Phosphor

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Phos­phor (Phos­pho­rus) und zum Unter­schie­de von andern leuch­ten­den Kör­pern auch Harn­phos­phor (Phos­pho­rus uri­nae, auch ani­ma­lis, gla­cia­lis, angli-canus) genannt, ist jene etwas zähe, in rei­nem Zustan­de wei­ße und hell­durch­sich­ti­ge, bei län­ge­rer Auf­be­wah­rung aber gilb­li­che, und röth­lich gilb­li­che, blos durch­schei­nen­de Sub­stanz, die, an die Luft gelegt, unter Ver­brei­tung eines knob­lauch­ar­ti­gen Duns­tes im Dun­keln leuch­tet, bis sie durch die­se all­mäh­li­che Ver­bren­nung sich völ­lig in eine Säu­re eig­ner Art, die Phos­phor­säu­re, zer­setzt hat. Bei grö­ße­rer Wär­me (76° Fahr.) oder bei star­kem Rei­ben bricht der Phos­phor vor sich in eine hel­le Flam­me mit Geräusch aus und ver­brennt sehr schnell mit Knob­lauch­s­ge­stank unter Hin­ter­las­sung gedach­ter Säu­re. In hei­ßem Was­ser (von 70° Reaum.) schmilzt er und fließt als ein Oel am Boden des Gefä­ßes; beim Erkal­ten des Was­sers erhär­tet er wie­der. Er löset sich in äthe­ri­schen und fet­ten Oelen und im Aether auf und theilt ihnen eine im Dun­keln leuch­ten­de Eigen­schaft mit; von Wein­geist oder Was­ser läßt er sich in dicht ver­stopf­ten Gefä­ßen nicht auflösen.

Die ers­ten Erfin­der (Brand, Kun­kel) im vori­gen Jahr­hun­der­te berei­te­ten ihn äußerst müh­sam durch Destil­la­ti­on des ein­ge­dick­ten Harns. Mar­ggraf lehr­te die Berei­tung abkür­zen, durch Anwen­dung des schmelz­ba­ren Harn­sal­zes (Ammo­niak­phos­phor­sal­zes) mit einem Vier­tel geglü­he­ten Kien­ru­ße und etwas San­de gemischt. Aber den neu­ern Zei­ten (Gahn im Jah­re 1769) war es auf­be­hal­ten, die Phos­phor­säu­re aus Kno­chen zu zie­hen, und so aus einem weit wohl­fei­lern Mate­ri­al den Phos­phor zu bereiten.

Die­se eigen­ar­ti­ge Säu­re (Phos­phor­säu­re, Aci­dum phos­pho­ri), wel­che außer andern che­mi­schen Beson­der­hei­ten im Weiß­glü­he­feu­er nicht flüch­tig ist, son­dern zu einer Art Glas schmelzt, wel­ches an der Luft wie­der zur tropf­ba­ren Säu­re zer­fließt, und mit brenn­ba­ren Sub­stan­zen in der Glüh­hit­ze destil­lirt sich in Phos­phor ver­wan­delt, die­se Säu­re ward jedoch aus den Kno­chen von ihren anfäng­li­chen Berei­tern noch immer mit eini­gen Umschwei­fen durch Bei­hül­fe nicht nur der Vitri­ol- son­dern auch der Sal­pe­ter­säu­re ver­fer­tigt, bis Nico­las zuerst blo­ße Vitri­ol­säu­re und schwarz­ge­brann­te Kno­chen, Wie­g­leb aber (bes­ser) die weiß­ge­brann­ten Kno­chen nächst der Vitri­ol­säu­re anwen­de­te. Die Art des Aus­lau­gens der Mas­se hat­te aber bis jetzt immer noch die Schwie­rig­keit, daß all­zu viel Gyps unter der Phos­phor­säu­re blieb, wel­che dann beim Schmel­zen ein oft nur wenig auf­lös­li­ches Glas, folg­lich in der fer­nern Behand­lung nur wenig Phos­phor lieferte.

In die­ser Rück­sicht ist fol­gen­de mir gewöhn­li­che Berei­tungs­art vor­zu­zie­hen. Man benetzt sechs Pfund unge­pül­ver­te, weiß­ge­brann­te Kno­chen mit sechs Pfund Was­ser in einem stein­zeug­nen oder por­zel­lai-nenen Geschir­re und gießt, wenn es durch­ge­zo­gen ist, sechs Pfund Vitriol­öl all­mäh­lich dar­über. Man rührt das Gemisch stark um, bis es sich zu einem dicken, fei­nen Breie ver­ei­nigt hat. Statt nun das Gan­ze, wie gewöhn­lich, mit vie­lem Was­ser zu ver­dün­nen, und so eine Men­ge (in der immer vor­ste­chen­den Vitri­ol­säu­re leicht auf­lös­li­chen) Gyps in das Colat zu brin­gen, wird nach eini­gen Stun­den der Brei mit sechs Pfund Wein­geist (von etwa 0, 900 Schwe­re) ver­dünnt, wel­cher die über­schüs­si­ge Vitri­ol­säu­re ver­süßt und den Gyps dar­aus nie­der­schlägt. Die­ses Gemisch wird in einen Sack von der­bem Zwil­lich gebun­den und in einer höl­zer­nen Pres­se all­mäh­lich aus­ge­preßt, der Rest noch­mals mit eben so viel, glei­chen Wein­geis­tes ver­dünnt und aus­ge­preßt, und so wie­der­um, aber mit sechs Pfund Was­ser, etwa noch vier bis sechs Mal ver­dünnt und eben so oft aus­ge­preßt, bis kei­ne son­der­li­che Säu­re mehr an dem Durch­ge­preß­ten zu spü­ren ist. Die Wein­geist­lau­ge, und die mit Was­ser ver­an­stal­te­te, wird, jede beson­ders, hin­ge­stellt, und nach 24 Stun­den das Hel­le von bei­den unter Zurück­las­sung des etwa nie­der­ge­senk­ten Gyp­ses abge­gos­sen, eine Lau­ge die in einem kup­fer­nen oder por­zel­lai­ne­nen Geschir­re mög­lichst abge­dampft, zuletzt aber in einem por­zel­lai­ne­nen Schmelz­tie­gel, oder ähn­li­chem tie­fen por­zel­lai­ne­nen Geschir­re glü­hend geschmol­zen und eine Stun­de im Feu­er gehal­ten wird, bis kein vitri­ol­saurer Dunst mehr empor­steigt. Die­se Phos­phor­säu­re (wel­che hier mehr als ein Pfund zu betra­gen pflegt) ist so frei von Kalk­er­de, daß sie bald nach der Erkal­tung an frei­er Luft feuch­tet, und all­mäh­lich ganz zerfließt.

Um sie nun zur Berei­tung des Phos­phors anzu­wen­den, gießt man die glü­hend flie­ßen­de Phos­phor­säu­re in einen heiß gemach­ten Mör­sel von Glo­cken­guth oder Por­phyr aus, pül­vert sie noch ganz warm zu fei­nem Pul­ver, und hebt das Pul­ver ent­we­der, wenn die Phos­phor­be­rei­tung ver­scho­ben wer­den soll, in einer wohl ver­stopf­ten glä­ser­nen Fla­sche auf, oder mischt sogleich ein Drit­tel an Gewich­te Kien­ruß oder Koh­len­staub innig dar­un­ter, füllt eine beschla­ge­ne wal-den­bur­ger (oder, wie Eini­ge gut gefun­den, glä­ser­ne) Retor­te mit dem Gemi­sche so an, daß ein Vier­tel Raum übrig bleibt, stellt sie in einen Rever­ber­i­rofen der­ge­stalt, daß der Retor­ten­hals fast senk­recht abwärts zu ste­hen kömmt und in der ange­leg­ten gro­ßen Vor­la­ge unter die Ober­flä­che des dar­in vor­ge­schla­ge­nen Was­sers mit sei­ner Mün­dung ragt. Eine aus der Wand der Vor­la­ge in ein Glas mit Was­ser her­über stei­gen­de krum­me Röh­re (oder so wie in der Vor­rich­tung, Arti­kel Destil­la­ti­on, gezeich­net ist) wird alle Gefahr des Zer­sprin­gens, und jeden Ver­lust ver­hü­ten, der bei der gewöhn­li­chen Oef­nung im Kit­te unver­meid­lich ist. Die Fugen wer­den mit Lehm und Fir­niß, zum Tei­ge gekne­tet, ver­kit­tet, und die mit Koh­len über und über umgeb­ne Retor­te ganz all­mäh­lich ins Glü­hen gebracht. Der in leuch­ten­den Nebel­st­röh­men sowohl als in Trop­fen über­ge­hen­de Phos­phor bil­det eine Rin­de über dem Was­ser, die wenn sie dicker wird, zu Boden fällt. Ein sechs­stün­di­ges star­kes Glü­hen wird die Arbeit been­di­gen. Man erhält von drei Pfun­den sol­cher Phos­phor­säu­re etwa ein Pfund Phosphor.

Gewöhn­lich ist er aber von die­ser ers­ten Arbeit noch schmut­zig an Far­be, und muß noch­mals über­ge­trie­ben wer­den. Auch in Hirsch­le­der gebun­den und in fast kochen­des Was­ser gehan­gen, bis er geschmol­zen ist, wird er durch noch ganz hei­ßes Aus­pres­sen von den far­bi­gen und schmu­zi­gen Thei­len gereinigt.

Um ihn in Stän­gel­chen zu for­men, thut man die Phos­phor­klümp­chen in einen mit Was­ser gefüll­ten Schei­de­trich­ter, der eine lan­ge all­mäh­lich sich ver­dün­nern­de Röh­re hat, oder sonst in eine glä­ser­ne, nach dem einem Ende hin sich etwas erwei­tern­de glä­ser­ne Röh­re, ver­stopft die unte­re Mün­dung, und stellt sie so lan­ge in war­mes Was­ser, bis der Phos­phor zusam­men fließt und die Gestalt der Röh­re annimmt. Man schiebt ihn her­aus, wenn er erkal­tet ist, und hebt die Stän­gel­chen, zum Gebrau­che, in einer wohl ver­stopf­ten glä­ser­nen Fla­sche auf, die gänz­lich mit Was­ser ange­füllt ist, und im Dun­keln ste­hen bleibt, da der Phos­phor im Son­nen­schei­ne röth­lich wird.

Um ihn zu pül­vern, thut man zwei Quent­chen Phos­phor in ein Vie­run­zen­glas, und gießt drei Unzen Was­ser dazu. Die­ses stellt man in ein Geschirr mit war­mem Was­ser, bis der Phos­phor im Gla­se geschmol­zen ist. Dann nimmt man das Glas her­aus, ver­stopft es schnell mit einem Kor­ke, und schüt­telt es plötz­lich und stark, bis es erkal­tet und der Phos­phor sich in Pul­ver ver­wan­delt hat.

So in Pul­ver unter irgend eine Kon­ser­ve gemischt, hat man sich des Phos­phors zu einem, zwei, bis drei Gran auf die Gabe (auch in Vitriol­äther auf­ge­löst) hie und da als eines ner­ven­stär­ken­den, ale­xi­te­ri­schen, krampf­wid­ri­gen Mit­tels in bös­ar­ti­gen Fie­bern, in der Manie, Epi­lep­sie und in den Nach­we­hen von Blät­tern bedient. Er scheint viel zu versprechen.

Wenn die Phos­phor­säu­re der­einst inner­lich gebraucht wer­den soll­te (wie bei eini­gen Unver­dau­lich­kei­ten, auch wohl beim Bla­sen­stein wahr­schein­lich ist), so wird man sich der reinst mög­li­chen bedie­nen müs­sen, die man dadurch erhält, daß man zer­schnit­te­nen Phos­phor in den wei­ten Theil eines glä­ser­nen Trich­ters legt, ihn mit einem fei­nen dün­nen Tuche (den Staub abzu­hal­ten) bedeckt das Trich­ter­rohr in eine Fla­sche steckt, und das Gan­ze in den Kel­ler stellt solan­ge, bis er gänz­lich zur Säu­re zer­flos­sen ist, die man in der Fla­sche findet.

Aeu­ßer­lich hat man sich der Phos­phor­säu­re bis jetzt blos gegen Kno­chen­fras zu bedie­nen ange­fan­gen, wozu obi­ge aus Kno­chen gezo­ge­ne völ­lig hin­rei­chend ist.

Die gebräuch­li­chen Neu­tral­sal­ze von die­ser Säu­re sehe man unter Harn­salz, schmelz­ba­res, und Soda­phos­phor­salz nach.