Oele, bränzlichte

Hahnemanns Apothekerlexikon
vorheriges KapitelZurückInhaltsverzeichnisWeiternächstes Kapitel

Oele, bränz­lich­te, oder empy­rev­ma­ti­sche (Olea empy­rev­ma­ti­ca, foet­ida, adus­ta) sind durch trock­ne Destil­la­ti­on aus gewächs­ar­ti­gen und thie­ri-schen Sub­stan­zen gezo­ge­ne Oele von bran­di­gem unan­ge­neh­mem Geru­che, schar­fem, bit­ter­li­chem Ge-schma­cke, dunk­ler Far­be und dick­li­cher Kon­sis­tenz, wel­che sich größ­tent­heils in Wein­geis­te auf­lö­sen; sie sind aus meh­rern Grundt­hei­len der rohen Sub­stanz zusam­men­ge­setz­te und durch die Hit­ze ver­än­der­te Produkte.

Die noch in Apo­the­ken hie­zu gebräuch­li­chen Stof­fe sind, aus dem Pflan­zen­rei­che die fet­ten Oele, der Wein­stein, das Gua­jak­holz, das Ben­zoeharz, das Mut­ter­harz, aus dem Thier­rei­che Hör­ner, Kno­chen, Blut, außer­dem Wachs und Seife.

Zu die­ser Absicht wer­den die tro­cke­nen Din­ge nur so blos, zer­kleint ange­wen­det, eini­ge der andern Sub­stan­zen aber vor­be­rei­tet; das Blut wird vor­her ein­ge­kocht, die im Feu­er auf­schäu­men­den Din­ge hin­ge­gen, das Wachs, das Gal­ba­num und die Sei­fe mit einer trock­nen Sub­stanz, am bes­ten mit gelösch­tem Kal­ke ver­mischt, ein Zusatz, den man auch am bes­ten zum Baum­öle nimmt, um das soge­nann­te Zie­gel­öl (ole­um later­um, lateri­ti­um, Phi­lo­so­phorum) zu destilliren.

Zu letz­te­rer Absicht wer­den vier Thei­le zu Pul­ver gelösch­ter Kalk mit einem Thei­le Baum­öle ange­kne­tet, und die dar­aus geball­ten Kugeln in einer eiser­nen Retor­te destil­lirt, bis nächst dem Phleg­ma alles Oel über­ge­trie­ben ist. Daß in ältern Zei­ten statt des Kal­kes heiß­ge­mach­te und mit Baum­öl getränk­te Zie­gel­stei­ne dazu genom­men wur­den, ver­schaf­te dem Pro­dukt den Namen Ziegelsteinöl.

Von dem Ueber­ge­gan­ge­nen wird das Oel abge­nom­men, und in ein mit Was­ser genetz­tes und aus­ge­drück­tes dop­pel­tes Fließ­pa­pier geschüt­tet, wor­ein, wenn sich alle Feuch­tig­keit ein­ge­zo­gen hat, in der Spit­ze ein Loch mit einer Nadel gesto­chen wird, um das Oel in ein schick­li­ches Gefäß durch­lau­fen zu las­sen. Man kann es nach­ge­hends noch mehr­mals mit rei­nem Was­ser schüt­teln, und so von allem Salz­haf­ten waschen.

Ueb­ri­gens ist die Art, die trock­nen Sub­stan­zen, Gua­jak­holz, Kno­chen, und Hör­ner zu destil­li­ren mit der­je­ni­gen über­ein­stim­mend, die ich beim Hirsch­horn­öle (m. Hirsch) ange­ge­ben habe.

Indes­sen glau­be man nicht, wie uns meh­re­re Schrift­stel­ler haben ein­bil­den wol­len, daß alles, was man bränz­lich­te Oele nennt, von einer­lei Natur wäre. Die aus Gewächs­sub­stan­zen sind gar weit von den aus thie­r­i­schen Sub­stan­zen über­ge­trie­be­nen in ihrer innern Natur ver­schie­den. Schon der Umstand, daß bei der Destil­la­ti­on der Gewächs­sub­stan­zen eine Gewächs­säu­re (Hol­zes­sig), bei der der Thier­fet­te Fett­säu­re, bei der aus Kno­chen, vor­züg­lich aber Hör­nern blo­ßes Ammo­ni­ak­lau­gen­salz nächst dem Oele über­geht, läßt auf eine ver­schied­ne Natur der bränz­lich­ten Oele schlie­ßen, so wie der Erfah­rungs­satz, daß kein z.B. auf irgend eine Art koho­bir­tes Zie­gel­öl je wah­res Dippel­sches Thier­öl her­vor­brin­gen wird.

Aus dem (vor­züg­lich frisch berei­te­ten) rohen Hirsch­horn­öle wird das Dippel­sche Thier­öl (Ole­um ani­ma­le Dippe­lii) der­ge­stalt (am bes­ten im Win­ter) geschie­den, daß man einen nied­ri­gen Kol­ben bis zur Hälf­te mit dem rohen Hirsch­horn­öle anfüllt, und nach Auf­set­zung des Helms bei höchst gelin­dem Feu­er destil­lirt, (so daß der Helm kaum die Wär­me der Hand erlangt) und auf­hört, so bald das Ueber­ge­hen­de merk­lich gefärbt erscheint, dann den Kol­ben sorg­fäl­tig rei­nigt, und das Destil­lat mit etwas Was­ser gemischt, nach wie­der auf­ge­setz­tem Hel­me, noch­mals so lan­ge destil­lirt, als das über­ge­hen­de Oel unge­färbt bleibt. Die­ses schon im Hirsch­horn­öle vor­hand­ne und nur auf die­se Art rein aus­ge­schied­ne Thier­öl hat einen beson­dern, höchst durch­drin­gen­den, obgleich nicht unan­ge­neh­men Geruch und Geschmack, ist höchst flüch­tig, fein, leicht, was­ser­hell und wird von Wein­geist und Essig völ­lig auf­ge­löst. Sei­ne Leich­tig­keit ver­hält sich zu der des guten Vitriol­äthers, wie 455:446; es hin­ter­läßt kei­nen Oel­fleck auf Papier. Es muß aber also­gleich nach der Berei­tung in klei­nen völ­lig damit ange­füll­ten Quent­chen­glä­sern, wel­che schon eini­ge Trop­fen Was­ser ent­hal­ten, der­ge­stalt auf­be­wahrt wer­den, daß man die zuge­pfropf­ten und über der Mün­dung mit bren­nen­dem Sie­gel­la­cke glatt über­zo­ge­nen Gläs­chen (damit das Was­ser das Oel abhal­te, sich vom Kor­ke zu fär­ben) umkeh­re und so mit dem Hal­se in ein Geschir­re voll Sand stel­le, wel­cher mit Was­ser über­gos­sen ist, wor­in (damit es nicht fau­le) Alaun bis zur Sät­ti­gung auf­ge­löst wor­den ist. Ver­wahrt man es nach­läs­sig, so daß es eini­ge atmo­sphä­ri­sche Luft ein­zie­hen kann, so wird es gar bald wie­der dun­kel und stin­kend. Der Zutritt der rei­nen Luft scheint das Oel zu zer­set­zen, eine Art von lang­sa­mer Ver­bren­nung, und Kohlenerzeugung.

Die aus dem Bern­stein und aus dem Asphalt (m.s. Bern­stein und Asphalt) bei der ers­ten, trock­nen Destil­la­ti­on über­ge­hen­den, erd­har­zig stin­ken­den, brau­nen Oele, hat man eben­falls unter die empy­reu­ma­ti-schen gesetzt, wie­wohl sie ihrer innern Natur nach gar sehr von jenen abwei­chen, indem bei­de weder im rohen, noch im rek­ti­fi­zir­ten Zustan­de vom Wein­geist auf­ge­lö­set wer­den. Sonst wer­den sie im rek­ti­fi­zir­ten Zustan­de eben­falls bald wie­der braun und stin­kend durch den Bei­tritt der rei­nen Luft.

Zu arz­nei­li­chem Behu­fe bedient man sich der bränz­lich­ten Oele sel­ten. Sie erre­gen alle­sammt den Blut­lauf unge­mein, das Thier­öl aus­ge­nom­men, wel­ches ohne Erhit­zung ruhi­gen Schlaf, und gelin­den Schweiß ohne Ermat­tung erre­gen soll; man hält in der peri­odi­schen Fall­sucht viel auf das­sel­be, ver­ord­net es aber sei­ner Kost­bar­keit und selt­nen Güte wegen nicht oft.

Die Alten bedien­ten sich des Zie­gel­öls als eines zert­hei­len­den äußer­li­chen Mit­tels nicht ohne gro­ßes Zutrauen.