Theestrauch

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Theestrauch. Es gie­bt zwei Sträu­cher die­ses Nah­mens, von denen man noch nicht weiß, ob sie nur als Varie­tä­ten, oder als Spe­zi­es ver­schie­den sind. Der eine: Thea Bohea, L. [Amoe­nit. acad.VII S. 236 Ic.]mit sechs­blät­te­ri­gen Blu­men an Gestalt den Blu­men der Hage­but­ten­ro­se ähn­lich und von wei­ßer Far­be; ein in Japan und Chi­na ein­hei­mi­scher, manns­ho­her, baum­ar­ti­ger Strauch, des­sen Blät­ter oval, rauh und dunk­ler grün seyn sol­len. Der ande­re: Thea viri­dis, L. [Reg­nault, Botan. tab. 317] mit neun (oder viel­mehr vier bis sechs, gewöhn­lich fünf) Blu­men­blät­tern; ein blos in Chi­na ein­hei­mi­scher baum­ar­ti­ger Strauch, wel­cher schwe­fel­gel­be (?) Blu­men und läng­licht ova­le, hel­ler grü­ne, glat­te Blät­ter haben soll. Noch zwei­fel­haf­ter ist es, ob die im Han­del befind­li­chen Theesor­ten den Grund ihrer Ver­schie­den­heit daher ent­leh­nen, daß die eine Sor­te (etwa der Thee­bou?) von ersterm Strau­che, die and­re (etwa der grü­ne Thee?) von lez­term genom­men wer­de. Glaub­li­cher ist es, daß die Ver­schie­den­heit der Theesor­ten mehr von dem Stand­or­te der Sträu­cher, ihrem ver­schied­nen Alter, der Grö­ße der Blät­ter, der Samm­lungs­jahrs­zeit und der Zube­rei­tung und Trock­nungs­art abhange.

So viel ist gewiß, daß die zar­tes­ten und kaum ent­fal­te­ten, zu Aus­gan­ge des Febru­ars oder Anfangs März abge­pflück­ten Blät­ter den feins­ten Thee, die soge­nann­te Thee­blü­t­he oder Kai­ser­thee (Thea cae­sa-rea, Flos theae) geben, wel­cher fast nie in den Han­del kömmt. Die andern bis zum Mai gesam­mel­ten Blät­ter wer­den aus­ge­le­sen und zu ver­schied­nen Sor­ten abget­heilt. Hie­von hat man zwei Haupt­sor­ten. Die ers­te ist der Bohe­thee (Thea Bohea, Thea fus­ca, Thee­bou) von dun­kel­brau­ner Far­be, zusam­men­zie­hen­dem Geschma­cke und rosen­ar­ti­gem Geru­che und sei­ne Unter­ar­ten, die gerings­te: der gemei­ne Thee­bou (Moji), der Con­go, der Pecko, und die theu­ers­te und bes­te, der Sootchuen (Sui­schong).

Die zwei­te Sor­te ist der grü­ne Thee (Thea viri­dis), des­sen Blät­ter krau­ser, und grü­ner, ins bläu­lich­te spie­len, nach Veil­chen rie­chen und dem kochen­den Was­ser eine grün­lich­te Far­be mitt­hei­len, und sei­ne Unter­ar­ten, die gerings­te: der Sing­lo (Son­glo), der Bing und die bes­te, der Hy-tiann (Heysan).

Auf eiser­nen, über Oefen erhitz­ten Plat­ten wer­den die frisch gepflück­ten Blät­ter schnell umge­wen­det, und, wenn sie durch­aus erhitzt sind, auf Bin­sen­de­cken (über Tische gebrei­tet) gerie­ben und zwi­schen den Hän­den gerollt – eine Ver­rich­tung, wel­che mehr­mahls von neu­em wie­der­holt wer­den soll, um dem Thee alle Feuch­tig­keit zu ent­zie­hen, und ihm die gekräu­sel­te Form dau­er­haft zu geben.

Die Plat­ten sol­len zum grü­nen Thee weni­ger erhitzt wer­den als zum The­bou; daher die brau­ne Far­be des lez­tern. Ob aber der bei den bes­ten Sor­ten so star­ke ange­neh­me Geruch aus den im fri­schen Zustan­de gru-sicht und etwas nar­ko­tisch rie­chen­den Blät­tern durch die Dörr­hit­ze sich von selbst ent­wi­cke­le, oder ob er ihnen von jenen Völ­kern durch Benet­zung des dür­ren Thees mit einer Tink­tur der Olea fra­grans, L. oder der Camel­lia japo­nicakünst­lich mit­get­heilt wer­de, ist noch unent­schie­den, wie­wohl lez­te­res das wahr­schein­lichs­te ist. Am grü­nen Thee ist der Geruch stär­ker als am The­bou, lez­te­rer ent­hält hin­ge­gen mehr ad-strin­gi­ren­den Grund­stoff, an 61/​2 Quent­chen in zwei Unzen; der grü­ne nur 51/​2 Quent­chen in glei­cher Menge.

Im Auf­gus­se ist die­ses Gall­äp­fel­prin­zip stark im Geschma­cke wahr­zu­neh­men, und nächst­dem eine eig­ne Bitterkeit.

In der Bit­ter­keit scheint die nar­ko­ti­sche Eigen­schaft der Thee­blät­ter zu lie­gen, wel­che so stark ist, daß sich die Chi­ne­ser ihrer zum Getränk nicht eher zu bedie­nen getrau­en, als bis sie nach vor­gän­gi­ger Rös­tung noch ein gan­zes Jahr auf­be­wah­ret wor­den sind. Der davon in Men­ge ver­schluck­te Staub und das Rie­chen gro­ßer Quan­ti­tä­ten Thee hat nicht sel­ten Schwin­del, Kopf­weh und para­ly­ti­sche und apo­plek­ti­sche Zufäl­le her­vor­ge­bracht, so wie ein stär­ke­rer Auf­guß, bei reitz-baren Per­so­nen, Sin­ken der Kräf­te, schnel­len Puls, Schwin­del, Schlaf­lo­sig­keit, Ver­drieß­lich­keit, Trau­rig­keit, Zit­tern, Angst, Brust­be­klem­mung, Trun­ken­heit, Gedächt­niß­schwä­che erregt, auch wohl Hys­te­rie und epi­lep­ti­sche Kon­vul­sio­nen erzeugt hat. Es ist sehr mög­lich, daß ein schwä­che­rer Auf­guß, von nicht ans Thee­trin­ken gewöhn­ten Per­so­nen genos­sen, glei­che Beschwer­den auch zu hei­len, wenigs­tens zu min­dern im Stan­de seyn könn­te; er wird aber sel­ten hie­zu ange­wen­det, und der unge­heu­re Mis­brauch der zwan­zig Mil­lio­nen Pfun­de Thee, die jähr­lich aus Ost­in­di­en zur euro­päi­schen Kon­sum­ti­on gehohlt wer­den, hin­dert eher die arz­nei­li­che Beob­ach­tung der Wir­kun­gen die­ses Krau­tes, statt sie ins Licht zu setzen.

Von den auf den The­emis­brauch beob­ach­te­ten chro­ni­schen Uebeln kömmt dem dazu ange­wen­de­ten hei­ßen Was­ser ein gro­ßer Theil zu Schul­den; aber wel­cher genau? ist noch nicht entschieden.

Sel­ten hat man sich des Thees zur Arz­nei (ohne Anwen­dung des hei­ßen Was­sers zum Auf­gus­se) bedient. Das Pul­ver des­sel­ben hat (zu 30 Gran) die fes­ten Thei­le erschlafft, Hit­ze und Schlaf­lo­sig­keit gemin­dert, und Schweiß erregt. Bei grö­ßern Gaben ent­ste­het Magen­drü­cken und Bre­cherlich­keit. Eben des­halb hat auch das Kau­en der rohen Thee­blät­ter, vor­züg­lich bei Schwan­gern, Magen­drü­cken geheilt. Der Thee­auf­guß beför­dert aus­ser der Haut­aus­düns­tung oft den Harn, und nimmt die Trun­ken­heit von geis­ti­gen Geträn­ken hin­weg. Doch alles dieß nur bei des Thee­trin­kens Unge­wohn­ten; oder man müß­te stär­ke­re Auf­güs­se als gewöhn­lich, wäh­len. Am bes­ten aber wäre es, wenn ja arz­nei­lich Anwen­dung vom Thee gemacht wer­den soll, sich der geis­ti­gen Tink­tur zu bedie­nen. Hie­zu wäre der Kara­wa­nen­thee, als die stärks­te Sor­te, vor­zu­zie­hen, wel­cher in Kiach­ta ein­ge­han­delt über Peters­burg in klei­nen Büch­sen ver­führt wird.

Der Theestrauch den die Chi­ne­ser in gro­ßen Plan­ta­gen zie­hen, und vom drit­ten Jah­re sei­nes Alters an bis in sein zehn­tes zum Blät­ter­pflü­cken nut­zen, wird auch schon seit eini­gen Jah­ren in Euro­pa, vor­züg­lich in Eng­land erzielt, doch nur im Klei­nen. Viel­leicht erlau­ben güns­ti­ge­re Umstän­de im wär­mern Euro­pa, bei gerin­germ, als in Eng­land gewöhn­li­chem Arbeits­loh­ne, grö­ße­re Pflan­zun­gen von die­ser unent­behr­lich gewor­de­nen Dro­gue im Frei­en anzu­le­gen, vor­züg­lich in der Nähe gro­ßer Ströh­me an jähen Bergabhängen.