Mode: Ein schnelllebiges Geschäft
Mode macht Spaß. Jede Saison gibt es massenhaft neue Waren. Das schnelllebige Geschäft hat oft weder nachhaltigen Charakter, noch sind Farben oder Materialien gesundheitsverträglich. Die Zunahme von Allergien und Unverträglichkeiten oder auch Belastungen für die Umwelt in vielen Ländern, die oft sozialunverträglichen Herstellungsbedingungen könnten nachdenklich stimmen.
Mode macht Spaß. Das Aussuchen und Kaufen von modischer Kleidung, Schuhen oder Accessoires wird geprägt vom persönlichen Geschmack, Vorlieben und ist oft auch Ausdruck oder Unterstreichung der Individualität. Wohl zu keiner Zeit war die Mode so bunt und vielfältig an Farben, Stoffen und extravaganten Materialien wie heute. Die chemische – genauso wie die Modeindustrie wartet jede Saison mit Neuem auf, um die hohen Erwartungen moderner Kunden und Kundinnen zu befriedigen. Längst sind bügelfreie Hemden, immer sitzgerechte Hosen, absolut farbechte Stoffe, knitterfreie oder extra kuschelig-weiche Materialien alltäglich. Was vielen Konsumenten nicht bewusst ist: Um beispielsweise bestimmte Faserstrukturen zu erhalten, müssen Chemiefasern mit Kunstharzen ummantelt werden.
Nachhaltig? Früher hätte niemand kaputte Hosen gekauft
Oder: Textilien (das gilt auch für Schuhe oder Accessoires), die sogenannten Veredelungen unterzogen werden, benötigen verschiedenste chemische Zusätze, möglicherweise sogar zu zahlreichen unterschiedlichsten Zeitpunkten der Herstellung. Diese Behandlungen haben nicht nur einen monetären, sondern können auch einen gesundheitlichen Preis haben: Denn Kunstfasern verschiedenster Herkunft können zu Reizungen, Ekzemen und Allergien führen – trotz aller medizinischen Testungen vorher (meist an Tieren). Auch die meisten verwendeten kommerziell verwendeten Farben haben nicht gerade einen guten Ruf. Sie bestehen oft nicht nur aus einer Farbe, sondern aus einem Farbenmix wie beispielsweise Schwarz, welches aus Blau, Orange und Braun besteht. Leider sind die meisten industriell hergestellten Farben gesundheitlich oder ökologisch bedenklich. Sie können beispielsweise giftig, fruchtschädigend, krebserregend oder biologisch nicht abbaubar sein.
Waschanweisungen geben Auskunft über die Schadstoffbelastungen
Und so kann die Freude am Kauf eines schicken, angesagten Bekleidungsstücks von kurzer Dauer sein. Vielleicht noch nicht bei der Anprobe, aber vielleicht beim ersten Tragen kann ein unangenehmes Gefühl auf der Haut, Kribbeln oder Juckreiz dafür sorgen, dass es schnellstens in den Tiefen des Kleiderschranks verwindet. Die Ursachen für die Hautirritationen können vielfältig sein: Textile Hilfs- und Färbemittel beispielsweise, die gerade auch bei Chemiefasern eingesetzt werden, sind nicht besonders fest mit den Fasern verbunden. Sie lösen sich leicht und gelangen bei Kleidungsstücken, die direkt auf der Haut aufliegen, über die Haut direkt in den Organismus. Der kann dann mit allergischen Kontaktekzemen reagieren. Diese müssen nicht sofort auftreten, sondern können sich erst 24–72 Stunden später durch Ausschlag mit Rötungen, Schwellungen, Bläschenbildung äussern. Problematisch: Auf eine allergene Reaktion auf z. B. eine Farbe oder ein Metall (Nickel oder Bleiverschlüsse) können weitere allergene Reaktionen auf andere Materialien folgen, so dass eine Art Dominoeffekt entsteht und schlimmstenfalls sogar ein “Etagenwechsel” beispielsweise von einer Hautallergie zu einem allergischen Asthma folgen kann. Deshalb sind derartige Kontaktekzeme nicht zu bagatellisieren. Hautärzte bestimmen durch Allergietests die häufiger vorkommenden Allergie-Verursacher. Diese müssen dann zukünftig möglichst vermieden werden.
Nicht jedes Hautjucken muss eine allergische Reaktion aufzeigen. Manchmal sorgen auch luftundurchlässige Kleidungsstücke zu vermehrter Schweissbildung und zu Hautirritationen. Auch raue Fasern oder grobe Wolle können allein durch mechanische Reizung zu Hautjucken führen.
Massenhafte Waren jede Saison
Menschen, die unter Neurodermitis leiden und deren Haut ohnehin schon in ihrer Barriere- und Schutzfunktion gestört ist, sollten unbedingt Kleidung mit zu vielen Farb- und Zusatzstoffen meiden. Auch ältere Menschen oder Patienten, die dauerhaft Kortison nehmen müssen, können aufgrund der dünner werdenden Haut, empfindlicher auf Schadstoffe jeder Art reagieren. Besonders schützenswert ist natürlich die Haut von Säuglingen, Babys und Kleinkindern. Bei ihnen ist das Immunsystem noch nicht vollkommen ausgereift bzw. aufgebaut. Ihre Haut nimmt Schadstoffe besonders gut und leicht auf. Ein bewusster, bzw. verantwortungsbewusster Kleiderkauf für die Kleinen kann die Weichen für ihr weiteres, allergiefreies Leben bestimmen.
Hinweise auf fragwürdige Eigenschaften:
* schmutzabweisend * antimikrobiell * antistatisch * antismell * flammgeschützt * fusspilzhemmend * pilzfrei * waschmaschinenfest * superwash * formstabil * bügelfrei * filzfrei * wash & wear * vor dem ersten Tragen waschen * knitterfrei * hochveredelt * besonders pflegeleicht * fade out * nur mit gleichen Farben waschen
Besonders achtsam bei Babys sein
Baby-Kleider-Weitergabe: Weil Säuglinge, Babys und Kleinkinder schnell wachsen, die Kleidung oft unverhältnismässig teuer ist, wird Babykleidung, die zu klein geworden ist, gerne an werdende Mütter weitergegeben. Das ist genau der richtige Ansatz: Die Wäsche ist nämlich mittlerweile so oft gewaschen, dass sie sehr viel weniger Schadstoffe enthält. Die Übernahme solcher Kleidungspakete sollte also nicht mit Scham verbunden sein (“ich kann mir nichts anderes leisten ”), sondern ausschliesslich mit dem guten Gefühl, das Beste für die Kleinen hinsichtlich der Kleidungsschadstoffbelastung zu tun. Zudem drückt dies einen verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen dieser Welt aus.
Kauf von Baby-Wäsche
* darauf achten, dass die Wäsche nicht stark gefärbt ist
* der Hinweis “reine Baumwolle” ist kein Qualitätsmerkmal. Es können trotzdem viele z. B. Insektizide in dem Gewebe enthalten sein. Deshalb: Babywäsche mit direktem Hautkontakt immer vorher waschen
* bei Wollkleidung sichert das Label “reine Schurwolle”, dass Wolle von Schafen verwendet wurde. Allerdings werden auch Schaffelle mit Insektiziden behandelt. Deshalb: Bei Unsicherheiten lieber vorher waschen.
Schnäppchen: Ohne jede Nachhaltigkeit
Doch nicht nur die gesundheitlichen Aspekte von gesunder Kleidung sind relevant. Eng verknüpft mit billiger oder bezahlbarer Mode ist häufiger die rücksichtslose Ausbeutung der Umwelt, der hohe Verbrauch von Ressourcen wie Energie, Wasser oder auch menschenunwürdige, gesundheitsschädigende Arbeits- und Produktionsbedingungen vor allem in den Ländern der Dritten Welt. Umweltbewusste, sozial engagierte Konsumenten sind deshalb bereit, für schadstofffreie, umweltfreundlich hergestellte und fair gehandelte Kleidung mehr zu zahlen. In den letzten 15 Jahren haben sich internationale, nationale oder auch regionale Verbände um die Entwicklung von Gütesiegeln bemüht, die Nachhaltigkeit in unterschiedlicher Weise darstellen sollen. Den bisher entwickelten Gütesiegeln fehlen jedoch vereinheitlichte Richtlinien oder Standards, was bei Konsumenten für Verwirrung sorgen kann. Zur Zeit gibt es jedoch keine anderen Ansätze.
Beispiele:
* Der Internationale Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN) führt seit dem Jahre 2000 das Label IVN-Best. Es gilt nur für Naturfasern, die 100prozentig biologisch erzeugt sein müssen, der Einsatz von Chemikalien ist besonders streng geregelt. Bei Anbau und Verarbeitung werden existenzsichernde Löhne garantiert.
* Der GOTS (Global Organic Textile Standard) von der International Working Group on Global Organic Textile wurde 2006 eingeführt. Er betrifft nur Naturfaser-Textilien. Das Siegel bezieht sich auf die gesamte Produktionskette, enthält soziale Standards und Zahlung von Mindestlöhnen.
* Es gibt auch Gütesiegel für die Lederverarbeitung (z.B. IVN Naturleder). Denn um Leder zu gerben, müssen unglaubliche Mengen an Chemikalien eingesetzt werden. Belastete Abwässer entstehen und während des gesamten Produktionsprozesses sind die Arbeiter hohen Gesundheitsbelastungen ausgesetzt.
Baumwolle
Baumwolle in Fruchtkapsel
Das natürliche Gewebe wird gerne auf der Haut getragen, weil es einen hohen Tragekomfort bietet und z. B. auch Schweiss gut aufnimmt. Leider benötigt das tropische Gewächs sehr viel Wasser, um seine Samenhaare auszubilden, aus denen dann die Baumwollfaser gewonnen wird. Um ein Kilo Baumwolle zu produzieren, werden bis zu 17.000 Liter Wasser benötigt (sogenanntes virtuelles Wasser: zur Erzeugung eines Produkts). In besonders heissen Regionen sogar 29.000 Liter – das ist ökologisch eine Katastrophe. Gerade in Regionen der Dritten Welt in denen Wasser ohnehin knapp ist, führen künstliche Baumwoll-Bewässerungen zur Versalzung der Böden, zum Aufbrauchen der Wasserreserven, Erosionen oder Vergiftungen des Grundwassers (z. B. durch Einsatz von Pestiziden). Längst ist die Wasserverteilung weltweit – auch gerade in trockenen Regionen zu einem Politikum geworden. Es wird gegenwärtig an Methoden gearbeitet, wie Baumwolle z. B. mit weniger Wasser auskommen kann. Doch können auch Konsumenten etwas tun: Ältere Baumwollhemden müssen nicht weggeworfen, sondern können weiter getragen (Vorteil: keine gesundheitsbedenklichen Schadstoffe mehr) oder auch umgearbeitet werden. Auch bei den Jeans kann ein Umdenken stattfinden: Zur Herstellung der allseits beliebten Hose sollen innerhalb des Produktionsprozesses weitere 8.000 Liter nötig sein. Der Wasserverbrauch wird noch weiter gesteigert, wenn z. B. Verschönerungen wie “stonewashed” hinzukommen. Was nichts anderes bedeutet, dass Arbeiter mit Hochdruckstrahlern die Hosen bearbeiten und damit ihre Gesundheit gefährden. Ob derartige Modetrends immer mitgemacht werden müssen, können Konsumenten entscheiden. Oder sie können auch Produkte von Öko-Herstellern (z.B. hessnatur, Kuyichi, Nudie Jeans) kaufen, die z. B. bei Jeans darauf achten, dass weniger Dünger oder Pestizide bei der Baumwollproduktion eingesetzt werden oder auch der Wasserverbrauch deutlich reduziert ist.
Die Ausstellung “Fast Fashion. Die Schattenseite der Mode” läuft im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe vom 20 März bis zum 25. Oktober 2015. Die Ausstellung ist sehenswert, denn sie gibt zum Teil sehr bedrückende Einblicke “hinter die Kulissen der glamourösen Mode”. Fotos von Arbeitern, Näherinnen aus den ärmsten Regionen der Erde zeigen unter welchen Bedingungen Menschen unsere schnelllebige Mode zumeist für Hungerlöhne herstellen. Auch auf z.B. die Umweltschäden werden gezeigt, die der Anbau der Baumwolle oder Färbereien der Textilien, langfristig anrichten oder schon gegenwärtig irreparable Schäden in vielen Teilen der Erde angerichtet haben. Nicht nur auf die skandalösen, gesundheitsschädigenden und menschenverachtenden Folgen wird hingewiesen, sondern auch auf die Folgen, der globalen Verflechtungen der Herstellungsprozesse, bei denen es immer nur um möglichst um kostengünstigste Produktionen und Gewinnmaximierung geht. Es ist eine anregende Ausstellung auch dahingehend, eigenes Konsumverhalten zu überprüfen, zu überdenken und vielleicht sogar Verhaltensveränderungen zu bewirken. Die Frage der Nachhaltigkeit stellt sich zwingend und die, wie durch eigenes Kaufverhalten Veränderungen global herbeiführen lassen.
Buchtipps
* Engelhardt, Andreas: Schwarzbuch Baumwolle: Was wir wirklich auf der Haut tragen. Deuticke im Paul Zsolay Verlag Wien, 2012.
* Piegsa, Edith: Green Fashion. Ökologische Nachhaltigkeit in der Bekleidungsindustrie. Diplomica Verlag, Hamburg, 2010.
[/box-gruen]
Autorin
• Marion Kaden, natürlich leben (Juni 2015).
weitere Infos
Themen rund um Nachhaltigkeit
Integrative Medizin: Ein Model der Nachhaltigkeit?
• Heilen Pflanzen der Phytotherapie?
• Herz-Kreislauf: Vorbeugung oder Gesundheitspflege?