Weißmangold

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Weiß­m­an­gold, Beta Cic­la, L. mit zu drei bis vier bei­sam­men ste­hen­den Blüth­chen und unge­zahn­ten Blu­men­blätt­chen; ein ursprüng­lich in Por­tu­gal am Tago ein­hei­mi­sches Som­mer­ge­wächs meh­re­re Fuß hoch, wel­ches im July und August blüht.

Man hat die breit­rib­bi­gen, glat­ten Blät­ter (Fol. Betae, Betae albae, Cic­lae) unter die erwei­chen­den Kräu­ter gezählt, sie als ein Leib eröf­nen­des Gemüß ver­ord­net (des­sen reich­li­cher Genuß aber den Magen schwächt und beschwert), die fri­schen Blät­ter auf die von Kant­ha­ri­den gezo­ge­nen Bla­sen­stel­len zur Küh­lung gelegt und den aus­ge­preß­ten Saft als Nie­se­mit­tel zur Schleim­ab­füh­rung aus der Nase gebraucht.

Die gro­ßen, inner­lich weiß­lich­ten, mit rothen Rin­gen auf dem Durch­schnit­te gezeich­ne­ten Wur­zeln vor­züg­lich der größ­ten Spiel­art, der Dick­rü­ben, Run­kel­rü­ben oder Rum­mel, d.i. der soge­nann­ten Beta altis-sima. [Kör­ner, Oeko­nom. Gewäch­se tab. 235] sind von sehr süßem Geschma­cke. Unge­ach­tet sie bis­her blos als eine der dien­lichs­ten Vieh­füt­te­run­gen dien­ten, so wahr doch schon Mar­graf der Zucker­be­rei­tung dar­aus sehr nahe bis Achard in den lez­tern Jah­ren die Ver­fer­ti­gung des Run­kel­rü­ben­zu­ckers (Sac­charum Betae) mehr aufs Rei­ne brach­te. Indeß wird die Ver­fer­ti­gung des Zuckers aus dem aus­ge­preß­ten Saf­te, der nicht so wie der ein­ge­deck­te Zucker­rohr­saft bei der Ver­küh­lung gleich zu Mehl­zu­cker gerinnt, son­dern mit einer gro­ßen Men­ge zähen aus­zug­ar­ti­gen Stof­fes über­la­den ist, immer mit vie­len Schwie­rig­kei­ten zu kämp­fen haben, und nie die unge­heu­ern Vort-hei­le gewäh­ren, die die ers­te Ankün­di­gung davon ver­sprach. Am bes­ten noch gelangt man zum Zwe­cke, wenn man den aus der durch irgend ein Schnei­de- und Stampf­werk zu Brei zer­klein­ten fri­schen Wur­zel aus­ge­preß­ten Saft gleich nach der Aus­pres­sung (weil er schnell in Zucker zer­stö­ren­de Gäh­rung über­geht) zuerst ins Kochen bringt (unter flei­si­ger Abnah­me des Schaums wäh­rend dem anfäng­li­chen Sie­den), dann aber ohne fer­ne­res Kochen bei gemä­sig­tem, lang­sa­mem Feu­er in sehr fla­chen kup­fer­nen (oder eiser­nen?) blank­ge­scheu­er­ten Pfan­nen bis zur dün­nen Sirups­di­cke unter ste­tem Umrüh­ren ein­sie­det, den dün­nen Sirup in fla­chen stein­zeug­nen Näp­fen in der Wärm­stu­be (w.s.) bei einer Luft­wär­me von etwa 200° Fahr. all­mäh­lich vor sich ver­duns­ten läßt, und, wenn eine her­aus­ge­nom­me­ne Pro­be viel klei­ne Krystal­len zwi­schen den Fin­gern zeigt, den gan­zen Inhalt der Näp­fe in hänf­e­ne Säcke füllt, die man in der­sel­ben Tem­pe­ra­tur (von 200° Fahr.) in der Wärm­stu­be auf etwas schief gestell­te Tische mit erha­be­nen Rän­dern legt, und sie mit einem Bre­te, die­ses aber anfäng­lich mit klei­nen, so wie aber der meis­te Sirup durch­ge­ron­nen ist, mit grö­ßern Gewich­ten beschwert, da dann bei die­sem gelin­dem, all­mäh­li­chem Dru­cke und bei die­ser hohen Wär­me der Sirup sich ziem­lich rein abson­dern läßt. Der in den Säcken ent­hal­te­ne brau­ne Mehl- oder viel­mehr Krystal­len­zu­cker wird dann auf Art des Zucker­rohr­zu­ckers raf­fi­nirt durch Auf­lö­sen in Kalk­was­ser, Abschäu­men mit Eiweiß, Gaar­sie­den in Kes­seln mit Auf­sät­zen, Anschie­ßen in thö­ner­nen Zucker­hut­for­men, Abzap­fen des Sirups, und Rei­ni­gung durch auf­ge­tra­ge­nen Thonbrei.

Der Sirup kann fer­ner abge­duns­tet wer­den, wenn er noch Aus­beu­te ver­spricht. Ihn aber so schlecht­hin statt äch­ten Zucker­si­rups zu Spei­sen anzu­wen­den, scheint bedenk­lich, da die Arz­nei­kraft dar­in, wel­che in dem Krau­te so hef­ti­ges, zuwei­len all­zu hef­ti­ges, bedenk­li­ches Nie­sen erregt, durch die ange­wen­de­te Hit­ze bei der Berei­tung nicht so weit zer­stört zu seyn scheint, daß sich davon für die Gesund­heit nichts wei­ter befürch­ten lie­ße. Siche­rer könn­te er mit Was­ser ver­dünnt und mit Hefen ange­stellt in Gäh­rung gebracht und dann eine ansehn­li­che Men­ge Brannt­wein durch Destil­la­ti­on dar­aus gezo­gen werden.

Nächst­dem ist es nicht unwahr­schein­lich, daß die geschnit­te­nen und behut­sam getrock­ne­ten Wur­zeln an der Ober­flä­che ihren Zucker aus­blü­hen las­sen wer­den, der sich dann leicht mit Was­ser abwa­schen, die­se Auf­lö­sung aber sich zu Zucker ver­sie­den las­sen wird, ohne von gro­ben aus­zug­ar­ti­gen Stof­fen gehin­dert zu werden.

Der aus Rün­kel­rü­ben gezo­ge­ne und raf­fi­nir­te Zucker ist mit dem aus Zucker­roh­re an Eigen­schaf­ten über­ein­stim­mend, wie es auch die Zucker­ar­ten aus andern Gewäch­sen sind, wenn man sie in gehö­ri­gen Rei-nig­keit vergleicht.

Eini­ge wol­len die zwei­te Abart der Beta Cic­lamit blaß­grü­nen Blät­tern, den Schweit­zer­m­an­gold oder der ita­lie­ni­sche (römi­sche) Bete zur Zucker­be­rei­tung vor­zie­hen. Die­se Wur­zel ist zwar klei­ner, aber wei­ßer und süßer.