht. Gro­ßes Auf­se­hen, vor allem im bür­ger­li­chen Flü­gel der bun­des­deut­schen Intel­li­genz, erreg­te auch sei­ne groß­an­ge­leg­te tier­psy­cho­lo­gi­sche Stu­die “Tier­see­le und Schöp­fungs­ge­heim­nis”, in wel­cher er das Tier “im Ban­ne des Men­schen” beschreibt und nicht den Men­schen als zoon oder ani­ma­le.

Über­haupt war Frit­sche ein Quer­den­ker, ein Umwer­ter – nie gab er sich mit aner­kann­ten Ein­sich­ten zufrie­den, ganz gleich ob es sich um Phi­lo­so­phie, Heil­kun­de, Diä­te­tik, um Lebens­re­form, Eso­te­rik, Bio­lo­gie oder Psy­cho­lo­gie han­del­te. Frit­sche war Selbst­den­ker aus Pas­si­on – was ihm im Übri­gen eini­ge Wochen “Schutz­haft” einbrachte.

Auch sein Leben, arm an äuße­ren, reich an inne­ren Ereig­nis­sen, ist es wert erzählt zu wer­den. Es gibt ver­schie­de­ne Pha­sen sei­nes Schaf­fens. Sie­ben (!) Jah­re lang arbei­te­te er in Buch­in­gers Fas­ten­kli­nik, pre­dig­te Ver­zicht, ein frü­her Vega­ner und Anti­al­ko­ho­li­ker, bis er auf eine Pati­en­tin mit ero­ti­schem Magne­tis­mus traf: Man lan­de­te noch in der­sel­ben Nacht im Bett – das eksta­ti­sche sexu­el­le Erleb­nis lös­te alle Span­nun­gen. Frit­sche ver­ließ den Fas­ten­papst, begann Wein und Fleisch (in Maßen) zu schät­zen und lern­te sei­ne Lek­ti­on. Mehr als 600 Sei­ten umfasst Zach­manns Brief­bio­gra­fie, in der er Frit­sche weit­läu­fig selbst zu Wort kom­men ließ. Der hat­te näm­lich die Ange­wohn­heit, sei­ten­lan­ge Brie­fe zu schrei­ben, selbst wenn die Per­son im Nach­bar­zim­mer saß. Ein Ori­gi­nal eben!

• Her­bert Frit­sche Gesamt­aus­ga­be. edi­ti­on win­ter­werk 2011–2014, 17 Bän­de. € 278,80 (Sub­skrip­ti­ons­preis).
https://www.herbert-fritsche.de/gesamtausgabe.php

• Her­bert Frit­sche: Brie­fe (3 Bän­de, 1.212 S.). Zach­mann, 2014. € 92,70 (Sub­skrip­ti­ons­preis).
https://www.herbert-fritsche.de/briefdokumente.php

• Wer­ner Zach­mann: Meta­phy­sik des Schei­terns. Leben und Werk des Grenz­gän­gers Her­bert Frit­sche (Bio­gra­phie). Wol­len­haupt 2011 , 612 Sei­ten, Soft­co­ver, 28,90 €.
https://www.herbert-fritsche.de/biographie.php

Autor
• Wer­ner Zach­mann, Salem 2018, für Heilpflanzen-Welt.de (2018).

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