Neuer Schutz-Standard soll Aussterben bedrohter Heilpflanzen stoppen

Schlüs­sel­blu­me (Pri­mu­la veris)

Über 400.000 Ton­nen Heil­pflan­zen-Roh­wa­re gelan­gen jähr­lich in den inter­na­tio­na­len Han­del. Rund acht­zig Pro­zent der gehan­del­ten Arten wer­den wild in der Natur gesam­melt – oft ohne Rück­sicht auf deren lang­fris­ti­ges Über­le­ben. Bären­trau­be, Teu­fels­kral­le, Schlüs­sel­blu­me oder die pazi­fi­sche Eibe sind nur eini­ge Bei­spie­le für Arten, die durch Über­nut­zung oder Lebens­raum­ver­lust gefähr­det oder gar vom Aus­ster­ben bedroht sind.

Mit einem durch­schnitt­li­chen Ver­brauch von 45.000 Ton­nen Heil­pflan­zen ist Deutsch­land im euro­päi­schen Ver­gleich Spit­zen­rei­ter. Welt­weit steht Deutsch­land beim Heil­pflan­zen-Import an vier­ter und beim Export an fünf­ter Stel­le und ist somit auch eines der wich­tigs­ten Han­dels­zen­tren. Zur teil­wei­se hem­mungs­lo­sen Aus­rot­tung von Heil­pflan­zen in vie­len Her­kunfts­län­dern gesellt sich ein oft­mals eben­so hem­mungs­lo­ses Ver­hal­ten von Han­del und Heil­pflan­zen ver­ar­bei­ten­der Indus­trie bei uns. Am offen­sicht­lichs­ten ist dies, wenn nach inter­na­tio­na­len Abkom­men – wegen der Gefahr ihres Aus­ster­bens – geschütz­te Arten impor­tiert und bei uns ver­ar­bei­tet wer­den, obwohl sie nicht aus land­wirt­schaft­li­chem Anbau oder nach­hal­ti­ger Wild­samm­lung stam­men. Ver­schärft wird das Pro­blem durch unan­ge­mes­se­ne Nut­zung von Phy­to­the­ra­peu­ti­ka: Immer öfter die­nen Heil­pflan­zen-Zusät­ze bei Kos­me­ti­ka, Hygie­ne­pro­duk­ten, Rei­ni­gungs­mit­teln oder ande­ren Pro­duk­ten als “natür­li­che” Ver­kaufs­ar­gu­men­te, was – neben der mas­siv anstei­gen­den medi­zi­ni­schen Nut­zung von Heil­pflan­zen welt­weit – die Nach­fra­ge und damit den Raub­bau an der Natur noch wei­ter vor­an­treibt [1].

Das Bun­des­amt für Natur­schutz BfN, die Welt­na­tur­schutz­uni­on IUCN, die Umwelt­stif­tung WWF und das Arten­schutz­pro­gramm TRAFFIC ent­wi­ckel­ten des­halb einen inter­na­tio­na­len Stan­dard, der erst­mals Kri­te­ri­en für eine nach­hal­ti­ge Wild­samm­lung von Heil- und Aro­ma­pflan­zen anbie­tet. “Das ist ein wich­ti­ger ers­ter Schritt weg vom scho­nungs­lo­sen Lee­ren der Apo­the­ke Natur hin zu einer nach­hal­ti­gen Samm­lung”, sag­te Prof. Dr. Det­lev Drenck­hahn, Prä­si­dent des WWF Deutsch­land bei der Vor­stel­lung des Stan­dards in Nürn­berg im Febru­ar die­ses Jah­res. Und der Prä­si­dent des Bun­des­amt für Natur­schutz, Prof. Dr. Hart­mut Vogt­mann, for­dert: “Die Rol­le, die Deutsch­land im Han­del mit Heil­pflan­zen spielt, muss sich auch in einer Ver­ant­wor­tung der Händ­ler und Unter­neh­mer für den Erhalt die­ser wich­ti­gen Natur­res­sour­cen wider­spie­geln” [2].

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In den “Inter­na­tio­na­len Stan­dard für Nach­hal­ti­ge Wild­samm­lung von Heil- und Aro­ma­pflan­zen” (ISSC-MAP – engl. Inter­na­tio­nal Stan­dard for Sus­tainable Wild Coll­ec­tion of Medi­cal and Aro­ma­tic Plants) sind unter ande­rem bestehen­de Prin­zi­pi­en und Richt­li­ni­en für nach­hal­ti­ge Wald­nut­zung, bio­lo­gi­schen Anbau, fai­ren Han­del und Pro­dukt­qua­li­tät ein­ge­flos­sen. Im Zen­trum steht die öko­lo­gi­sche Nach­hal­tig­keit der Samm­lung (auch für kom­men­de Gene­ra­tio­nen Wert und Nut­zen erhal­tend), die in exis­tie­ren­den Stan­dards zumeist nur eine Neben­rol­le spielt. Erfasst wer­den sol­len unter ande­rem der Schutz­sta­tus der Pflan­ze, ihr Bestand sowie mög­li­che Bedro­hungs­fak­to­ren. Bei der Fest­le­gung der Ern­te­me­tho­de und ‑men­ge sind vor allem die bio­lo­gi­schen Eigen­schaf­ten der Pflan­ze wich­tig. In den nächs­ten bei­den Jah­ren soll der Stan­dard in zehn Pro­jek­ten welt­weit umge­setzt und opti­miert wer­den [3].
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Das bedeu­tends­te inter­na­tio­na­le Regu­la­ri­um, das den Han­del mit bedroh­ten Arten regelt, ist CITES – die “Con­ven­ti­on on Inter­na­tio­nal Trade in End­an­ge­red Spe­ci­es of Wild Fau­na and Flo­ra”. CITES ist glei­cher­ma­ßen ein Abkom­men und eine inter­na­tio­na­le Orga­ni­sa­ti­on, die zum Ziel hat, inter­na­tio­na­len Han­del soweit zu kon­trol­lie­ren, dass das Über­le­ben von wild­le­ben­den Tier- und Pflan­zen­ar­ten nicht gefähr­det wird. Der CITES-Kon­ven­ti­ons­text wird nach dem Ort sei­ner Erst­un­ter­zeich­nung in Washing­ton D.C. (1973) auch “Washing­to­ner Arten­schutz­über­ein­kom­men” (WA) genannt. Der Voll­zug des Abkom­mens erfolgt in Deutsch­land in der Regel durch das Bun­des­amt für Natur­schutz [4]. Das “Wis­sen­schaft­li­che Infor­ma­ti­ons­sys­tem zum Inter­na­tio­na­len Arten­schutz” ist eine Arten­schutz­da­ten­bank des Bun­des­amts für Natur­schutz. Dort kön­nen Infor­ma­tio­nen zum Schutz­sta­tus von inter­na­tio­nal und natio­nal geschütz­ten Arten abge­ru­fen wer­den [5]. Es han­delt sich hier­bei um Arten, die nach den in Deutsch­land gel­ten­den Arten­schutz­re­ge­lun­gen geschützt sind. Frei­er Han­del, Besitz oder Ver­ar­bei­tung sind infol­ge des­sen ohne eine expli­zi­te Geneh­mi­gung nicht mög­lich. Sol­che Geneh­mi­gung wird erteilt, wenn eine geschütz­te Heil­pflan­ze ange­baut wird oder die Wild­samm­lung nach­hal­tig erfolgt (also art­erhal­tend und ohne Raub­bau). Trotz­dem regis­trie­ren Exper­ten bei zahl­rei­chen Heil­pflan­zen oder Heil­pflan­zen-Roh­stof­fen Wider­sprü­che zwi­schen den Import­men­gen nach CITES und den tat­säch­li­chen Ver­brauchs­zah­len. Die Grün­de sind viel­fäl­tig: Klas­si­fi­ka­ti­ons-Pro­ble­me, geziel­ter ille­ga­ler Import (z. B. Fehl­de­kla­ra­ti­on von pflanz­li­chen Roh­stof­fen) bei feh­len­den Ana­ly­se­mög­lich­kei­ten der CITES-Voll­zugs­be­hör­den oder “graue” Impor­te (das sind zum Bei­spiel Ein­fuh­ren aus EU-Län­dern mit unter­schied­li­cher Rechts­la­ge) [6].

Beispiel Schlüsselblume (“Primula veris”, “Primula elatior”)

Die von April bis Juni gelb blü­hen­de Pflan­ze kommt in ganz Euro­pa und Vor­der­asi­en vor. Die Schlüs­sel­blu­me ist eine wich­ti­ge und – beson­ders in der Erkäl­tungs­zeit – häu­fig genutz­te Heil­pflan­ze. Arz­nei­en mit Inhalts­stof­fen aus der Schlüs­sel­blu­me wer­den vor allem bei chro­ni­scher Bron­chi­tis, Erkran­kun­gen der Atem­we­ge, aber auch bei Rheu­ma ein­ge­setzt [7].

Der hohe Bedarf wird aus­nahms­los aus Wild­samm­lun­gen gedeckt. Ein ein­zi­ger gro­ßer deut­scher Händ­ler impor­tiert jähr­lich 10.000 Kilo­gramm Schlüs­sel­blu­men, was etwa 30 Mil­lio­nen Blü­ten ent­spricht. Die unkon­trol­lier­te Nut­zung der Bestän­de ist eine wach­sen­de Gefahr. Zudem folgt aus der extrem gerin­gen Bezah­lung vie­ler Pflü­cker­in­nen und Pflü­cker (oft in sehr armen Län­dern) ein scho­nungs­lo­ser Raubbau.

Dane­ben führt auch der Ver­lust natür­li­cher Stand­or­te durch Inten­si­vie­rung der Land­wirt­schaft zu einem star­ken Rück­gang der Art. Die Schlüs­sel­blu­men sind daher in wei­ten Tei­len ihres Ver­brei­tungs­ge­bie­tes bereits sel­ten oder sogar vom Aus­ster­ben bedroht. In der Tür­kei zäh­len sie zu den am stärks­ten bedroh­ten Medi­zi­nal­pflan­zen des Landes.

Nach dem Bun­des­na­tur­schutz­ge­setz ist Pri­mu­la veris beson­ders geschützt. Wil­de Popu­la­tio­nen sind in Deutsch­land nach der Bun­des­ar­ten­schutz­ver­ord­nung eben­falls geschützt und dür­fen nicht gesam­melt wer­den [8].

Hinweis

Für die Prä­pa­ra­te der Fir­ma “Natur­pro­duk­te Dr. Pan­da­lis GmbH & Co. KG” wer­den aus­schließ­lich Heil­pflan­zen aus kon­trol­lier­tem Bio-Anbau in Deutsch­land oder Grie­chen­land ver­ar­bei­tet. Bio-Zer­ti­fi­ka­te für die­se Pro­duk­te garan­tie­ren Ver­brau­chern zusätz­li­che qua­li­ta­ti­ve Sicher­heit: Pflan­zen, die nach Bio-Ver­ord­nung ange­baut wer­den, kom­men nicht in Berüh­rung mit che­mi­schen Pes­ti­zi­den, Insek­ti­zi­den oder che­mi­schen Düngemitteln.

Autor
• Rai­ner H. Buben­zer, Heil­pflan­­zen-Welt (2007).
Quel­len
1. Fal­ken­berg T, Sawy­er J, Zhang X: WHO Tra­di­tio­nal Medi­ci­ne Stra­tegy 2002–2005. World Health Orga­niza­ti­on, Gen­e­va, 2002 (Voll­text).
2. NN: Arten­schutz – Nach­hal­tig wild: Ret­tung für Bären­trau­be & Co. World Wide Fund for Natu­re (WWF) Deutsch­land, Frank­furt, 16.2.2007 (Voll­text).
3. NN: Hin­ter­grund­in­for­ma­ti­on: ISSC-MAP – Der Inter­na­tio­na­le Stan­dard für nach­hal­ti­ge Wild­samm­lung von Heil- und Aro­ma­pflan­zen. WWF Deutsch­land und TRAFFIC Euro­­pe-Ger­­ma­­ny, Frank­furt, Febru­ar 2007 (Voll­text).
4. Bun­des­amt für Natur­schutz (BfN) – Infor­ma­tio­nen zu CITES (Voll­text).
5. sie­he www.wisia.de, Nut­zung kostenlos.
6. Lan­ge D: Unter­su­chun­gen zum Heil­pflan­zen­han­del in Deutsch­land – Ein Bei­trag zum inter­na­tio­na­len Arten­schutz. Bun­des­amt für Natur­schutz, Bonn, 1996.
7. Men­ßen HG (Hrsg.): Phy­to­the­ra­peu­ti­sche Welt, pmi-Ver­­lag, Frankfurt/​​M., 1983 (Voll­text).
8. NN: Schlüs­sel­blu­me. Umwelt­stif­tung WWF Deutsch­land – Stif­tung für den Schutz der bio­lo­gi­schen Viel­falt und natür­li­chen Umwelt, Frank­furt, 2007 (Voll­text).

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