Pfefferminze: Die Arzneipflanze 2004

Pfef­fer­minz­pflan­zen

Jedes Jahr wählt der Stu­di­en­kreis “Ent­wick­lungs­ge­schich­te der Arz­nei­pflan­zen­kun­de”, Uni­ver­si­tät Würz­burg, eine Arz­nei­pflan­ze aus, um sie beson­ders zu wür­di­gen. Das Gre­mi­um wähl­te die Pfef­fer­min­ze (Men­tha pipe­ri­ta) zur Heil­pflan­ze des Jah­res 2004. Denn: Sie lie­fert mit ihren Blät­tern wich­ti­ges Aus­gangs­ma­te­ri­al für Tees, Dra­gees, Tablet­ten oder äthe­ri­sche Öle, die ein brei­tes the­ra­peu­ti­sches Wirk- und Ein­satz­spek­trum haben, so heißt es in der Begrün­dung [1].

Wäh­rend vie­le Pflan­zen der Natur­heil­kun­de wegen angeb­lich ’nicht nach­weis­ba­rer Wir­kun­gen’ in der Schul­me­di­zin immer weni­ger Beach­tung fin­den, hat die Pfef­fer­min­ze einen unan­ge­foch­ten guten Stand. Die Stu­di­en­la­ge ist beein­dru­ckend. Bei­spiel: Unter dem eng­li­schen Stich­wort “pep­per­mint” weist die renom­mier­te “US-Natio­nal Libra­ry of Medi­ci­ne” in ihrer Medi­zin­bi­blio­gra­phie-Daten­bank Med­Li­ne etwa 370 Stu­di­en bzw. Unter­su­chun­gen zu der Heil­pflan­ze oder ihren Inhalts­stof­fen nach [2]. Allein im letz­ten Jahr wur­den zahl­rei­che Stu­di­en mit auf­re­gen­den Ergeb­nis­sen ver­öf­fent­licht – hier nur drei Beispiele:

  1. Hoff­nung bei chro­ni­schem Her­pes Wis­sen­schaft­ler vom Hygie­ne-Insti­tut der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg fan­den her­aus, dass Pfef­fer­minz­öl virus­hem­men­de (viru­zi­de) Eigen­schaf­ten bei den bei­den Her­pes-sim­plex-Virus-Haupt­ty­pen (HSV 1 und HSV 2) hat. Höhe­re Kon­zen­tra­tio­nen des Pfef­fer­minz­öls ver­rin­ger­ten die Virus­kon­zen­tra­ti­on im Nähr­me­di­um um mehr als 90 Pro­zent. Die viru­zi­de Wir­kung ent­fal­tet sich dabei zeit­ab­hän­gig und erreich­te drei Stun­den nach Beginn der Inku­ba­ti­on eine Virus­ab­tö­tungs­ra­te von etwa 99%. Um den Zeit­punkt der höchs­ten infek­ti­ons­hem­men­den Wir­kung von Pfef­fer­minz­öl zu bestim­men, wur­den die im Ver­suchs­an­satz ver­wen­de­ten Test­zel­len zu ver­schie­de­nen Zeit­punk­ten der Virus­in­fek­ti­on dem äthe­ri­schen Öl aus­ge­setzt. Die Wis­sen­schaft­ler ent­deck­ten dabei, dass Pfef­fer­minz­öl beson­ders inten­siv die Adsorp­ti­on (“Anhef­tung”) der Viren an die zu infi­zie­ren­den Wirts­zel­len behin­dert, wäh­rend es nach der Pene­tra­ti­on (“Auf­nah­me der Viren”) in die Zel­len kaum noch eine Wir­kung ent­fal­tet. Die­se Ent­de­ckung könn­te inter­es­san­te Kon­se­quen­zen haben: Da das Öl lipophil (“fett-lie­bend”) ist, dringt es rasch und leicht in die Haut ein und könn­te so als viru­zi­des Medi­ka­ment bei rezi­di­vie­ren­den (“chro­nisch-wie­der­keh­ren­den”) Her­pes­in­fek­tio­nen von Haut oder Schleim­haut bedeut­sam wer­den. Vor allem, indem es die wei­te­re Aus­brei­tung eines gera­de begin­nen­den Her­pes kupiert (“ver­hin­dert”). Ähn­lich wie dies eini­ge auf dem Markt erhält­li­che viru­zi­de Sub­stan­zen auch tun. Gegen die­se haben HSV-Viren jedoch schon nach weni­gen Jah­ren Anwen­dung Resis­ten­zen (“Unemp­find­lich­kei­ten”) ent­wi­ckelt. Pfef­fer­minz­öl ent­fal­tet, so die Hei­del­ber­ger For­scher, aber sogar bei sol­chen Resis­ten­zen sei­ne kräf­ti­ge viru­zi­de Wir­kung [3].
  2. Krampf­lö­sung bei Magen­spie­ge­lung Schon lan­ge ist die spas­mo­ly­ti­sche (“krampf­lö­sen­de”) Wir­kung von äthe­ri­schem Pfef­fer­minz­öl bekannt. Japa­ni­sche Wis­sen­schaft­ler unter­such­ten die Spas­mo­ly­se auf Spei­se­röh­re und Magen im Zusam­men­hang mit endo­sko­pi­schen Ein­grif­fen (“Spei­se­röh­ren- oder Magen­spie­ge­lung”). Bei die­sen Unter­su­chun­gen kommt es oft zu über­mä­ßi­ger Akti­vi­tät oder sogar Krämp­fen der glat­ten Mus­ku­la­tur die­ser Orga­ne, was eine wei­te­re Unter­su­chung unmög­lich machen kann. Des­we­gen ist oft die Gabe von Spas­mo­ly­ti­ka (“Krampf­lö­sern”) not­wen­dig, die jedoch erheb­li­che Neben­wir­kun­gen haben kön­nen. Im pla­ze­bo­kon­trol­lier­ten Ver­gleich des Spas­mo­ly­ti­kums Butylsco­pol­ami­ni­um­bro­mid (als Injek­ti­on in die Mus­ku­la­tur) mit einer Pfef­fer­minz­öl-Lösung (direkt in den Magen gege­ben) zeig­te sich: Die krampf­lö­sen­de Wir­kung trat bei Pfef­fer­minz­öl deut­lich schnel­ler ein als bei dem häu­fig ver­wen­de­ten Ver­gleichs­me­di­ka­ment. Auch die Häu­fig­keit endo­sko­pie-stö­ren­der Kon­trak­tio­nen der Magen­mus­ku­la­tur war nach der Anwen­dung von Pfef­fer­minz­öl signi­fi­kant nied­ri­ger. Und noch bes­ser: Die Medi­zi­ner stell­ten bei der Pfef­fer­minz­öl-Lösung kei­ner­lei Neben­wir­kun­gen fest (nicht zuletzt wegen der ört­li­chen Anwen­dung im Magen). Neben­wir­kun­gen wie tro­cke­ner Mund, Harn­ver­hal­tung, erhöh­te Licht­emp­find­lich­keit der Augen, Ver­wirrt­heit und ande­res blie­ben völ­lig aus. Die japa­ni­schen Ärz­te kom­men zu dem Schluss: Pfef­fer­minz­öl ist eine über­ra­gend effek­ti­ve und neben­wir­kungs­är­me­re Alter­na­ti­ve bei der medi­ka­men­tö­sen Spas­mo­ly­se im Rah­men der Endo­sko­pie von Spei­se­röh­re und Magen [4].
  3. Strah­len­schutz bei Krebs­the­ra­pie Am auf­re­gends­ten erscheint jedoch eine Serie von Ver­öf­fent­li­chun­gen der indi­schen Strah­len­for­scher und Krebs­bio­lo­gen Dr. R.M. Samarth und Dr. A. Kumar von der Uni­ver­si­tät Raja­sthan in Jaipur/​Indien zu sein: Sie konn­ten im Tier­ver­such zei­gen, dass die Anwen­dung von Pfef­fer­minz­öl vor Beginn einer Bestrah­lung mit Gam­ma­strah­len (“Radio­the­ra­pie”, wie z. B. bei der Krebs­the­ra­pie) offen­bar erheb­lich vor Strah­len­schä­den schüt­zen kann. Die­ser Schutz ent­steht durch eine Viel­zahl von Effek­ten, von denen bis­lang nur eini­ge bekannt sind. So steigt z. B. die Zahl der Milz-Zel­len (Teil des Abwehr­sys­tems, das u. a. geschä­dig­te Zel­len rasch abbau­en kann), aber auch die Anzahl von roten Blut­kör­per­chen (Sau­er­stoff­trans­por­ter) oder wei­ßen Blut­kör­per­chen (Abwehr­zel­len). Auch Zell­schutz­sub­stan­zen wie Glutat­hion waren nach der Pfef­fer­minz­öl-Vor­be­hand­lung dosis­ab­hän­gig im Blut erhöht, genau­so wie etli­che ande­re hei­lungs­för­dern­de Enzy­me und Blut­wer­te. Auch im Mikro­skop oft zu beob­ach­ten­de Radio­the­ra­pie-Schä­den, z. B. an der Darm­schleim­haut, ent­wi­ckel­ten sich nach der Pfef­fer­min­z­öl­an­wen­dung weit­aus weni­ger stark. So ermu­ti­gend die­se Ergeb­nis­se für das Gebiet der oft hoch neben­wir­kungs­rei­chen Strah­len­the­ra­pie bei Krebs auch sind, müs­sen die bis­lang tier­ex­pe­ri­men­tel­len Ergeb­nis­se nun auch bei Men­schen belegt wer­den [5].

Die Arzneipflanze

Pfef­fer­min­ze (Men­tha Pipe­ri­ta L.)

Wird die Arz­nei­pflan­ze betrach­tet, so geht es aus­schließ­lich um die Pfef­fer­minz­blät­ter (Ment­hae pipe­ri­tae foli­um) und das dar­aus gewon­ne­ne Öl. Es ent­hält äthe­ri­sche Öle (Men­thol, Men­thron u.a.), Fla­vo­no­ide und Lami­a­ceen-Gerb­stof­fe (dar­un­ter Ros­ma­rin­säu­re) [6]. Pfef­fer­minz­blät­ter wir­ken krampf­lö­send (spas­mo­ly­tisch), Aus­schüt­tung von Gal­len­säu­re anre­gend (cho­ler­etisch), blä­hungs­trei­bend (kar­mi­na­tiv) und zusam­men­zie­hend (adstrin­gie­rend). Sie för­dern die Magen­saft­se­kre­ti­on (des­halb u. a. appe­tit­an­re­gend) und beschleu­ni­gen die Magen­ent­lee­rung. Die spas­mo­ly­ti­sche Wir­kung wird bei­spiels­wei­se bei krampf­ar­ti­gen Beschwer­den im Magen-Darm-Bereich und der Gal­len­bla­se ein­ge­setzt. So schreibt bei­spiels­wei­se der Heil­pflan­zen­ex­per­te Apo­the­ker M. Pahl­ow: “Pfef­fer­minz-Tee ist ein über­zeu­gen­des Magen­mit­tel… Mit einer ein­zi­gen Tas­se Pfef­fer­minz-Tee, lang­sam, schluck­wei­se und mäßig warm getrun­ken, kann man sehr häu­fig eine sofor­ti­ge Wir­kung erzie­len” [7]. In der Erfah­rungs­heil­kun­de und Volks­me­di­zin wird die Pflan­ze auch ger­ne bei Übel­keit, Brech­reiz und Erbre­chen eingesetzt.

Das Öl

Das Pfef­fer­minz­öl (Ment­hae pipe­ri­tae aethe­ro­le­um) wird mit Hil­fe von Was­ser­dampf aus den Pflan­zen­blät­tern gewon­nen. Es hat neben den oben beschrie­be­nen Wir­kun­gen der Blät­ter noch wei­te­re Effek­te: Es för­dert die Sekret-Bil­dung (sekre­to­ly­tisch), wirkt küh­lend, anti­bak­te­ri­ell, lokal betäu­bend (anäs­the­sie­rend) und durch­blu­tungs­för­dernd (hyper­ämi­sie­rend). Nur eini­ge Anwen­dungs­bei­spie­le: Inne­re Anwen­dung fin­det es beim Reiz­darm (Colon irri­ta­ble). Fest­sit­zen­der Hus­ten und Schleim wird durch Pfef­fer­minz­öl gelöst. Äuße­re Anwen­dung: Z.B. äthe­ri­sche Pfef­fer­minz­öl-Antei­le bei Nasen­sal­ben gegen Katar­rhe (Erkäl­tung und Schnup­fen mit star­ker Sekre­ti­on) oder Beschwer­den der obe­ren Atem­we­ge. Es fin­det eben­falls Anwen­dung bei Gelenk­schmer­zen (Myal­gi­en) oder Kopf­schmer­zen (v.a. Span­nungs­kopf­schmer­zen). Bei letz­te­ren, so zei­gen Stu­di­en, wer­den durch das Öl Käl­te­re­zep­to­ren der Haut ange­regt. Wird die­ser Käl­te­reiz Rich­tung Gehirn wei­ter­ge­lei­tet, kommt es zur Blo­cka­de der Schmerz­lei­tung. Fällt hier­durch der Schmerz fort, kommt es schließ­lich zur Ent­span­nung der Kopf- und Nacken­mus­ku­la­tur, wodurch der Teu­fels­kreis von Ver­span­nung und Kopf­schmerz unter­ge­bro­chen wird. Die durch­blu­tungs­för­dern­de Wir­kung nach Anwen­dung des Öls ken­nen vie­le Men­schen: Die Haut rötet sich leicht, fühlt sich erwärmt an und die rasch auf­tre­ten­de, nach­fol­gen­de Mus­kel­ent­span­nung wirkt wohl­tu­end entspannend.

Für die Hausapotheke geeignet

Wegen des umfang­rei­chen Wirk­spek­trums gehört Pfef­fer­min­ze und/​oder Pfef­fer­minz­öl in jede Haus­apo­the­ke. Wie bei allen Heil­kräu­tern schwan­ken die Inhalt­stof­fe je nach Anbau­ge­biet, Sor­te, Ern­te­zeit und Her­kunft erheb­lich. Damit die Pfef­fer­min­ze auch wirk­lich hei­lend wirkt, soll­ten Heil­pflan­zen­blät­ter mit “Arz­nei­buch­qua­li­tät” gekauft wer­den, die gibt es in der Apo­the­ke (wei­te­re Infos). Die­se Ware unter­liegt stren­gen Qua­li­täts­kri­te­ri­en bezüg­lich Zusam­men­set­zung der Inhalt­stof­fe (Antei­le der äthe­ri­schen Öle, Gerb­stof­fe) aber auch von Schad­stof­fen wie Pes­ti­zi­den. Ach­tung: Men­schen mit chro­ni­schen Magen­be­schwer­den soll­ten wegen des hohen Men­thol-Gehalts nicht zu häu­fig Pfef­fer­minz­tee trin­ken (sonst sind Magen­schleim­haut­rei­zun­gen mög­lich). Eine Mischung aus Pfef­fer­min­ze und Kamil­le im Ver­hält­nis 1:1 ist für die Magen­schleim­haut ver­träg­li­cher. Für Pfef­fer­min­ze-Arz­nei­tee gilt das­sel­be wie bei der Kamil­le: Kei­ne Ver­wen­dung über einen län­ge­ren Zeit­raum als 6–8 Wochen.

Autor
• Rai­ner H. Buben­zer, Heil­pflan­­zen-Welt (2004).
Quel­len
1. Pres­se­mit­tei­lung des Stu­di­en­krei­ses “Ent­wick­lungs­ge­schich­te der Arz­nei­pflan­zen­kun­de” am Insti­tut für Geschich­te der Medi­zin der Uni Würz­burg: Pfef­fer­min­ze ist die Arz­nei­pflan­ze des Jah­res 2004.
2. Med­li­ne: • >379 Fund­stel­len mit dem Such­be­griff “Pep­per­mint”; • >100 Fund­stel­len mit dem Such­be­griff “Men­tha pipe­ri­ta”.
3. Schuh­ma­cher A, Reich­ling J, Schnitz­ler P: Viru­ci­dal effect of pep­per­mint oil on the enve­lo­ped viru­s­es her­pes sim­plex virus type 1 and type 2 in vitro. Phy­to­me­di­ci­ne. 2003;10(6–7):504–10 (Med­li­ne).
4. Hiki N, Kur­o­sa­ka H, Tats­u­to­mi Y, Shi­moy­a­ma S, Tsu­ji E, Koji­ma J, Shi­mi­zu N, Ono H, Hiroo­ka T, Noguchi C, Mafu­ne K, Kami­ni­shi M: Pep­per­mint oil redu­ces gas­tric spasm during upper endo­sco­py: a ran­do­mi­zed, dou­­b­le-blind, dou­­b­le-dum­­my con­trol­led tri­al. Gas­tro­in­test Endosc. 2003 Apr;57(4):475–82 (Med­li­ne).
5. Samarth RM, Sai­ni MR, Mahar­wal J, Dha­ka A, Kumar A: Men­tha pipe­ri­ta (Linn) leaf extra­ct pro­vi­des pro­tec­tion against radia­ti­on indu­ced altera­ti­ons in intesti­nal muco­sa of Swiss albi­no mice. Indi­an J Exp Biol. 2002 Nov;40(11):1245–9 (Med­li­ne).
6. Samarth RM, Kumar A: Radio­pro­tec­tion of Swiss albi­no mice by plant extra­ct Men­tha pipe­ri­ta (Linn.). J Radi­at Res (Tokyo). 2003 Jun;44(2):101–9 (Med­li­ne).
Vete­ri­na­ry Bota­ni­cal Medi­ci­ne Asso­cia­ti­on: Pep­per­mint (Men­tha pipe­ri­ta).
7. Umfangei­che Info-Web­­si­te (pri­vat): Will­kom­men in der Welt der Min­ze.
8. Pahl­ow, M.: Das gro­ße Buch der Heil­pflan­zen, Grä­fe und Unzer Ver­lag, Mün­chen 1993.
Schil­cher Heinz: Phy­to­the­ra­pie, Urban & Vogel, 1. Auf­la­ge, 2000.Dingermann, Loew: Phy­to­phar­ma­ko­lo­gie, Wis­sen­schaft­li­che Ver­lags­ge­sell­schaft, Stutt­gart 2003.
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