Arzneipflanzen-Merkblätter des Kaiserlichen Gesundheitsamts: Nr. 24, Bilsenkrautblätter (1917)

Bil­sen­kraut­blät­ter

Das Bil­sen­kraut, Hyos­cya­mus niger L., ist ent­we­der ein­jäh­rig oder zwei­jäh­rig; die zwei­fa­che Art bil­det im ers­ten Jahr nur eine gro­ße Rosette von dicht gedräng­ten Blät­tern, aus deren Mit­te dann im zwei­ten der Sten­gel her­vor­bricht. Der aus einer dicken Pfahl­wur­zel ent­sprin­gen­de Sten­gel ist auf­recht, weich und grün, ½ ‑1 m hoch; er ist mit Drü­sen­haa­ren besetzt und fühlt sich schmie­rig an; er ist unver­zweigt oder oben in 2–3 Aste geteilt. Die Blät­ter der Grund­ro­set­te sind 15–20 oder sogar bis 30 cm lang, 8–15 cm breit, und mit 4–6 cm lan­gem Stie­len ver­se­hen. Die Sten­gel­blät­ter neh­men, je näher sie der Spit­ze des Sten­gels ste­hen, an Grö­ße all­mäh­lich stark ab; sie sind nicht gestielt, umfas­sen breit den Sten­gel und sind eiför­mig, zuge­spitzt und dick­krau­tig. Die Blät­ter tra­gen auf bei­den Sei­ten 2–4 gro­ße zahn­för­mi­ge Spit­zen; sie sind mehr oder weni­ger stark mit kleb­ri­gen Drü­sen­haa­ren besetzt. Die am Ende des Sten­gels ste­hen­den Blü­ten haben einen nur 1 mm lan­gen Blü­ten­stiel; der Kelch ist 1–1,5 cm lang, grün, zeigt die Form eines Kru­ges und hat fünf zahn­för­mi­ge Spit­zen; die Blu­men­kro­ne ist 2–2,5 cm lang, meist trüb­gelb mit pur­pur­ro­tem oder vio­let­tem Schlun­de und einem dich­ten pur­pur­ro­ten oder vio­let­ten Ader­netz; sel­te­ner ist sie mehr oder weni­ger rein gelb; sie trägt fünf stump­fe Lap­pen. Die Frucht ist 1–1,5 cm lang, 1–1,2 cm dick, eiför­mig; sie wird von dem unte­ren Teil des bau­chi­gen Kel­ches dicht umschlos­sen und ist von einem knor­pe­li­gen Deckel gekrönt, der bei der Rei­fe abfällt, so daß die zahl­lo­sen, klei­nen, bräun­lich­grü­nen Samen freiliegen.

Das Bil­sen­kraut ist in Deutsch­land auf Schutt­plät­zen, in Dorf­stra­ßen, an Zäu­nen über­all hei­misch und tritt stel­len­wei­se in gro­ßen Men­gen auf, kann aber an den­sel­ben Orten im nächs­ten Jah­re voll­stän­dig ver­schwun­den sein. Es ist des­halb nicht leicht, grö­ße­re Men­gen der Dro­ge zu sammeln.

Die Blät­ter der sehr gif­ti­gen Pflan­ze wer­den zur Blü­te­zeit im Juli und August vor­sich­tig gesam­melt und auf war­men, gut gelüf­te­ten Böden getrock­net. Sie rie­chen sehr unan­ge­nehm, betäu­bend und müs­sen, um Unglücks­fäl­le zu ver­mei­den, beim Sam­meln, Trock­nen und Auf­be­wah­ren mit gro­ßer Vor­sicht behan­delt werden.

Da die Blät­ter von der blü­hen­den, dann gut kennt­li­chen Pflan­ze gesam­melt wer­den sol­len, ist eine Ver­wechs­lung kaum mög­lich. Das Sam­meln darf jedoch nur von Erwach­se­nen aus­ge­führt wer­den, deren Hän­de durch Hand­schu­he geschützt sind.

Beach­tet beim Sam­meln die in einem beson­de­ren Merk­blatt zusam­men­ge­stell­ten all­ge­mei­nen Regeln. Schont beim Sam­meln die Fel­der und Äcker. Geht nicht beim Sam­meln in die Fel­der hin­ein, sam­melt nur, was am Ran­de steht, reißt nicht die gan­zen Pflan­zen aus, wenn ihr nur die Blü­ten oder Blät­ter zu sam­meln braucht. Beschä­digt die Bäu­me nicht und reißt von ihnen kei­ne Äste ab. Sam­melt nur, wo die Pflan­zen zahl­reich vor­kom­men, laßt ver­ein­zel­te ste­hen, rot­tet sie nicht aus.

Quel­len
Arz­n­ei­pflan­­zen-Mer­k­­blä­t­­ter des Kai­ser­li­chen Gesund­heits­amts /​​ Bearb. in Gemein­schaft mit d. Arz­n­ei­pflan­­zen-Aus­­­schuß d. Deut­schen Phar­ma­zeut. Gesell­schaft Ber­­lin-Dah­­lem. Sprin­ger, Ber­lin, 1917.

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