Fieberchinabaum

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Fie­ber­chi­n­a­baum, Cin­cho­na offi­ci­na­lis, L. [Zorn pl. med. Tab. 292.] mit ellip­ti­schen, unten fein­ha­ri­gen Blät­tern, und ris­pen­för­mi­gen Blu­men, deren Rand wol­lig ist, ein hoher, schlan­ker Baum, wel­cher im süd­li­chen Ame­ri­ka in Peru, vor­züg­lich auf den Hügeln in der Gegend von Loxa, und der Gebirgs­ket­te, die sich auf 30 Mei­len nach Mit­tag und eben so weit nach Mit­ter­nacht erstreckt, am bes­ten aber auf dem Ber­ge Caja­nu­ma wächst. Man schält ihn bei trock­ner Wit­te­rung im Sep­tem­ber und Okto­ber ab, wenn er etwa arms­dick ist, er kann aber manns­dick werden.

Man hat in neu­ern Zei­ten zwei Sor­ten Rin­de unter­schie­den, wel­che, wie man glaubt, von einer­lei Bau­me kommen.

I. Uns­re gewöhn­li­che gemei­ne, fein­röh­rich­te, gelb­brau­ne Rin­de (Cor­tex peru­via­nus, C. chinae, C. chinae chinae, C. chin­chinae, C. quin­quinae), wel­che man für die bes­te Sor­te hält, besteht fast ganz aus dün­nen oder fei­nen unge­fähr zur Hälf­te zusam­men­ge­roll­ten Stü­cken oder Röh­ren, kaum von Fin­gers­län­ge und sehr uneb­ner, fein­chag­ri­nirter, und fein­ade­rich­ter, weiß­grau­er Ober­flä­che, und ist inwen­dig schlicht und hoch­zimmt­far­big. Sie muß schwer, hart und tro­cken, im Bru­che dicht und glatt seyn, inwen­dig glän­zen­de, har­zi­ge Punk­te zei­gen, und sich zwi­schen den Zäh­nen zer­rei­ben las­sen; ihr Geruch ist nicht unan­ge­nehm dump­fig, dem Schim­mel­ge­ru­che etwas ähn­lich, und ihr durch­drin­gend anhal­ten­der Geschmack ist mehr bit­ter als zusam­men­zie­hend, etwas schim­mel­ar­tig und etwas gewürz­haft. Sie läßt sich leicht zu Pul­ver machen, wel­ches licht­braun und etwas bläs­ser als der Zimmt ist.

Aus Eng­land erhal­ten wir bes­se­re Rin­de, als aus Holland.

Die bes­te Sor­te kömmt in Kis­ten mit Och­sen­häu­ten über­zo­gen von 120 bis 130 Pfund Schwe­re über Cadix nach Lon­don, wo das Pfund 7 bis 8 Schil­lin­ge zu ste­hen kömmt, man ver­kauft sie aber zu 10 bis 12 Schilling.

Die mitt­le­re Sor­te kömmt in ähn­lich ein­ge­pack­ten Kis­ten, aber von etwa 250 Pfund Schwe­re dahin, und ist gemisch­ten Inhalts. Die Dro­quis­ten lesen sie aus und machen dar­aus unge­fähr 200 Pf. eigent­li­che Mit­tel­sor­te, wovon das Pfund zu Lon­don für 5 Schil­lin­ge ver­kauft wird. (Das Aus­ge­le­se­ne sind etwa 25 Pfund gute röh­rich­te und 25 Pf. ganz gerin­ge Sor­te.) Die­se Mit­tel­sor­te besteht aus dickern und grö­ßern Röh­ren und vie­len plat­ten Stü­cken, deren Ober­haut oft ganz weiß ist; zuwei­len sind sie aber auch von außen roth und ganz ohne Ober­rin­de. Sie läßt sich beim Kau­en nicht gleich­ar­tig zer­mal­men, es blei­ben vie­le Fasern zurück; auch auf dem Bru­che ist sie fasericht.

Die­se Sor­te kömmt auch in zusam­men­ge­näh­ten Häu­ten (Zeron­nas) vor.

Die schlech­te oder gerin­ge Sor­te erscheint zwar auch in ähn­li­chen Kis­ten zu 250 Pfund, doch auch in Fäs­sern ein­ge­packt. Ist sie von star­kem äch­ten Chi­na­ge­schma­cke und Geru­che, so sind selbst die dicks­ten Stü­cken gut zu gebrau­chen zur Tink­tur, zu Auf­güs­sen und Dekok­ten, zum Extrak­te u.s.w.

Ueber­haupt hat man von der Güte der Rin­de vor­züg­lich und fast allein nach dem stär­kern oder schwä­chern der Chi­na eig­nem Geru­che und Geschma­cke, und weni­ger nach ihrem äußern Ansehn zu urt­hei­len, denn das Aeu­ße­re weicht hie und da sehr ab. So gie­bt es sehr gute Stü­cke, wel­che aus­wen­dig fast ganz schwarz aus­sehn; es gie­bt dicke, fla­che Stü­cke, die aber sehr kom­pakt und röth­lich von Far­be sind und einen noch stär­kern Geschmack als die röh­rich­te Rin­de besit­zen, folg­lich letz­te­rer vor­zu­zie­hen sind.

Die bes­te Rin­de sol­len die Eng­län­der nach Fother­gill nicht außer Land las­sen; also bekä­men wir nur die Mit­tel­sor­te. Doch auch letz­te­re kömmt nicht ein­mal gera­de von Eng­land, son­dern gewöhn­lich von da erst durch die oft betrüg­li­chen Hän­de der Hol­län­der nach Deutsch­land. Oft wer­den der Chi­na­rin­de and­re mit Aloe bit­ter gemach­te Rin­den unter­ge­scho­ben. – Ursa­chen genug der oft sehr gerin­gen Wirk­sam­keit der in Deutsch­land gewöhn­li­chen Fieberrinde.

Man suche die­se Dro­que, wel­che noch immer den ers­ten Platz unter allen Heil­mit­teln behaup­tet, und von deren Wirk­sam­keit so oft das Leben vie­ler Tau­sen­de, so wie der Ruf des Arz­tes, abhängt, wo mög­lich aus einer der ers­ten Hän­de (nicht aus der fünf­ten und sechs­ten Hand) zu zie­hen, und lie­ber hohe Prei­se für gute äch­te Ware zu zahlen.

II. Die rothe Chi­na­rin­de (Cort. chinae ruber, C. peruv. ruber) ward in neu­ern Zei­ten bekannt, da eine durch die Eng­län­der (1779) von den Spa­ni­ern erbeu­te­te Schiffs­la­dung davon in Euro­pa vert­heilt ward. Nach­ge­hends ward sie rar, und man bekam statt der nun ver­brauch­ten, fast blos trüg­lich ver­fälsch­te alte Rin­den der gewöhn­li­chen, oder sonst roth gefärb­te Rin­den and­rer Bäu­me dafür. Die Spa­ni­er boten sie dann zu dem hohen Prei­se von 10 Schil­ling das Pfund wie­der an, und die­se Theu­rung hin­der­te lan­ge Zeit ihre Wie­der­ein­füh­rung, bis Eng­land (1786) wie­der damit ver­sorgt ward, woher wir sie noch ächt bekom­men können.

Sie besteht aus dickern (gewöhn­lich zwei Lini­en dicken) Rin­den und weit grö­ßern Stü­cken, als die gel­be röh­rich­te ist, und die Stü­cken selbst sind rin­nen­ar­tig, gemei­nig­lich die hal­be Rin­de von andert­halb Zoll star­ken und dün­nen Aes­ten und aus drei Lagen zusam­men­ge­setzt. Die ers­te­re ist dünn, uneben, in Quer­ris­se zert­heilt, öfters mit einer mosich­ten Sub­stanz bedeckt und von einer roth­brau­nen Far­be; die mitt­le­re ist dicker, fes­ter und dunk­ler gefärbt und aus­neh­mend har­zig; die inne­re end­lich ist hol­zicht­er, fa-serich­ter und hat eine zwar hel­le, doch dun­kel­ro­the­re Far­be, als die der gemei­nen gel­ben Rin­de ist. Ueber-haupt ist sie schwe­rer als die gewöhn­li­che; je dün­ner die Stü­cken sind, des­to mehr Harz und Wirk­sam­keit ent­hal­ten sie.

Sie ist geruch­los, ihr Geschmack aber ist ungleich stär­ker, weit bit­te­rer, als der der gel­ben, und eben so zusam­men­zie­hend. Ihr Bruch ist alle­mal fasericht.

Die röthes­ten, schwers­ten und fes­tes­ten Stü­cke vom stärks­ten Chi­na­ge­schmack muß man aus­wäh­len, und dieß sind gemei­nig­lich die kür­zes­ten, brei­tes­ten Stücke.

Sie läßt mehr Kräf­ti­ges als die gel­be mit Wein­geist und Was­ser aus­zie­hen, und ent­hält mehr Harz als die­se. Auch läßt sie sich leich­ter pül­vern, am meis­ten die mitt­le­re Lage der Rin­de; die inne­re hol­zich­te am schwers­ten. Das ers­te­re Pul­ver ist daher wirksamer.

Im Pul­ver (man soll sie nie im Pul­ver kau­fen, so viel auch der­glei­chen aus Eng­land kömmt) wird sie gemei­nig­lich aus der gel­ben nach­ge­macht durch Ver­mi­schung mit 1/​4 kal­zi­nirter Magne­sie. Ein des­halb ver­däch­ti­ges Roth­chi­na­pul­ver aber wird man leicht prü­fen kön­nen, wenn man ein Quent­chen mit zwei Unzen Was­ser anreibt, und die erhal­te­ne hoch­ro­the Tink­tur mit etwas Zucker­säu­re oder Sau­er­klee­salz­auf­lö­sung ver­setzt, da denn die hohe Röthe unter Erschei­nung eines wei­ßen Nie­der­schlags sogleich ver­schwin­den wird, wenn die angeb­li­che rothe Rin­de aus der gel­ben mit gebrann­ter Bit­ter­salzer­de nach­ge­macht war.

Der Auf­guß und der Absud der rothen Chi­na­rin­de ist dun­kel­fär­bi­ger und bit­trer, schlägt den Eisen­vi­tri­ol mit schwär­z­e­rer Far­be nie­der, und bleibt län­ger vom Sau­er­wer­den frei, als der von der gewöhn­li­chen. Sie ist fäul­nis­wid­ri­ger, und ent­hält mehr äthe­ri­sches Oel als letztere.

Sie besitzt die­sel­ben Kräf­te als die gewöhn­li­che Rin­de, nur in jedem Betrach­te stär­ke­re. Ihre Wir­kung ist schnel­ler, anhal­ten­der und in klei­ne­rer Gabe merkbar.

Man weiß noch nicht ob die rothe (wie doch wahr­schein­lich ist) von einer andern Art Cin­cho­naher­rührt.

Ueber­haupt ist die Chi­na­rin­de bei­der­lei Art das ers­te Heil­mit­tel, die sin­ken­de Lebens­kraft zu heben und die davon ent­ste­hen­den Uebel zu til­gen, wohin auch ihre spe­zi­fi­sche Kraft gegen peri­odisch zurück­keh­ren­de Krank­hei­ten zu rech­nen ist. Brand, Typhus, Wech­sel­fie­ber, zögern­de Eite­rung, Keuch­hus­ten und fast alle chro­ni­sche Krank­hei­ten sind ihr Wir­kungs­kreis. Straf­fe Faser, Ent­zün­dungs­an­la­ge und Unrei-nig­kei­ten der ers­ten Wege sind ihre Gegenanzeigen.

In allen die­sen Fäl­len thut die rothe äch­te Rin­de fast noch ein­mal so viel, in glei­cher Gabe.

Man erhält an Garay­ischem Extrak­te (wesent­li­ches Chi­na­salz, sal essen­tia­le Chinaegenannt) von sehr lieb­li­chem kräf­ti­gem Geschma­cke und rha­bar­ber­ähn­li­chem Geru­che aus der röh­rich­ten Rin­de, nach Rem-ler, fast 1/​14 an wäs­se­ri­gem durch Kochen berei­te­tem Extrak­te im Durch­schnit­te 3/​8, an geis­ti­gem aber etwa 1/​6, wel­ches letz­te viel zusam­men­zie­hen­de Thei-le, aber wenig Geruch besitzt.

Das Garay­ische Extrakt von der rothen Rin­de ist wei­ßer, und kömmt der Quas­sie an Geschmack nahe.

Ein vor­treff­li­ches Chi­na­ex­trakt (Extr. novum cort. peru­via­ni, in ame­ri­ca aus­tra­li para­tum) kömmt über Spa­ni­en nach Eng­land, wel­ches vom stärks­ten Chi­na­ge­ru­che und Geschmack, ohne Bränz­lich­keit, etwas weich von Kon­sis­tenz und von dunk­ler Far­be ist. Es löset sich schwer in kal­tem, leicht aber in kochen­dem Was­ser auf.

Es ist sehr kräf­tig und wohl­feil und scheint dort aus der fri­schen Rin­de berei­tet und an der Son­ne ein­ge­dickt wor­den zu seyn.

Bei­de Rin­den ver­lie­ren durch Kochen fast alle ihre anti­ty­pi­schen Kräf­te und behal­ten fast blos die bit­tern und zusam­men­zie­hen­den, meh­rern andern Gewäch­sen eig­nen, Bestandt­hei­le. Ein kräf­ti­ges Chi­na­ex­trakt muß daher ganz ohne Kochen berei­tet wer­den, durch lau­en oder doch nur war­men (120°-150°) Auf­guß und durch Abdüns­ten im Wasserbade.

Das fei­ne Pul­ver einer guten Rin­de ist einem glei­chen Gewich­te gewöhn­li­cher Wei­se berei­te­ten Extrakts an Wech­sel­fie­ber hei­len­den Kräf­ten noch vor-zuziehn.