Lesetipp: Die Kräuter in meinem Garten

Zahl­lo­se Kräu­ter­bü­cher über­schwem­men den Markt. Wel­che Aus­wahl­kri­te­ri­en sind nützlich?

Ein Aus­wahl-Kri­te­ri­um für Lese­rin­nen und Leser könn­te ein wis­sen­schaft­li­cher sein: Die moder­ne Pflan­zen­heil­kun­de unter­sucht dazu die Inhalts­stof­fe der Heil­pflan­zen und geht meis­tens von einem soge­nann­ten Haupt­wirk­stoff aus, den die Wis­sen­schaft­ler oder Phar­ma­zeu­ten als Wirk­be­stand­teil und damit als heil­sam fest­ge­stellt haben. Um die Arz­nei­mit­tel­si­cher­heit zu gewähr­leis­ten, müs­sen die Wirk­stof­fe außer­dem in einer bestimm­ten Kon­zen­tra­ti­on vor­han­den sein. Arz­nei­mit­tel aus Heil­pflan­zen unter­lie­gen also den­sel­ben hohen Her­stel­lungs- und Sicher­heits-Kri­te­ri­en wie syn­the­tisch her­ge­stell­te Arz­nei­mit­tel. Das ist für Her­stel­ler von Pflan­zen­heil­mit­teln eine beson­de­re Her­aus­for­de­rung. Denn Heil­pflan­zen wach­sen in der Natur, die natür­li­cher­wei­se kei­ne Labor­be­din­gun­gen hat. Wet­ter, Kli­ma­wan­del, Wär­me oder Käl­te bestim­men in Wachs­tums­pe­ri­oden die Inhalts­stof­fe von Heil­pflan­zen. Wenn bei­spiels­wei­se der Früh­ling nass ist, im Som­mer die Son­ne zu wenig scheint, kön­nen Heil­pflan­zen zum Bei­spiel nicht genü­gend äthe­ri­sche Öle her­stel­len. Doch eine bestimm­te Pro­zent­zahl an den Haupt­in­halts­stof­fen ist bei Heil­pflan­zen nötig, um als Arz­nei­mit­tel ver­kauft wer­den zu dür­fen. Die stren­ge wis­sen­schaft­li­che Her­an­ge­hens­wei­se hat im Lau­fe der let­zen Jahr­zehn­te bewirkt, dass von den ehe­mals tau­sen­den zur Ver­fü­gung ste­hen­den Heil­pflan­zen mitt­ler­wei­le nur noch ein paar Hun­dert als “ech­te Arz­nei-Heil­pflan­zen” gel­ten. Erfah­re­ne Pflan­zen­heil­kund­ler kri­ti­sie­ren des­halb die Redu­zie­rung der Heil­pflan­zen auf ihre ein­zel­nen Inhalts­stof­fe und for­dern des­halb Heil­pflan­zen als Viel­stoff­ge­mi­sche anzu­er­ken­nen. Denn immer deut­li­cher wird auch bei den phar­ma­ko­lo­gi­schen Unter­su­chun­gen, dass wahr­schein­lich eher eine Viel­zahl der in den Heil­pflan­zen vor­han­de­nen Inhalt­stof­fe unter­ein­an­der heil­sa­me Ver­bin­dun­gen schaf­fen – die jedoch weder bekannt noch erforscht sind.

Die Kräuter in meinem Garten – ein traditioneller Ansatz

© Freya Ver­lag GmbH

Ein ande­res Aus­wahl­kri­te­ri­um für Heil­pflan­zen­bü­cher kann der soge­nann­te tra­di­tio­nel­le Ansatz sein. Das heißt, das zum Teil uralte Wis­sen von Heil­kun­di­gen aus aller Welt wird berück­sich­tigt: Die Hei­ler des Alter­tums oder Mit­tel­al­ters schlos­sen auf­grund des Aus­se­hens, Geruchs, Geschmacks auf mög­li­che Heil­wir­kun­gen von Pflan­zen. Sie gaben ihr Wis­sen münd­lich oder spä­ter schrift­lich wei­ter. Zu einem gro­ßen Teil beru­fen sich auch die moder­nen For­schun­gen auf eben die­ses Wis­sen. Da die frü­he­ren Hei­ler der Natur, ihren Erschei­nun­gen und Gesetz­mä­ßig­kei­ten sehr ver­bun­den waren, wur­den auch magi­sche oder reli­giö­se Gebräu­che mit bei den Heil­pflan­zen-Anwen­dun­gen ein­be­zo­gen, was von Hip­po­kra­tes (460–370 vor Chr.), dem Vater der moder­nen Medi­zin, schon kri­ti­siert wur­de. Heil­pflan­zen und Kräu­ter wur­den also nicht nur inner­lich oder äußer­lich ange­wandt, son­dern auch als Schutz für Men­schen, Tie­re, Haus und Hof. Oder als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel, um bei­spiels­wei­se Geis­ter gut zu stim­men, oder sie eben fern zu halten.

500 Heilpflanzen, 2000 Anwendungen, 1000 Rezepte

Ganz in die­sem Sin­ne ist das Buch “Die Kräu­ter in mei­nem Gar­ten” ver­fasst. Die bei­den Autoren haben in unglaub­li­cher Fleiß­ar­beit das Wis­sen zu 500 unter­schied­li­chen Heil­pflan­zen aus aller Welt zusam­men­ge­tra­gen (der größ­te Teil bezieht sich aller­dings auf die ein­hei­mi­schen Heil­pflan­zen). Und nicht nur das. Neben alten und neu­en heil­pflanz­li­chen Erkennt­nis­sen befin­den sich in dem kom­pak­ten und schön gebun­de­nen Buch 2000 Anwen­dun­gen und 1000 Rezep­te. In ihrer Ein­lei­tung oder “Ein­stim­mung” zum Buch erläu­tern die Autoren ihre bun­te Aus­wahl an Heil­pflan­zen mit der Glo­ba­li­sie­rung: “Die Welt ist klein gewor­den”, schrei­ben sie. Weil bei­spiels­wei­se vie­le Men­schen welt­weit Län­der in ihren Urlau­ben berei­sen, ler­nen sie nicht nur ein­hei­mi­sche, son­dern auch exo­ti­sche Flo­ra oder beson­de­re Heil­pflan­zen der Urlaubs­län­der ken­nen. Weil so man­che chro­nisch Kran­ke ihr Heil in scha­ma­ni­schen oder fremd­län­di­schen Medi­zin-Sys­te­men mit all’ ihren Ritua­len und Heil­kräu­tern suchen, fin­det sich also auch eine Aus­wahl an wich­ti­gen fremd­län­di­schen Heil­pflan­zen im bespro­che­nen Buch. Die Autoren haben zudem beson­de­ren Medi­zin­rich­tun­gen wie der Tra­di­tio­nel­len Chi­ne­si­schen Medi­zin (TCM) beson­de­re Auf­merk­sam­keit geschenkt. Oder in “Die Kräu­ter in mei­nem Gar­ten” wur­den extra alter­na­tiv­me­di­zi­ni­sche Rubri­ken wie Erkennt­nis­se aus der Volks­me­di­zin, Homöo­pa­thie, Bach­blü­ten oder “Magi­sches” auf­ge­nom­men. Unter Letz­te­rem kann das Wis­sen von Magi­ern, Scha­ma­nen, Volks­tüm­li­che Anwen­dun­gen oder auch astro­lo­gi­sche Zuord­nun­gen von Heil­pflan­zen wie zusätz­lich unter­stüt­zen­de Heil­stei­ne zusam­men gefasst werden.

Die Unterteilungen im Buch

Jeder Heil­pflan­ze ist eine oder eine Dop­pel­sei­te des Buches gewid­met. Ein Foto zeigt die Heil­pflan­ze, tabel­la­risch wer­den im Über­blick die wich­tigs­ten Daten zusam­men­ge­stellt: Bota­ni­scher Name, Stand­ort, Blü­te- und Sam­mel­zeit, Inhalts­stof­fe und Eigenschaften.

Dem Magi­schen wird viel Bedeu­tung bei­gemes­sen. So fin­det sich zen­tral das Wis­sen um die frü­he­re Anwen­dung der Heil­pflan­ze, wem sie z.B. gewid­met war, von wem sie oder zu wel­chem Zweck ein­ge­setzt wur­de. An die­ser Stel­le kom­men auch Sagen, Mär­chen, Geschich­ten aus dem Vol­ke zum Tra­gen. Dann fol­gen Hin­wei­se zum Sam­meln, Kon­ser­vie­ren oder sons­ti­gem Auf­be­wah­ren, wobei die moder­ne Situa­ti­on der Heil­pflan­zen eben­falls Berück­sich­ti­gung fin­det. Ist eine Heil­pflan­ze geschützt, wird bei­spiels­wei­se auf das Sam­mel­ver­bot hin­ge­wie­sen. Hat eine Heil­pflan­ze für die soge­nann­te Hil­de­gard­me­di­zin oder TCM beson­de­re Bedeu­tung, ver­weist ein Extra­kas­ten dar­auf. Bei jeder Heil­pflan­ze wur­den die gebräuch­lichs­ten Anwen­dun­gen zusam­men­ge­tra­gen. Bei der Bir­ke (Betu­la pen­du­la) wird bei­spiels­wei­se auf den bedeut­sa­men Ein­satz als Rheuma‑, Gicht- und Blut­rei­ni­gungs­mit­tel ver­wie­sen. Die viel­fäl­ti­gen Mög­lich­kei­ten von Bir­ken-Anwen­dun­gen sind ange­führt: Inner­lich als Tee, als Teil- und Sitz­bä­der, als Bir­ken­saft oder im Salat als Wild­kraut. Selbst der Hin­weis auf das Bir­ken­haar­was­ser fehlt nicht. Es sind immer kur­ze Rezep­tu­ren für die jewei­li­gen Anwen­dun­gen ange­führt. Im Fal­le der Bir­ke ist sogar der Ansatz eines Haar­was­sers zum Sel­ber­ma­chen dabei. Neben den vie­len Infor­ma­tio­nen ist also auch der prak­ti­sche Aspekt nicht zu kurz gekommen.

Auf man­chen Sei­ten gibt es Extra-Käs­ten, in denen Wis­sens­wer­tes wie bei­spiels­wei­se zum Destil­lie­ren von Pflan­zen, Enfeu­ra­ge, Blü­ten­es­senz nach Dr. Bach zum Sel­ber­ma­chen zusam­men­ge­tra­gen wur­de. Die bun­te, viel­fäl­ti­ge Aus­wahl bie­tet ein sehr brei­tes Spek­trum. Wie schon erwähnt, steht eine gro­ße Fleiß­ar­beit hin­ter die­ser Zusam­men­stel­lung – Rezep­te für die Schön­heit, Gesund­heit – es ist für jeden Geschmack etwas dabei.

Fazit: Das Buch kann somit als Fund­gru­be, Schatz­kis­te oder als Nach­schla­ge­werk die­nen. Es umfasst 800 Sei­ten, ist gebun­den und wird sicher­lich einem Natur‑, Gar­ten- und Kräu­ter­lieb­ha­ber als hoch­wer­ti­ges Geschenk Freu­de bereiten.

Hirsch S, Grün­ber­ger F: Die Kräu­ter in mei­nem Gar­ten. Freya Ver­lag GmbH, Linz. Euro: 34,90 (direk­te Bestel­lung bei Ama­zon)

Autorin
• Mari­on Kaden, Heil­pflan­­zen-Welt (Novem­ber 2017).
wei­te­re Infos
Geschich­te und Bedeu­tung der Monographien
Han­dels­wa­re Arzneipflanzen
Situa­ti­on der Heil­pflan­zen vor 100 Jahren

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