Auszug aus: Kneipp, Sebastian, Meine Wasserkur

Tink­tu­ren oder Extrakt

Die inne­ren Kräf­te, die Heil­säf­te kön­nen aus einer Pflan­ze in ver­schie­de­ner Wei­se aus­ge­zo­gen wer­den. Den bes­ten, stärks­ten Aus­zug erhal­ten wir im eigent­li­chen, soge­nann­ten Extrakt:

Der Extrakt wird fol­gen­der­ma­ßen bereitet:

Man sucht unter den Kräu­tern, Bee­ren u.s.w., aus denen man den Extrakt gewin­nen will, die bes­ten aus: die reifs­ten, die unta­del­haf­ten; die­se trock­net man auf einem Brett an der fri­schen Luft, stets (das mer­ke man sich gut) jedoch im Schat­ten, nie­mals in der Son­ne. Beim Trock­nen wird sich noch Man­ches zei­gen, was als untaug­lich ver­wor­fen wer­den muß.

Nach­dem die Kräu­ter, Bee­ren u.s.w. gut getrock­net sind, ver­klei­ne­re, zer­schnei­de man sie, wenn not­hwen­dig, und brin­ge sie in eine ver­schließ­ba­re Fla­sche (Wein­fla­sche). Die­se nun wird mit ech­tem Korn­brannt­wein – den ich allem Andern vor­zie­he – oder in des­sen Erman­ge­lung mit rei­nem Spi­ri­tus oder Frucht­brannt­wein auf­ge­füllt und luft­dicht ver­schlos­sen für eini­ge Zeit an einen mäßig war­men Ort gestellt.

*) Ich habe der­art gefüll­te Fla­schen schon 1 Jahr lang und noch län­ger ruhig ste­hen las­sen und dann erst den mit dem aus­ge­zo­ge­nen Saft des betref­fen­den Heil­mit­tels durch­tränk­ten Spi­ri­tus als Extrakt abge­ge­gos­sen. Im Noth- und Bedarfs­fal­le kann man den­sel­ben schon nach weni­gen Tagen des Ansat­zes in Gebrauch nehmen.

Die Tink­tu­ren nimmt man trop­fen­wei­se; in gewis­sen Fäl­len (es ist die­ses jedes Mal aus­drück­lich ange­ge­ben) wird auf den Kaf­fee­löf­fel (klei­nes Maß) und auf den Eßlöf­fel (grö­ße­res Maß) hingewiesen.

Thee

Bei tro­cke­ner Wit­te­rung, viel­leicht wenn Du vom Fel­de heim­kehrst, oder wenn Du hin­aus­gehst, den Stand der Saa­ten zu betrach­ten, mache einen Abste­cher und samm­le da die­se, dort jene Heil­kräu­ter. Was auf dem tro­cke­nen Grun­de wächst, gar an son­ni­gen Berg­hal­den, ver­dient den Vor­zug, und wel­che Pflan­zen Du in der schöns­ten Blüt­he­zeit sam­melst, die­se wer­den Dir die herr­lichs­te und in Lei­den die geseg­nets­te Frucht brin­gen. Man­ches der Kräut­chen und Kräu­ter wächst in Dei­nem Gras- oder Gemü­se­gar­ten, an Haus oder Scheu­ne. Du brauchst nur dem zehn­jäh­ri­gen Kna­ben oder Dei­nem klei­nen Mäd­chen es vor­zu­ma­chen, wie sie es anstel­len sol­len, und Du ver­lierst beim Sam­meln der Kräu­ter kei­nen Augen­blick und berei­tetst Dei­nen Kin­dern eine Freu­de. Die Gar­ten- und Feld­kräu­ter sol­len jedes Jahr erneu­ert d.h. neu­ge­sam­melt, die alten weg­ge­ge­ben werden.

Jede Haus­mut­ter ver­steht es, jed­we­den Thee zu berei­ten. Von den getrock­ne­ten Kräu­tern (über das Trock­nen lies das auf der vor­her­ge­hen­den Sei­te Gesag­te) nimmt sie zu einer Tas­se, soviel sie mit 3 Fin­gern fas­sen kann, gießt in das Pfänn­chen über die Thee­blät­ter oder Blüt­hen sprun­deln­des Was­ser und läßt es eini­ge Minu­ten auf­ko­chen. Dann schüt­tet sie den fer­ti­gen Thee ab.

In die­ser Wei­se berei­te­ter Thee hat den feins­ten Geschmack mit dem bes­ten, jeder Pflan­ze eigent­hüm­li­chen Aro­ma; aber es ist nicht der kräf­tigs­te Thee.

Bei mir wer­den die Kräu­ter durch län­ge­re Zeit förm­lich abge­kocht, gründ­lich aus­ge­sot­ten, daß auch nicht ein Theil­chen der Heil­kraft ver­lo­ren geht, viel­mehr alle im Was­ser gefan­gen wird.

Die Art des Ein­neh­mens, aller tassen‑, ob löf­fel­wei­se, ist bei jeder ein­zel­nen Krank­heit genau angegeben.

Pul­ver

Das Pul­ver wird gewon­nen, indem die tro­cke­nen Wur­zeln, Blät­ter, Kör­ner oder Bee­ren der Heil­pflan­zen zer­rei­ben oder im Mör­ser zer­sto­ßen werden.

Man­chen Kran­ken ist damit leeich­ter bei­zu­kom­men als mit Thee. Man streut ihnen das vor­ge­schrie­be­ne Pul­ver wie Gewürz (Pfef­fer, Zimmt u.s.w.) an eine Spei­se oder mischt es an einen Trank, daß sie des­sel­ben gar nicht gewahr wer­den. Die Gefä­ße, wel­che zur Auf­be­wah­rung der ver­schie­dens­ten Pul­ver die­nen, sei­en des Stau­bes wegen recht sorg­fäl­tig verschlossen.

Oele

Die Berei­tung der Oele, soweit die­sel­ben nicht in der Apo­the­ke gekauft wer­den, ist bei jeder Krank­heit, in der ein sol­ches zur Ver­wen­dung kommt, jedes Mal beson­ders angegeben.

An der Rein­hal­tung der Oel­fläsch­chen ins­be­son­de­re wird man den Sinn für Ord­nungs­lie­be, Rein­lich­keit u.s.w. erkennen.

*) Sämmt­li­che Kräu­ter, Bee­ren u.s.w., die zu Extrak­ten die­nen kön­nen auch in Wein ange­setzt wer­den, wie die­ses an Ort und Stel­le stets bemerkt ist. Die­ser Wein dient indes­sen nur zum sofor­ti­gen, wenigs­tens schnel­le­ren Gebrau­che, nicht zum Aufbewahren.

Quel­le
• Aus­zug aus: Kneipp, Sebas­ti­an, Mei­ne Was­ser­kur, 5. Auf­la­ge, Ver­lag der Jos. Kösel’schen Buch­hand­lung, 1888, Fak­si­mi­lier­te Aus­ga­be, Eng­lisch Ver­lag, 1987. S. 115 und 116.

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