Arsenik

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Arse­nik. Es gie­bt meh­re­re Abän­de­run­gen die­ses mine­ra­li­schen Kör­pers in der Offi­zin, wel­che fast alle blos zu tech­ni­schem und öko­no­mi­schem Gebrau­che bestimmt sind.

Der Flie­gen­stein (Scher­ben­ko­bald, cad­mia metal-lica, cad. nati­va, cobal­tum crystal­li­sa­tum, arse-nicum nati­vum fria­bi­le et poro­sum Cronst.) ist ein in Böh­men und Sach­sen gegrab­ner natür­li­cher Arse­nik­kö­nig, eine Sub­stanz aus hohl über­ein­an­der lie­gen­den, sprö­den, zer­reib­li­chen, etwas metal­lisch glän­zen­den, schwärz­lich blei­farb­nen Blät­tern zusam­men­ge­setzt. (Er ent­hält nichts von dem Halb­me­tal­le, wel­ches man Far­ben­ko­bald nennt.) Sei­ne spe­zi­fi­sche Schwe­re ist 8, 30; er ver­dampft bei 380° Fah­renh. als ein grau­er, wie Knob­lauch stin­ken­der Rauch, und löset sich in kal­tem Was­ser lang­sam, in kochen­dem aber schnel­ler, und in bei­den Fäl­len in allen Ver­hält­nis­sen auf.

Wei­ßer Arse­nik (arse­ni­cum album). Den beim Rös­ten arsenik­hal­ti­ger Erze davon gehen­den Rauch sam­melt man (vor­züg­lich im säch­si­schen Erz­ge­bir­ge) in lan­gen wage­rech­ten Schlot­ten auf, das Sub­li­mat ist ein grau­es Gift­mehl, (wel­ches man auch zuwei­len Flie­gen­stein nennt, von 3, 700 spe­zi­fi­scher Schwe­re,) wor­aus durch eine zwei­te Sub­li­ma­ti­on ein dich­ter glas­ar­ti­ger, auf sei­ner Flä­che weiß beschla­gen­der Kör­per ent­steht, den man wei­ßen Arse­nik nennt, ein mehr vom Brenn­ba­ren befrei­ter Arse­nik­kö­nig, ein Arse­nik­kalk. Sein spe­zi­fi­sches Gewicht ist 5, 000; er löset sich leich­ter als der metal­li­sche Arse­nik, und eben­falls in allen Ver­hält­nis­sen in Was­ser auf, auch in Oelen zu einer pflas­ter­ar­ti­gen Mas­se. Er ver­dampft mit gleich stin­ken­dem Geru­che glü­hend bei 430° Fah-renh.

Flie­gen­stein sowohl als Gift­mehl und wei­ßer Arse­nik zei­gen eine sau­re Natur, letz­te­rer am meis­ten; sie schme­cken metal­lisch ätzend.

Operment (auri­pig­mentum), ein in Per­si­en und Ungarn gegrab­nes Arse­nik­erz, wel­ches aus gelb­glän­zen­den, durch­schei­nen­den, glim­mer­ar­ti­gen, dicht über­ein­an­der lie­gen­den, zer­reib­li­chen Blät­tern zusam­men­ge­setzt ist, eine natür­li­che Ver­bin­dung von 9 Thei­len Arse­nik und einem Theil Schwe­fel, von 3, 315 spe­zi­fi­schem Gewich­te, wel­che sich sehr lang­sam in kochen­dem Was­ser und in einem klei­nen Ver­hält­nis­se auflöst.

Von ähn­li­cher Natur ist auch der gel­be Arse­nik (arse­ni­cum citrinum), eine der­be durch Kunst erzeug­te Mas­se von etwas stin­ken­dem Geruche.

Rausch­gelb, (Risig­al, Real­gar arabum, Sand­ara-cha grae­corum, arse­ni­cum sand­aracha L.) ist röth­li-cher als Operment, übri­gens von ziem­lich glei­cher Natur. Es kömmt in theils undurch­sich­ti­gen, theils durch­schei­nen­den Stü­cken von sta­lak­ti­scher oder auch krystal­li­ni­scher Gestalt zu uns, und wird in glei­chen Gegen­den gegra­ben. Sei­ne Röthe min­dert sich durch Befeuch­tung mit Sal­pe­ter­säu­re; er ent­hält 4/​21 Schwe­fel, und hat 3, 225 spe­zi­fi­sche Schwe­re. Die Wör­ter Rausch­gelb und Risig­alkom­men bei­de aus dem ita­lie­ni­schen Rosso­gal­lo(roth­gelb) her.

Der künst­li­che rothe säch­si­sche Arse­nik (arsen. rubr.) ist in sei­ner Natur nicht weit vom Rausch­gelb ver­schie­den, und hat nur etwas mehr Schwe­fel in sei­ner Mischung.

Alle geschwe­fel­te Arse­nik­ver­bin­dun­gen bren­nen auf Koh­len mit einem blau­en Flämm­chen, und rau­chen dann mit einem nach Knob­lauch stin­ken­den Damp­fe hin­weg. Man braucht sie größ­tent­heils nur zu Farben.

Der Flie­gen­stein und wei­ße Arse­nik sind die gefähr­lichs­ten aller metal­li­schen Gif­te. Etli­che Gran töden den Men­schen fast zuver­läs­sig. Mehl­breie, Sei­fe zur dick­li­chen Kon­sis­tenz auf­ge­löst und kalk­ar­ti­ge Schwe­fel­le­ber sind die hülf­reichs­ten Gegen­mit­tel. Sei­ne Gegen­wart in Flüs­sig­kei­ten ent­deckt man durch den grün­gel­ben Nie­der­schlag, wenn man Kup­fer­sal­mi­ak (Kup­fer­kalk in mil­dem flüch­ti­gen Lau­gen­sal­ze auf­ge­löst) ein­tröp­felt, und durch das pome­ran­zen­gel­be Prä­zi­pi­tat, wel­ches von schwe­fel­le­ber­luft­hal­ti­gem Was­ser gefäl­let wird (m. Arse­nik­ver­gif­tung v.H.). Bei­de Nie­der­schlä­ge ver­brei­ten ihren Knob­lauch­ge­ruch auf Kohlen.

Da zur Ver­til­gung schäd­li­cher Thie­re, der Flie­gen, Scha­ben, Rat­ten, Mäu­se u.s.w. kein Arse­nik nöthig ist, weil es unschäd­li­che­re Aus­rot­tungs­mit­tel der­sel­ben gie­bt, so darf der Apo­the­ker kei­nem Mehl­händ­ler, Bier­brau­er, Becker und Mül­ler Arse­nik ver­ab­fol­gen las­sen, nicht nur weil von die­sem Gif­te leicht etwas durch Unacht­sam­keit in jene unent­behr­li­che Nah­rungs­mit­tel gera­then kann, son­dern weil auch die Rat­ten und Mäu­se nicht sel­ten den Arse­nik in Gefä­se mit Mehl, Malz, Grau­pen u.s.w. zu spey­en pfle­gen, und so oft gan­ze Fami­li­en unglück­lich gemacht haben.

Blos männ­li­chen Per­so­nen von eini­ger Bedeu­tung, wel­che mit Far­ben und Fär­be­rei über­haupt, und Kat­tun- und Pelz­werk­fär­ben ins­be­sond­re, mit metal­li­schen Kom­po­si­tio­nen, Gold- und Sil­ber­schei­den, fei­nen Glas­fa­bri­ka­ten und ähn­li­chen Küns­ten sich beschäf­ti­gen, und den Arse­nik nament­lich zu einer der­glei­chen Arbeit ver­lan­gen, kann der Apo­the­ker den­sel­ben, so wie nam­haf­ten und ehren­haf­ten Aerz­ten, Wund­ärz­ten und Vieh­ärz­ten unter den Bedin­gun­gen ver­ab­fol­gen las­sen wel­che im Arti­kel Gift nach­zu­se­hen sind.

Da der Arse­nik in Auf­lö­sung zu 1/​10 bis 1/​8 Gran alle in Typen zurück­keh­ren­den Krank­hei­ten hemmt, so wird es künf­ti­gen Zei­ten, wo wir gewis­sen­haf­te­re, hell­sich­ti­ge­re, behut­sa­me­re Aerz­te und sorg­fäl­ti­ge­re Apo­the­ker zu erwar­ten haben, vor­be­hal­ten seyn, die­ses äus­serst wirk­sa­me Gift zu einem äus­serst wirk­sa­men Hülfs­mit­tel in den ver­zwei­felts­ten Beschwer­den der lei­den­den Mensch­heit umzuschaffen.