Purgirfingerhut

Hahnemanns Apothekerlexikon
vorheriges KapitelZurückInhaltsverzeichnisWeiternächstes Kapitel

Pur­gir­fin­ger­hut, Digi­ta­lis pur­pu­rea, L. [Zorn, pl. med. tab. 262.] mit eiför­mi­gen, zuge­spitz­ten Blu­men-deck­blätt­chen, und stump­fen Blu­men­kro­nen, deren obe­re Lip­pe unein­ge­schnit­ten ist, ein auf vier Fuß hohes Kraut mit zwei­jäh­ri­ger Wur­zel auf unfrucht­ba­ren Hei­den und Wald­blö­ßen in mür­ber Damm­er­de zwi­schen Nadel­wäl­dern hoher Gebir­ge, am Thü­ring­er­wal­de, am Har­ze, in der Schweitz, Schwa­ben, Elsaß u.s.w. wo es den Som­mer über blüht.

Die gro­ßen, eiför­mi­gen, oben und unten spit­zi­gen, runz­lich­ten, äußer­lich dun­kel­grü­nen, unter­wärts behaar­ten Blät­ter (Fol. digi­ta­lis pur­pu­reae) haben frisch zer­quetscht einen unan­ge­neh­men gru­sich­ten Geruch und Geschmack, wel­che bei­de aber doch die unge­heu­re Kraft nicht ver­ra­then, die dar­in ver­bor­gen liegt. Es gie­bt aber auch wenig Pflan­zen, die sich so schwer im Gar­ten zie­hen las­sen, als die­se, wenn man ihren natür­li­chen Stand­ort nicht nach­ahmt, und weni­ge, deren Kraft so viel durch die Kul­tur ver­lie­ret. Die­ser Umstand ist Ursa­che, daß die Beob­ach­tun­gen über ihre Wirk­sam­keit so ver­schie­den aus­ge­fal­len sind. Die fri­schen Blät­ter trock­nen bis zum fünf­ten Thei­le ihres Gewich­tes ein, und geben etwa 1/​12 an Dick­saf­te, den man am bes­ten an der Luft ein­dickt, (über Feu­er ver­liert er viel an Kraft und dann das Gefäß, wor­in man ihn auf­hebt, eine Vier­tel­stun­de lang in sie­den­des Was­ser stellt, um ihm so durch und durch die­sen Hitz­grad zu geben, und ihn dadurch vor Ver­derb-niß zu ver­wah­ren. Am bes­ten geht man so mit allen Dick­säf­ten um nach mei­nen neu­ern Erfahrungen).

In etwas star­ker Gabe macht die­se Pflan­ze hef­ti­ges Kopf­weh, Ver­dun­ke­lung des Gesichts (oft unter frem­der Far­be der Gegen­stän­de) lang­an­hal­ten­des Sin­ken der Kräf­te, auf drei bis vier Tage eine Ver­min­de­rung des Pul­ses zuwei­len bis zur Hälf­te der Schlä­ge, Schmer­zen in den Drü­sen, und den Gelen­ken, Wund­heit im Mun­de, Spei­chel­fluß, Augen­ent­zün­dung, unge­heu­re, anhal­ten­de Uebel­keit, auch wohl Bre­chen und Pur­gi­ren. Das Gegen­gift scheint Mohn­saft und, wie ich glau­be bemerkt zu haben, vor­züg­lich Gewächs­säu­re zu seyn. Vor sich dau­ert die Wir­kung zwei bis vier Tage.

Schon die Alten kann­ten die Kraft der fri­schen zer­quetsch­ten Blät­ter zur Zert­hei­lung der Drü­sen­ge­schwüls­te und Hei­lung skro­phul­ö­ser Geschwü­re äußer­lich auf­ge­legt, eine Wir­kung, die die Neu­ern auch durch innern Gebrauch erreicht haben.

Berühm­ter ist sei­ne Tugend in der Was­ser­sucht, selbst der Brust­was­ser­sucht gewor­den, (die Sack­was­ser­sucht und trock­ne Kör­per mit straf­fer Faser ausgenommen).

Lan­ge kann man nicht mit sei­nem Gebrau­che anhal­ten, der Schwä­chung des Kör­pers wegen; wenn er nicht bald hilft, so hilft er gar nicht in die­ser Krankheit.

Zu die­ser Absicht hat man den Auf­guß der Blät­ter der­ge­stalt gege­ben, daß die Kraft von etwa 7 Gran auf die Gabe kam, zwei bis drei­mal in 24 Stun­den zu wie­der­hoh­len, oder einen bis drei Gran des Pul­vers zwei­mal täg­lich; den Dick­saft zu einem und meh­re­ren Gra­nen täg­lich. Die­se Gaben wird man, wenn das Mit­tel sei­ne vol­le Kräf­tig­keit hat, noch ansehn­lich her­un­ter­stim­men müs­sen, bei vie­len Per­so­nen. Die di-ure­ti­sche Wir­kung bleibt zurück, wenn es von oben oder unten aus­leert; eine ver­min­der­te Gabe und ein Münz­auf­guß hin­dern ers­te­res, Mohn­saft und Lau­gen­sal­ze letz­te­res. Auch soll­te man nie unter zwei Tagen eine Gabe geben, da das Mit­tel so lan­ge wirkt; sonst häu­fet sich die Arz­nei im Kör­per, und so kön­nen klei­ne oft wie­der­hohl­te Gaben leicht den Tod zuwe­ge brin­gen, wie man Bei­spie­le hat.

Der Zwi­schen­ge­brauch der Chi­na­rin­de erhö­het die schlim­men Zufäl­le aufs äußerste.

Man hat eini­ge Bei­spie­le, wo es Fall­sucht geheilt hat, weit meh­re­re aber von geheil­tem Wahn­sinn, vor­züg­lich dem toben­den und scherzenden.