Zelltherapie

Begründer:

Wer als der eigent­li­che Begrün­der der Zell­the­ra­pien zu sehen ist, ist nicht genau nach­voll­zieh­bar. Bereits im 19. Jahr­hun­dert stell­ten die rus­si­schen Ärz­te Fila­tow und Woro­now Ansät­ze zur Zell­the­ra­pie auf. Popu­lä­rer wur­de die Metho­de jedoch erst Anfang des 20. Jahr­hun­derts, als der deut­sche Chir­urg Prof. Dr. H. Kütt­ner in der Injek­ti­on von Zell­prä­pa­ra­ten eine Alter­na­ti­ve zur Organ-Trans­plan­ta­ti­on sah. Als eigent­li­cher “Vater” gilt der Schwei­zer Chir­urg Prof. Dr. Paul Nieh­ans, der 1931 einer Pati­en­tin wäh­rend einer Ope­ra­ti­on erst­mals eine mit Koch­salz ver­dünn­te Zell­flüs­sig­keit in den Brust­mus­kel spritz­te – und ihr damit das Leben rettete.

Ausführung:

Die bekann­tes­te Zell­the­ra­pie ist die Ori­gi­nal-Frisch­zel­len-The­ra­pie nach Nieh­ans. Ver­wen­det wer­den dabei fri­sche Zel­len tie­ri­scher Her­kunft: Orga­ne und Gewe­be­tei­le unge­bo­re­ner oder neu­ge­bo­re­ner Läm­mer und Käl­ber wer­den mikro­sko­pisch zer­klei­nert und mit einer Koch­salz­lö­sung auf­ge­schwemmt. Das Her­stel­lungs­ver­fah­ren erfolgt unter strengs­ten hygie­ni­schen Vor­keh­run­gen, denn Ver­un­rei­ni­gun­gen des Prä­pa­ra­tes kön­nen für den Pati­en­ten lebens­be­droh­lich sein.

Der Pati­ent erhält meh­re­re Injek­tio­nen die­ser Zel­len-Koch­salz-Lösung (kurz Zell­flüs­sig­keit genannt) in den Gesäß­mus­kel. Dabei kann sich die Injek­ti­on aus Zel­len meh­re­rer tie­ri­scher Orga­ne zusam­men­set­zen. Die Zusa­mens­et­zung erfolgt nach dem gewünsch­ten Ziel der Behand­lung und rich­tet sich gleich­zei­tig nach dem Gesund­heits­zu­stand des Pati­en­ten. Nach einer Zell­flüs­sig­keitsin­jek­ti­on wird der Pati­ent für zwei Tage unter kli­ni­sche Beob­ach­tung gestellt, um Kom­pli­ka­tio­nen aus­zu­schlie­ßen oder mög­li­che all­er­gi­sche Schock­re­ak­tio­nen (ana­phy­lak­ti­scher Schock) sofort zu behandeln.

Es ist auch mög­lich, die Zel­len im luft­lee­ren Raum zu trock­nen (= Tro­cken­zel­len) oder bei minus 196°C schock­zu­frie­ren (= Gefrier­zel­len). Die­se bei­den Zell­pro­duk­te sind lager­fä­hig und sol­len eben­so wir­kungs­voll sein wie fri­sche Zellen.

Inzwi­schen ist es auch mög­lich, den Zel­len Eiweiß zu ent­zie­hen. Das senkt bei der Behand­lung das Risi­ko einer all­er­gi­schen Reak­ti­on des Pati­en­ten. Des­halb ist nach die­ser Zell­the­ra­pie kein kli­ni­scher Auf­ent­halt nötig. Der Pati­ent soll­te ledig­lich Anstren­gun­gen in den fol­gen­den Tagen vermeiden.
Rela­tiv neu ist das Ver­fah­ren, aus der mensch­li­chen Pla­zen­ta (Mut­ter­ku­chen) Zell­sub­stan­zen zu ent­neh­men und medi­zi­nisch auf­zu­be­rei­ten. Anhän­ger die­ser The­ra­pie for­dern, die­se Sub­stan­zen in einer Zell­bank zu lagern und Mut­ter und Kind bei Bedarf zur Ver­fü­gung zu stel­len. Die Idee dahin­ter: Die Pla­zen­ta ent­hält wich­ti­ge Zell­bau­stei­ne, Nähr­stof­fe, Wachs- und Schutz­sub­stan­zen, die als Ersatz­ge­we­be dem Kör­per die­nen kön­nen, ohne daß Neben­wir­kun­gen zu befürch­ten sind.
Eine Son­der­stel­lung in der Zell­the­ra­pie nimmt die Injek­ti­on von Thy­mus­ex­trak­ten (aus der Käl­ber-Thy­mus­drü­se) ein. Die Auf­ga­ben der mensch­li­chen und tie­ri­schen Thy­mus­drü­se sind noch nicht ganz erforscht. Man weiß jedoch, daß die Thy­mus­drü­se beim Kind zum Wachs­tum bei­trägt und spä­ter die wei­ßen Blut­kör­per­chen auf ihre Abwehr­funk­ti­on im Kör­per “trai­niert”. Injek­tio­nen von Thy­mus­ex­trak­ten sol­len des­halb das kör­per­ei­ge­ne Abwehr­sys­tem stär­ken und kran­ken Orga­nen bei der Rege­ne­ra­ti­on hel­fen. Thy­mus­ex­trak­te sind mitt­ler­wei­le als Injek­ti­on und als Dra­gées verfügbar.

Zell­the­ra­pien wur­den bei ihrer Ein­füh­rung schnell zum “Jung­brun­nen” erho­ben, weil Pati­en­ten sich nach einer Frisch­zel­len­kur vita­ler fühl­ten und annah­men, daß fri­sche Zel­len den Alte­rungs­pro­zeß auf­hal­ten kön­nen, indem sie alte Zel­len ein­fach erset­zen. Die­se Vor­stel­lung ist wider­legt. Kein ernst­haf­ter The­ra­peut wird eine Zell­the­ra­pie als Ver­jün­gungs­mit­tel bezeich­nen. Sie wirkt zwar vita­li­sie­rend, kann den Alte­rungs­pro­zeß jedoch nicht aufhalten.

Wirkungsweise:

Der mensch­li­che Kör­per besteht aus etwa 70 Mil­li­ar­den Zel­len, die sich in jun­gen Jah­ren schnell und stän­dig erneu­ern. Mit zuneh­men­dem Alter funk­tio­niert der Zell­stoff­wech­sel jedoch schlep­pen­der. Die Zel­len kön­nen sich nicht mehr so schnell erneu­ern, des­halb tre­ten typi­sche Alte­rungs­er­schei­nun­gen und ‑beschwer­den auf.

Die Natur­heil­kun­de bie­tet ver­schie­de­ne Mög­lich­kei­ten, den Zell­stoff­wech­sel zu unter­stüt­zen: z. B. durch Umstim­men, Eigen­blut-The­ra­pie, Sau­er­stoff-The­ra­pie oder eben durch Zell­the­ra­pien. Dabei geht sie davon aus, daß fri­sche Zel­len, die in den Orga­nis­mus gebracht wer­den, durch die Blut­bah­nen genau zu dem Organ wan­dern, aus dem sie kom­men. Spritzt man also tie­ri­sche Zel­len aus dem Her­zen, wan­dern die­se zum mensch­li­chen Her­zen, spritzt man Zel­len aus dem Hirn, wan­dern die­se zum mensch­li­chen Gehirn usw. Die­se Annah­me ist schwer zu bewei­sen, aber Prof. Dr. Alfred Kment, Ordi­na­ri­us für Phy­sio­lo­gie an der tier­ärzt­li­chen Hoch­schu­le Wien, bestä­tig­te die­se The­se durch wis­sen­schaft­li­che Ver­suchs­rei­hen. Bio­che­mi­ker glau­ben dage­gen, daß die ein­ge­spritz­ten Zel­len im Kör­per in ihre Bestand­tei­le zer­legt wer­den und allen­falls als Bau­stei­ne das Ziel­or­gan in sei­ner Funk­ti­on unter­stüt­zen können.

Zell­the­ra­pien wol­len ein ange­grif­fe­nes Organ durch fri­sche Zel­len rege­ne­rie­ren, damit es sei­ne vol­le Funk­ti­ons­fä­hig­keit wie­der auf­neh­men kann. Außer­dem sol­len die Abwehr­kräf­te des Kör­pers gestärkt und damit die Selbst­hei­lungs­kräf­te geweckt werden.

Ach­tung: Schul­me­di­zi­ner war­nen davor, daß mit den tie­ri­schen Zel­len auch mög­li­che Krank­heits­er­re­ger in das Blut des Men­schen gelan­gen kön­nen. Das gilt beson­ders für Zell-Fer­tig­prä­pa­ra­te, die im Aus­land her­ge­stellt wer­den. Die Über­trag­bar­keit von Tier­seu­chen ist noch nicht aus­rei­chend genug erforscht, um das Risi­ko ganz auszuschließen.

Status:

Zell­the­ra­pien wer­den von der Schul­me­di­zin nicht aner­kannt, eher sogar wegen der bestehen­den Risi­ken abge­lehnt. Ihre Wirk­sam­keit sei, so Schul­me­di­zi­ner, nicht erwie­sen, und die Risi­ken stän­den in kei­nem Ver­hält­nis zum Nut­zen. Das Bun­des­ge­sund­heits­amt in Ber­lin hat 1987 sogar Warn­hin­wei­se bezüg­lich der Zell­the­ra­pien ver­öf­fent­licht und 1988 wur­den zell­the­ra­peu­ti­sche Fer­tig­arz­nei­en (die­se haben nichts mit der Frisch­zel­len­kur zu tun) in Deutsch­land verboten.

Zell­the­ra­peu­ten stel­len ihre Behand­lungs­er­fol­ge den Aus­sa­gen der Schul­me­di­zi­ner ent­ge­gen, doch sie wer­den kaum beach­tet. Des­halb wird der Streit wohl noch so lan­ge andau­ern, bis die Natur­heil­kun­de einen end­gül­ti­gen, wis­sen­schaft­li­chen Beweis für die Wirk­sam­keit der Zell­the­ra­pien erbracht hat (wei­te­re Infor­ma­tio­nen Adres­sen).

Quel­le
© Mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Honos Ver­la­ges, Köln, 2010.

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