Winterweizen

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Win­ter­wei­zen, Tri­ti­cum hiber­num, L. [Black­well, herb. tab. 40fig. 1, 2, 3] mit vier­blüt­hi­gen, bau­chich-ten, glat­ten, dach­zie­gel­för­mig über­ein­an­der lie­gen­den, ziem­lich gran­nen­lo­sen Blu­men­de­cken; eine in eini­gen asia­ti­schen Gegen­den, wie es scheint, ursprüng­lich ein­hei­mi­sche, ein­jäh­ri­ge, über zwei Schuh hohe Getreideart.

Haupt­säch­lich von die­ser Art kömmt der edle Samen, der Wei­zen (Gra­na tri­ti­ci) ein läng­licht ova­les, etwa andert­halb Lini­en lan­ges, gilb­li­ches Korn, wel­ches inner­halb mit einem sehr wei­ßen Meh­le ange­fül­let ist. Die­ses unge­mein nahr­har­te Mehl ent­hält drei Haupt­be­standt­hei­le, Gewächs­glu­ten, Zucker­stoff und Stär­ke­mehl, die man von ein­an­der tren­nen kann, wenn man einen aus die­sem Meh­le mit etwas Was­ser geform­ten der­ben Teig in Lein­wand gewi­ckelt so lan­ge unter lau­em Was­ser kne­tet, bis neu hin­zu gefüg­tes Was­ser nicht mehr mil­chicht wird. Die zähe, elas­ti­sche, durch­schei­nen­de Sub­stanz, wel­che in der Lein­wand bleibt, ist der Gewächs­leim (Glu­ten), wel­cher in kal­tem, und hei­ßem Was­ser unauf­lös­lich, zur bräun­lich horn­ar­ti­gen, har­ten Mas­se trock­net, leicht mit dem Gestan­ke des alten Käses fault, und in der Hit­ze wie ver­brann­tes Horn riecht und viel Ammo­ni­ak­lau­gen­salz von sich gie­bt. Zwei Pfund Wei­zen­mehl ent­hal­ten etwas über drit­te­halb Unzen von die­ser Sub­stanz. Das zum Aus­wa­schen gebrauch­te Was­ser setzt sich; die über­ste­hen­de hel­le Flüs­sig­keit gie­bt, wenn sie ein­ge­dickt wird, eine süße Sub­stanz, wel­che leicht in wei­nich­te Gäh­rung über­geht, und der Boden­satz ist Stär­ke­mehl (amylum), eine geschmack­lo­se, wei­ße, leich­te, beim Zer­bre­chen kna­cken­de Sub­stanz, wel­che in kal­tem Was­ser unauf­lös­bar, in kochen­dem Was­ser aber sich zu einer durch­sich­ti­gen, dick­li­chen, kleb­ri­gen Flüs­sig­keit (Kleis­ter) auf­lö­set, wel­che bin­nen weni­gen Tagen in der Wär­me in die Essig­gäh­rung übergeht.

Die­sen Kleis­ter hat man nicht sel­ten bei schar­fen Stof­fen in den dicken Gedär­men, bei Durch­fäl­len von Schär­fe und in Ruhren (?) als Klystir ein­ge­spritzt, nicht sel­ten mit Nut­zen ange­wen­det. Das Stär­ke­mehl selbst hat man, statt des dien­li­chern Stau­bes vom Bär­lapp­kol ben­moos, auf wun­de Haut­stel­len bei klei­nen Kin­dern gestreut, wel­ches aber, wie der Haar­pu­der, die Haut­po­ren ver­stopft; man pflegt ver­schied­ne Tei­ge in Apo­the­ken damit zu bestreu­en, damit sie nicht in den For­men hän­gen blei­ben, und bäckt aus dem mit Was­ser ange­rühr­ten, dünn­flüs­si­gen Tei­ge die Obla­ten (Nebu­lae), in die man ein­zu­neh­men­de Pul­ver zu wickeln, und den Bis­sen mit etwas Saft zu bestrei­chen pflegt.

Im Gro­ßen berei­tet man die­ses Stär­ke­mehl der­ge­stalt, daß man die gan­zen Wei­zen­kör­ner in kal­tem Was­ser auf­wei­chen läßt, sie in einen Sack ein­schließt, und so lan­ge unter Was­ser tritt, bis nichts Weiß­trü­bes mehr aus­dringt. Die aus die­sem Was­ser zu Boden gesun­ke­ne wei­ße Mas­se wird, wenn die über ste­hen­de graue Rin­de her­un­ter genom­men wor­den, bei schnel­ler Hit­ze getrock­net und in vier­ecki­ge Stü­cken zerschnitten.

Sonst ist das aus (mit Hefen geg­ohr­nem) Wei­zen­mehl­tei­ge geba­cke­ne Weiß­brod oder Sem­mel ein vor­züg­lich den zur Säue­rung geneig­ten Magen dien­li­ches Nah­rungs­mit­tel; die wei­che Kru­me (Mica panis tri­ti­ceae) dient zu ver­schied­nen erwei­chen­den Umschlä­gen, auch zu Pillenmassen.

Aus dem an der Luft getrock­ne­ten, und auf sehr erhab­nen Dar­ren ohne Rauch hart gedarr­ten, aber nicht im min­des­ten (braun) gerös­te­ten Mal­ze wird die bes­te Art wei­ßen Bie­res (Gose, Duck­stein) gebrau­et, wel­ches dem Wei­ne sehr nahe kömmt, und vor­züg­li­che harn­trei­ben­de Kräf­te besitzt. Das star­ke, in Eng­land gebrau­te Alewird aus glei­chem Mal­ze gebrauet.