Echte Kamille (Chamomilla recutita)
Echte Kamille ist neben Pfefferminze eine der am häufigsten verwendeten Heilpflanzen in Deutschland. Die meisten Menschen haben schon in frühester Kindheit Erfahrung mit ihr gemacht: Beispielsweise ist eines der wirksamsten, schonenden Mittel gegen einen wunden Baby-Po ein Bad im lauwarmen Wasser mit Kamille-Zusatz.
Chamomilla recutita L., wie die Pflanzenkennzeichnung nach Linné lautet, hat ein breites Anwendungs- und Wirkungsspektrum (siehe unseren Beitrag Kamille: Sie heilt und heilt). Doch Kamille ist nicht gleich Kamille, wie der Chemiker und Heilpflanzenexperte Dr. rer. nat. Uwe Gasser, Bad Wörishofen, zu berichten weiß. Wichtiges und Wissenswertes rund um das “Allheilmittel”:
Jedes Jahr werden etwa mehrere 100 Tonnen Kamille allein in Deutschland verarbeitet. Als Multi-Talent unter den Heilpflanzen ist sie in unterschiedlichsten Produkten wie Salben, Extrakten, Badezusätzen, Ölen und Tees zu finden. Weltweit sind vier Haupt-Anbaugebiete wichtig: Argentinien, Ägypten, Chile und Länder des ehemaligen Jugoslawiens. In der Vergangenheit “gab es häufiger Qualitätsprobleme”, sagt Gasser, Laborleiter des Labors für Rückstands- und Spurenanalytik (Kneipp-Werke). “Es wurden beispielsweise oft Schwermetalle oder Pestizide nachgewiesen”. Forderungen von Verbrauchern nach möglichst “natürlich” angebauten Pflanzen, und gesetzliche Bestimmungen machten die Suche nach Alternativen nötig. Hersteller von Kamille-Produkten fanden sie im heimischen Anbau. Extra Züchtungen wie die Sorten “Bodegold” oder “Manzana”, die sich durch einen hohen Anteil an ätherischen Ölen auszeichnen, sichern deutschen Anbauern gute Erträge.
Beispiel Tee
Echter Kamillentee
Kamille kann als Tee entweder offen (z. B. in der Apotheke) oder in Filterbeuteln gekauft werden. “Manchmal besteht das Vorurteil, dass es sich bei Kamille in Beuteln um kleingeschnittenen Abfall handelt”, sagt Gasser, “das ist falsch”. Der einzige Unterschied liegt in der Schnittgröße der Kamillenköpfchen. Nur diese haben heilende Wirkung und werden verwendet. Die Schnittgröße hat allerdings Auswirkungen: Der feine Teebeutel-Schnitt hat eine größere Oberfläche. Deshalb gehen die Wirkstoffe beim Aufbrühen schneller ins Wasser über. Während beim Teebeutel das Ziehen in der Tasse zwei Minuten dauert, braucht loser Tee etwa fünf bis zehn Minuten. “Kamillentee eignet sich nicht zum täglichen Genuss als vorbeugende Maßnahme”, betont Gasser. “Er sollte abwechselnd mit anderen Kräutertees oder nur bei Unwohlsein oder Krankheit verwendet werden”.
Lebens- und Arzneimittel
Beim Kauf von Kamillentee muss grundsätzlich zwischen zwei Qualitätsstufen unterschieden werden: Lebensmittelqualität (Anteil ätherisches Öl mind. 0,2%, verwendet werden Kamilleköpfchen und ‑Kraut, billiger) und “Arzneimittelqualität” (Anteil ätherisches Öl mind. 0,4%, Verwendung nur Kamilleköpfchen). Wenn Kamille ihre heilenden Fähigkeiten entwickeln soll, sollte “Arzneitee” gekauft werden. D.h. auf der Packung müssen Indikationen oder Anwendungen angegeben sein. Die Beutel des Arzneitees sind außerdem zum Schutz vor Wirkstoff-Verlust einzeln und aromadicht verpackt. Wichtig ist es, die Kamille dann zu kaufen, wenn sie gebraucht wird. Offene Packungen sollten nicht über das angegebene Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus in der Hausapotheke gelagert werden.
Für Sammler
Kamille ist in unseren Breitengraden seit langem heimisch und hat sich bestens an das Klima angepasst. Deshalb entwickelt sie auch bei uns genügend ätherische Öle. Kamille kann selbst gesammelt werden. Die Pflanze ist überall in Deutschland zu finden. Sie bevorzugt magere Böden und hat sich sogar so verbreitet, dass Bauern ihr teilweise als gefürchtetes Ackerunkraut mit Herbiziden zu Leibe rücken. Selbst ‑Sammler sollten dies berücksichtigen und nur dort sammeln, wo keine Herbizide versprüht werden. Außerdem ist zu beachten: Die Kamille ist nur dann echt, wenn das Blütenköpfchen beim Spalten einen hohlen Blütenboden hat. Die unechte sogenannte Hunds-Kamille hat einen gefüllten Blütenboden. Sie hat keine heilende Wirkung und riecht außerdem ziemlich streng. “In Zweifelsfällen kann ein Bestimmungs-Buch zu Rate gezogen werden”, sagt Gasser. Es sollen übrigens nur die Kamille-Köpfchen gesammelt werden. Sie werden getrocknet und nach dem Entfernen der trockenen Blütenblätter in dicht schließenden Gläsern dunkel gelagert. Auf diese Weise hält sie sich bis zu einem Jahr.
Autorin
• Marion Kaden, Heilpflanzen-Welt (2003).
Quellen
Interview Dr. Uwe Gasser, Laborleiter des Labors für Rückstands- und Spurenanalytik (Kneipp-Werke), Bad Wörishofen.