Röhrkassie

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Röhr­k­as­sie, Cas­sia Fis­tu­la, L. [Zorn, pl. med. tab. 511] mit fünf­paa­ri­gen, eiför­mi­gen, zuge­spitz­ten, glat­ten Blät­tern, deren Stie­le ohne Drü­sen sind, ein hoher Baum in Ost- und West­in­di­en und in Afri­ka, wel­cher trock­nen, fet­ten Boden liebt, und im Mai und Juni dun­kel­gel­be Blu­men trägt.

Die einen bis zwei Fuß lan­gen, einen Zoll dicken, wal­zen­för­mi­gen, längs auf der einen Sei­te mit einer Nath besetz­ten, braun­schwar­zen Scho­ten (Cas­sia, Cas­sia fis­tu­la, fis­tu­la­ris) ent­hal­ten inner­halb ihrer har­ten hol­zi­gen Scha­le ein wei­ches, schwar­zes, süßes Mark zwi­schen meh­rern Quer­schei­de­wän­den ein­ge­schlos­sen, wor­in braun­gel­be har­te Samen liegen.

Man schätz­te ehe­dem am meis­ten die ori­en­ta­li­sche oder levan­ti­sche Kas­sie, in den größ­ten und dicks­ten Hül­sen, aus Kam­ba­ja, Kan­an­or und andern Gegen­den Ost­in­di­ens; die alex­an­dri­ni­sche oder egyp­ti­sche in dün­nern, unreif ein­ge­sam­mel­ten Scho­ten ward weni­ger geach­tet. Seit aber die­ser Baum nach Ame­ri­ka ver­pflanzt wor­den, bekömmt man die­se Waa­re fast ein­zig aus die­sem Welt­t­hei­le, von wo die Scho­ten kür­zer und dicker, und obgleich am Geschma­cke bit­ter­lich, doch von mehr abfüh­ren­der Wir­kung sind. Unter letz­te­ren wird die bra­si­lia­ni­sche und mary­lan­di­sche Kas­sie in weit gerin­ge­rem Wert­he gehal­ten als die von den Antil­len, von Domi­nik, Mar­ti­nik, u.s.w. wel­che jetzt fast ganz allein im Han­del ist.

Man ver­wirft die runz­lich­ten Scho­ten und die von Wür­mern ange­sto­che­nen, am meis­ten aber die­je­ni­gen, deren Mark sau­er riecht oder schimm­licht ist. Gewöhn­lich tau­gen auch die­je­ni­gen nichts, deren Mark so ein­ge­trock­net ist, daß man die Samen beim Schüt­teln klap­pern hört. Doch ist das etwas ein­ge­trock­ne­te Mark nicht immer das untaug­lichs­te, und die etwas klap­pern­den Scho­ten sind nicht immer die ver­werf­lichs­ten, da das Mark zuwei­len wohl etwas tro­cken, aber nicht ver­dor­ben ist. Oft sind die schwe­ren, mit rei­chem Mar­ke ange­füll­ten die schlech­tes­ten, indem die betrüg­li­chen Dro­gu­is­ten die schon aus­ge­trock­ne­ten Scho­ten anzu­feuch­ten und in feuch­tem San­de in Kel­lern auf­zu­be­wah­ren wis­sen, wodurch das Mark zwar sich erweicht, aber nun in eine sau­re Gäh­rung über­zu­ge­hen geneigt wird.

Um das Mark aus der Kas­sie (Pul­pa cas­siae) zu gewin­nen, ist der natür­lichs­te und ein­fachs­te Weg, an die Scho­ten längs der Näh­te (der sicht­ba­ren Naht sowohl, als der undeut­li­chen gegen­über ste­hen­den) zu schla­gen, da sich dann die Scho­te in zwei Hälf­ten theilt, wor­aus das Mark mit einem höl­zer­nen oder bei­ner­nen Mes­ser her­aus­ge­schabt und durch ein Haar­sieb gedrückt wird, von den Häu­ten und Samen gerei­nigt (Cas­se en noyaux, mon­dée bei den Fran­zo­sen). Man erhält ein Vier­tel des dazu genom­me­nen Gewichts der Scho­ten, wel­ches sich nicht nur in Was­ser son­dern auch in Wein­geist auf­lößt. Eine and­re Art, das Mark zu berei­ten (die man aber bes­ser Extra­c­tum Cas­siae fis­tu­laenen­nen könn­te) besteht dar­in, daß man den her­aus­ge­schab­ten Inhalt der Scho­ten mit kal­tem oder lau­em Was­ser zusam­men­rührt, bis er auf­ge­lö­set ist, die Scha­len mit Was­ser aus­spühlt und bei­de Flüs­sig­kei­ten durch ein Haar­sieb gegos­sen über Feu­er bis zur Extrakt­di­cke abge­dampft. Die­se in Frank­reich gewöhn­li­che Art ist der in Deutsch­land übli­chen vor­zu­zie­hen, ver­mö­ge deren man die letzt­ge­dach­te Auf­lö­sung bis zur Honig­di­cke abdampft und dann glei­che Thei­le oder die Hälf­te Zucker zusetzt; wel­ches nicht nöthig wäre, wenn man nicht theils das Gewicht zu ver­meh­ren, theils die Säu­re des ver­dor­be­nen Mar­kes dadurch zu bemän­teln gedäch­te. And­re neh­men sogar hei­ßes Was­ser zur Auf­lö­sung des Inhalts der Scho­ten, und noch And­re, (wel­ches die gewöhn­lichs­te Ver­fah-rungs­art bei uns ist) kochen die klein­ge­sto­ße­nen Scho­ten (Inhalt und Scha­le zusam­men) mit Was­ser, um nach ihrer Mei­nung alles Auf­lös­ba­re des Mar­kes dar­aus zu erhal­ten, ehe sie die Abdamp­fung und Zucker­zu­mi­schung damit vor­neh­men. Aber in bei­den letz­tern Fäl­len löset sich viel von der Sub­stanz der Scha­le auf, in wel­cher zwar viel abfüh­ren­de Thei­le vor­han­den sind, die aber auch dem Ins­pis­sa­te einen wid­ri­gen, bar­schen Geschmack mittheilen.

Man gie­bt von dem ein­fa­chen, bloß durch­ge­drück­ten Mar­ke, so wie von dem Was­ser aus­ge­zo­gnen, eine bis zwei Unzen, gewöhn­lich in Auf­lö­sung und am bes­ten mit einem Zusatz von Man­na, die die abfüh­ren­den Kräf­te jener um Vie­les erhö­hen soll. Alle Auf­lö­sun­gen des Kas­si­en­mar­kes hal­ten sich aber kaum einen Tag, da sie leich­ter als irgend eine bekann­te Sub­stanz in die wei­nich­te und in die Essig­gäh­rung übergehen.

Es ist fast unmög­lich zu ver­lan­gen, daß die Apo­the­ker mit­ten in Deutsch­land, beson­ders an klei­nen Orten, unver­dorb­ne Fis­tel­kas­sie vor­räthig haben soll­ten; die leich­te Ver­derb­niß und Ver­fäl­schung die­ser Dro­gue und der wei­te, lang­wei­li­ge Weg bis zu uns macht dieß zu einer fast unbil­li­gen For­de­rung. Setzt man nun noch hin­zu, daß wir die­se Sub­stanz bloß aus Indo­lenz, weil sie uns von den ara­bi­schen Aerz­ten ver­er­bet wor­den, bei­be­hal­ten haben, nicht wegen eines nur im min­des­ten beträcht­li­chen Nut­zens (den nicht das Pflau­men­muß eben so gut leis­ten könn­te); so ist kaum abzu­se­hen, wie wir eine so betrüg­li­che, nutz­lo­se Waa­re län­ger unter dem Arz­nei­vor­ra­the dul­den wol­len, deren so hoher Preis und deren Unbe­quem­lich­keit beim Gebrau­che, den Unter­leib mit Blä­hun­gen anzu­fül­len, schon hin­läng­li­cher Grund wäre, sie abzuschaffen.