Pomeranzzitrone

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Pome­ranz­zi­tro­ne, Citrus Aurant­i­um, L. [Zorn, pl. med. tab. 495.] mit geflü­gel­ten Blatt­stie­len und zuge­spitz­ten Blät­tern, ein im süd­li­chen Euro­pa ein­hei­mi­scher, in unsern Gär­ten ohne künst­li­che Wär­me, blos unter Schutz vor Käl­te und frei­em Zugan­ge des Lich­tes aus­dau­ern­der Baum.

Die wei­ßen Blu­men (Flo­res Naphae) haben einen bit­ter­li­chen Geschmack und, frisch, einen unge­mein lieb­lich duf­ten­den, beim Trock­nen größ­tent­heils ver­schwin­den­den Geruch, wel­cher bei der Destil­la­ti­on sich dem Was­ser mitt­heilt (Aqua flor. Naphae) und zugleich ein unge­mein geruch­vol­les pome­ranz­gel­bes oder röth­li­ches äthe­ri­sches Oel (Ol. dest. flor. Naphae, QLs. Essen­tia Ner­o­li) obgleich in sehr klei­ner Men­ge (1/​9600 bis 1/​2304 der fri­schen Blu­men) lie­fert, wofür sei­ner Sel­ten­heit wegen oft das mit den Blu­men infun­dir­te Behen­öl genom­men wird. Man bedient sich bei­der nur zum Wohl­ge­ru­che. Ein­ge­sal­zen erhal­ten die Blu­men ihren Geruch län­ger, um, wenn man damit zu Vor­ra­the gekom­men ist, das Was­ser dar­aus destil­li­ren zu können.

Arz­nei­li­cher sind die Blät­ter (fol. aurant­iorum), wel­che, gegen das Licht gehal­ten, durch­sich­ti­ge Punk­te oder mit äthe­ri­schem Oele gefüll­te Bläs­chen zei­gen und von bit­ter­li­chem Geschma­cke, und, in den Hän­den gerie­ben, von schwa­chem, aber lieb­li­chem Geru­che sind. Ihre Kraft (zu einem hal­ben Quent­chen im Pul­ver täg­lich etli­che­mal oder dop­pelt so viel im Absud) hat sich bei all­zu gro­ßer Beweg­lich­keit der Faser fast all­ge­mein bestä­tigt, und es fehlt nicht an Bei­spie­len durch sie geheil­ter fall­süch­ti­ger und hys­te­ri­scher Per­so­nen; wenigs­tens sind sie gebes­sert wor­den. Auch im Keich­hus­ten fand man sie dienlich.

Die klei­nen unrei­fen Früch­te (Kuras­sao­äp­fel, Fruc­tus imma­tu­ri Aurant­iorum, Poma, Aurant­ia Cu-ras­sa­vica) kom­men in der Grö­ße einer Erb­se bis einer Kir­sche vor, wel­che getrock­net grün­braun sind und ein sehr lieb­li­ches Gewürz und eine unge­mei­ne Bit­ter­keit besit­zen. Die gepflück­ten sind den von selbst abge­fal­le­nen vor­zu­ziehn. Sie geben in der Destil­la­ti­on mit Was­ser ein gel­bes, wohl­rie­chen­des äthe­ri­sches Oel, und die­nen zur Magen­stär­kung, größ­tent-heils in der geis­ti­gen Tink­tur. Auch legt man sie in Fon­ta­nel­len, statt der Erbsen.

Die rei­fe run­de, an bei­den Enden platt­ge­drück­te Frucht (bit­te­re, sau­re Pome­ran­zen, Aurant­ia hispa-len­sia, Poma aurant­iorum) ent­hält einen lieb­lich sau­ern, gewürz­haft bit­ter­li­chen Saft, wel­cher in Gal­len­fie­bern, vor­züg­lich aber im Schar­bock von gro­ßem Nut­zen ist, zu letz­te­rer Absicht, vor­züg­lich zum Schiffs­vor­rath, zum Rhob ein­ge­dickt, wovon fünf Unzen den Saft von etwa vier und zwan­zig Pome­ran­zen ent­hal­ten. Ihre Schaa­le (Cort. Aurant­iorum, oder viel­mehr Fla­vedo Cort. aurant­iorum) ent­hält ein wesent­li­ches Oel, wel­ches sowohl durch Destil­la­ti­on (ol. aether. Cort. aur.) von weiß­gelb­lich­ter Far­be und zu 3/​512 an Gewich­te, als durch Aus­pres­sen gewon­nen wird. Das durch Aus­pres­sen (wie unter Ber­ga­mott­öl gelehrt wor­den) erhal­te­ne ist zugleich von star­ker ange­neh­mer Bit­ter­keit, das destil­lir­te aber blos hit­zig aro­ma­tisch. Bei­des ermun­tern­de, den Blut­lauf erhe­ben­de Magen­mit­tel. Gebräuch­li­cher zur Arz­nei ist gleich­wohl die trock­ne Scha­le, die zwar weit weni­ger Gewürz als die fri­sche besitzt, sich aber doch kräf­tig genug in den im Han­del befind­li­chen, dün­nen, von allem Wei­ßem befreie­ten soge­nann­ten Kuras­sa­os-cha­len (Cort. aurant. curas­sa­vicorum) erhal­ten hat. Sie sind nicht nur eins der vor­züg­lichs­ten Magen stär­ken­den Mit­tel, son­dern haben sich auch zum Theil gegen Wech­sel­fie­ber, am meis­ten aber gegen Mut­ter­blut­flüs­se und fal­sche Wehen hülf­reich erzeigt.

Der fri­schen Pome­ran­zen bedient man sich vor­züg­lich häu­fig zur Berei­tung eines ange­neh­men Geträn­kes, (des Bisch­offs) wel­ches auch in arz­nei­li­cher Hin­sicht Auf­merk­sam­keit ver­dient, als ein ermun­tern­des, Magen stär­ken­des Mit­tel. Man ker­bet ihre Scha­le ein, rös­tet sie über glü­hen­den Koh­len, bis die Scha­le schwarz wird, gießt, so heiß wie sie sind (gewöhn­lich rothen) Wein dar­auf, zer­quetscht sie in dem Gefä­ße, wel­ches man ver­stopft, fügt den nöthi­gen Zucker hin­zu, und genießt das lieb­li­che Getränk wenn es eini­ge Stun­den gezo­gen hat.

Gebräuch­li­cher als das aus den gewöhn­li­chen Pome­ran­zen­scha­len gewon­ne­ne Oel zur Arz­nei und zum Par­fü­miren ist das aus einer zwi­schen der Sau­er­zi­tro­ne und der Pome­ranz­zi­tro­ne inne ste­hen­den Abart, der Ber­ga­mot­te, Ber­ga­mott­öl.

Die Alten leg­ten den läng­licht run­den, zusam­men­ge­drück­ten, der Län­ge nach rie­si­gen Pome­ran­zen-ker­nen (Sem. aurant­iorum) eine schweiß­trei­ben­de und wurm­wid­ri­ge Kraft bei, und bedien­ten sich ihrer (mit Unrecht) in Pocken und Masern zum Austreiben.