Speichelseifenkraut

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Spei­chel­sei­fen­kraut, Sapo­na­ria offi­ci­na­lis L. [Zorn, pl. med. tab. 136] mit zylin­dri­schen Sten­geln, und ovall­an­zett­för­mi­gen Blät­tern, ein zwei Fuß hohes Kraut mit peren­ni­ren­der Wur­zel an wüs­ten Orten, an Wegen, und auf Däm­men, im Schat­ten an Zäu­nen, vor­züg­lich auf san­di­gem Boden in der Nähe von grö­ßern oder klei­nern flie­ßen­den Was­sern, wo es im Juny und July röth­lich und weiß blüht. Aus Gär­ten ist es, ein­mahl gepflanzt, fast nicht wie­der auszurotten.

Der jezt gebräuch­lichs­te Theil, die Wur­zel (Rad. Sapo­na­riae, rubrae, majo­ris laevis) ist lang, zylin­drisch, schief, krie­chend, eines klei­nen Fin­gers dick und dün­ner, oben mit einem in zwei ein­an­der gegen über ste­hen­de Aes­te get­heil­ten Kop­fe und mit ein­an­der gegen­über ste­hen­den Keim­kno­ten besetzt; äus­ser­lich röth­lich, oder hell­braun, inner­lich rings­um­her blaß­gelb, in der Mit­te weiß, frisch von schwa­chem Geru­che, tro­cken geruch­los, von süß­licht bit­ter­li­chem und gekaut, von schlei­mi­gem, etwas bei­ßen­dem Ge-schma­cke. Sie erregt den Spei­chel und macht ihn schäu­mig. Der Absud von der fri­schen oder getrock­ne­ten Wur­zel schäumt wie Seif­was­ser, wenn er geschla­gen wird, und nimmt alle Fett­fle­cke aus dem dar­in gerie­be­nen Zeu­ge, aber far­bi­ge Fle­cke nimmt er nicht hin­weg. Sei­ne schäu­men­de Eigen­schaft wird durch Säu­ren nicht hin­weg­ge­nom­men; eini­ger­ma­sen durch Lau­gen­sal­ze. Hier­aus erhel­let, wie vort­heil­haft sie zu tech­ni­schem Gebrau­che ange­wandt wer­den kön­ne, vor­züg­lich zu Rei­ni­gung seid­ner Zeu­ge, da die Sei­de ihre geschätz­te rau­schen­de Eigen­schaft dadurch erhält.

In eini­gen gicht­ar­ti­gen Beschwer­den (unbe­stimm­ter Art) und in den Nach­we­hen vom Mis­brau­che des Queck­sil­bers hat die Wur­zel, vor­züg­lich ihr Extrakt, wel­ches eine eig­ne, anhal­ten­de Schär­fe im Geschma­cke ver­ra­then soll, eini­ge siche­re Gewähr­män­ner vor sich; aber der von ihrer sei­fen­haf­ten Natur, aus­ser dem Kör­per ent­lehn­te, und von Muth­ma­sun­gen voll­ends erküns­tel­te Ruhm der­sel­ben in unge­seh­nen, unbe­stimm­ba­ren, oft blos erson­ne­nen Ver­stop­fun­gen der Ein­ge­wei­de des Unter­lei­bes (ein nicht selt­nes Asyl gewis­ser Prak­ti­ker) ver­dient um des­to mehr Rüge, da der ratio­nel­le Gebrauch einer kräf­ti­gen Pflan­ze (wie gewiß das Spei­chel­sei­fen­kraut ist) leicht durch so über­trieb­ne, unbe­stimm­te Lob­prei­sun­gen lei­den kann, wenn man die gerühm­ten Wun­der nicht wahr­nimmt. Eine ernst­li­che, beob­ach­ten­de Prü­fung die­ser Wur­zel von vor­urt­heil­frei­en, Ein­fach­heit lie­ben­den dia­gnos­ti­schen Aerz­ten ist daher ein gerech­ter Wunsch.

Das Kraut (Hb. Sapo­na­riae) ist blos in fri­schem Zustan­de von glei­chen Eigen­schaf­ten mit der Wur­zel, aber von dem getrock­ne­ten Krau­te schäumt das Dekokt nicht wie das des fri­schen Krau­tes oder der Wur­zel. Ver­muth­lich ist es daher mit den Kräf­ten der Wur­zel nur in fri­schem Zustan­de, oder im Dick­saf­te zu vergleichen.

Von Kraut und Wur­zel will man in ältern Zei­ten beim innern Gebrau­che Schweiß, Harn und Monat­zeit trei­ben­de Wir­kun­gen gese­hen haben; man wen­de­te sie äus­ser­lich als Nie­se­mit­tel und bei Flech­ten, Krätz­aus­schlä­gen, Brust­fis­teln und zur Zert­hei­lung eini­ger Geschwüls­te, inner­lich aber gegen Bleich­such­ten, Eng­brüs­tig­kei­ten und selbst gegen Fall­such­ten an, gegen wel­che lez­te­re man jedoch die klei­nen, rund­li­chen, röth­li­chen Samen noch hülf­rei­cher heilt, ein Quent­chen davon alle Mona­te ein­mahl vor dem Par­oxysm, drei Neu­mon­de nach­ein­an­der, eingenommen.

Häu­fig ist an die Stel­le die­ser Pflan­ze aus Unwis­sen­heit der Kräu­ter­samm­ler und Apo­the­ker die unkräf­ti­ge Lych­nis coro­na­ria L. (Marien­licht­rös­lein) genom­men wor­den, die sich jedoch leicht dadurch unter­schei­det, daß sie auf tho­nich­tem, nas­sem Boden wächst, ein Paar Mona­te frü­her blüht, kei­ne Zwit­ter­blu­men mit zwei Staub­we­gen, son­dern ent­we­der blos zehn männ­li­che Staub­fä­den in den Blu­men der einen, oder fünf Staub­we­gen allein in den Blu­men der andern Pflan­ze, und nicht drei Rib­ben in den Blät­tern, wohl aber oben ein­ge­kerb­te Blu­men­kron­blät­ter hat.

Auch vom Schacht­kohl­glied­weich hat man fälsch­lich die Wur­zel gesam­melt, wel­che dünn, lang, weiß­licht, und mit weni­gen Zasern besetzt ist.