Sennetkassie

Hahnemanns Apothekerlexikon
vorheriges KapitelZurückInhaltsverzeichnisWeiternächstes Kapitel

Sen­net­kas­sie, Cas­sia Sen­na, L. [Moris hist. pl.II. tab. 24. fig. I. 2.] mit sechs­paa­ri­gen ziem­lich ova­len Blät­tern, auf drü­sen­lo­sen Stie­len, ein in Ober­ägyp­ten ursprüng­lich ein­hei­mi­sches, vier Fuß hohes, strauch­ar­ti­ges Som­mer­ge­wächs, wel­ches in den süd­lichs­ten Gegen­den Euro­pens und Asi­ens gebau­et wird, und gel­be Blu­men mit pur­pur­ro­then Strei­fen trägt.

Die Blät­ter (Folia Sen­nae) wer­den nach ihrer Hei­math und ihrer Gestalt in meh­re­re Sor­ten unterschieden.

Die Alex­an­dri­ni­schen als die geschätz­tes­ten (Fol. sen­nae alex­an­dri­nae, auch Sen­ne de la Pal­te genannt von dem Tri­bu­te mit Nah­men Pal­te, den der Scheik für das Mono­pol ihres Ein­kaufs und ihrer Ver­sen­dung nach Euro­pa an den Groß­herrn ent­rich­tet) sind läng­lich oval, etwa einen Vier­tel­zoll breit und nicht völ­lig einen Zoll lang, endi­gen sich vor­ne in eine schar­fe Spit­ze, sind gelb­licht grün, fest, sanft anzu­füh­len, von einem beson­dern, etwas aro­ma­ti­schen Geru­che (der im Auf­gus­se wid­rig wird) und einem bit­ter­lich ekel­haf­ten, etwas schlei­mi­gen Geschma­cke. Sie kom­men von Cai­ro über Mar­seil­le, Livor­no und Venedig.

Die in der Gegend um Mocha in Ara­bi­en gezo­ge­nen, sind fast noch ein­mahl so lang, aber schmä­ler und spit­zi­ger als die Alex­an­dri­ni­schen. Man hält sie für schwä­cher an Kräf­ten, und für die gerings­te Sorte.

Die in der Bar­ba­rei im König­rei­che Tri­po­li gewon­nen wer­den, sind grö­ßer als die Alex­an­dri­ni­schen (denen man sie an Wert­he weit nach­setzt) etwas rauh anzu­füh­len, von blos grü­ner (nicht gelb­lich­ter) Far­be, an der Spit­ze stumpf und von gerin­gem Geruche.

Die Ita­lie­ni­schen, wel­che aus Ita­li­en und Pro­vence kom­men, sind breit, an dem Ende stumpf, mit star­ken Rib­ben durch­zo­gen, und gleich­wohl dün­ner und zer­brech­li­cher als die Alex­an­dri­ni­schen, wir­ken auch um ein Vier­tel schwä­cher als lez­te­re und sind von gerin-germ Geru­che, und schwä­cherm, mehr süß­lich­tem, als bit­ter­li­chem Geschmacke.

Die Ita­lie­ni­schen wür­den, des gerin­gern Wert­hes unge­ach­tet, den man auf sie im Han­del setzt, den­noch in gewis­sem Betrach­te den Alex­an­dri­ni­schen an die Sei­te gesetzt wer­den kön­nen, theils wegen des weit gerin­gern Prei­ses, theils weil sie einen weni­ger übel­schme­cken­den Auf­guß geben, theils auch, weil sie weit gerin­ge­res Knei­pen erre­gen sol­len; wenn sie nur nicht so häu­fig mit Blät­tern and­rer Gewäch­se von ähn­li­cher Gestalt ver­fälscht wür­den. Wählt man sie ja, so müs­sen sie ganz und unzer­bro­chen seyn, damit man ihre Gestalt beurt­hei­len kann; oft sind die Blät­ter des Sen­s­bla­sen­baums (w.s.) untergemischt.

Sind aber die Ita­lie­ni­schen frisch und unver­mischt, die Alex­an­dri­ni­schen hin­ge­gen, wie oft, ver­le­gen, so sind ers­te­re zum Arz­neige­brau­che vorzuziehen.

Die Sen­s­blät­ter in klei­nen Stück­chen (Fol. Sen­nae par­va) müs­sen als eine trüg­li­che Waa­re ver­mie­den wer­den, so wie die fle­cki­gen, abge­stor­be­nen, mode­ri­gen, mit Staub und Spä­nen ver­misch­ten überhaupt.

Ehe­dem lie­ßen die Aerz­te beim Gebrau­che alle Stie­le abson­dern (Fol. Sen­nae sine sti­pi­ti­bus), weil man ihnen die Leib­schmer­zen der Sen­s­blät­ter­de­kok­te zuschrieb. Sie sind aber unschul­dig hier­an, und man thut unrecht, die eben so kräf­ti­gen und eben so mil­den Stie­le weg­wer­fen zu lassen.

Die Sen­s­blät­ter las­sen bei der Destil­la­ti­on mit Was­ser 1/​79 ihres Gewichts an dick­li­chem, äthe­ri­schem Oele über­ge­hen, von hef­ti­gem Sen­s­blät­ter­ge­ru-che und Geschma­cke. Auf die­sem scheint der größ­te Theil ihrer abfüh­ren­den Kräf­te zu beru­hen. Die ehe­dem so stark, aber mit Unrecht gebräuch­li­che Form, die Sen­s­blät­ter als Dekokt zu ver­ord­nen, ist daher aus die­sem und andern Grün­den ver­werf­lich, theils weil je län­ger das Sie­den fort­ge­setzt wird, der Absud nun um des­to weni­ger abführt, und größ­tent­heils nur Knei­pen erregt, weil das pur­gi­ren­de Oel davon geht, und das grö­be­re, Knei­pen erre­gen­de Harz im Dekok­te frei läßt, theils weil lez­te­res nun weit schlei­mi­ger und ekel­haf­ter von Geschma­cke wird.

Der zehn­mi­nüt­li­che Auf­guß von zwei bis vier Quent­chen fein gepül­ver­ten Sen­s­blät­tern in vier bis sechs Unzen kochend hei­ßem Was­ser ist, durch Lösch­pa­pier in Lein­wand gelegt, fil­trirt, allen Dekok­ten in aller Absicht weit vor­zu­zie­hen. Wer nicht weiß, daß ein übler, aber unver­misch­ter Geschmack jedem Kran­ken lie­ber ist, und wer über­haupt die edle Ein­fach­heit nicht liebt, mag mei­net­we­gen noch Tama­rin­den, Zimmt und der­glei­chen hinzusetzen.

Was die Blät­ter der Was­ser­braun­wur­zel (wie die Bra­si­lia­ner, die die­se Pflan­ze Yque­ta­ya nen­nen, rüh­men) zur Ver­bes­se­rung des Ekel­haf­ten des Sen­s­blät­ter­thees bei­tra­gen, ist durch bestä­tig­te­re euro­päi­sche Erfah­run­gen nicht hin­läng­lich bekannt gewor­den, und noch zweifelhaft.

In Pul­ver gie­bt man die Sen­s­blät­ter sehr sel­ten; ich sehe nicht ein, warum?

Ueber­haupt weiß ich nicht, wie eine Pflan­zen­sub­stanz, wie die Sen­s­blät­ter, wel­che in so gro­ßer Gabe, um Wir­kung davon zu haben, genom­men wer­den muß, wel­che viel Hit­ze erregt, und einen so wid­ri­gen Geruch und Geschmack hat, wel­che von der lang­sams­ten Wir­kung ist, und in jeder Form nicht nur Bauch­knei­pen, son­dern auch ent­we­der gleich nach dem Ein­neh­men, oder doch, wenn die Wir­kung beginnt, eine krampf­haf­te Ver­schlie­ßung der Blä­hun­gen, eine Art schmerz­haf­ter Wind­ko­lik erregt, als Pur­gir­mit­tel zu einem so hohen und aus­ge­brei­te­ten Ruh­me hat gelan­gen können!

Von den Ara­bern schreibt sich noch der Gebrauch der von den Samen gerei­nig­ten Frucht­bäl­ge (Fol­li­cu­li Sen­nae) her, der auch neu­er­lich von den Fran­zo­sen wie­der auf­ge­bracht wor­den ist. Man wählt hie­zu nicht die gerin­gern tri­po­li­ta­ni­schen, wel­che mit schwar­zen und braun­ro­then Fle­cken besetzt, weni­ger grün, und klei­ner sind, als die alex­an­dri­ni­schen, son­dern die lez-tern. Die­se sind läng­lich­te, abge­run­de­te, sichel­för­mi­ge, flach­ge­drück­te, gelb­licht grün­li­che Hül­sen von etwas salz­haf­tem bit­term Geschma­cke und ohne Geruch. Sie sol­len schwä­cher wir­ken, als die Blät­ter, und mit weni­ger Bauchkneipen.