Wärme

Hahnemanns Apothekerlexikon
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Wär­me, deren höhern Grad man Hit­ze nennt, ist eine blos von dem Sin­ne des Gefühls bemerk­ba­re Erschei­nung von einem eig­nen Stof­fe ver­ur­sacht, wel­cher den Namen Wär­me­stoff (Mate­ria calo­ris, Calo­ri­cum) führt. Die­ser, eine besond­re, unsicht­ba­re, fei­ne, unwäg­bar­leich­te Flüs­sig­keit durch­dringt mit abwei­chen­der Geschwin­dig­keit alle Kör­per, und löset in gehö­ri­ger Men­ge in ihnen ange­häuft, die­sel­ben auf, das ist, sie wer­den aus­ge­dehnt, weich, sie schmel­zen, sie kom­men in tropf­ba­ren, end­lich in gas­ar­ti­gen Zustand.

Der Wär­me­stoff ist eins der wirk­sams­ten Auf­lö­sungs- und Aneig­nungs­mit­tel bei phar­ma­zev­ti­schen Ope­ra­tio­nen; wir erzeu­gen es durch das Feu­er uns­rer Oefen, und ent­zie­hen es den Kör­pern durch Abkühlung.

Die von dem Wär­me­stoff nur wenig aus­dehn­ba­ren, und erweich­ba­ren Kör­per wer­den feu­er­be­stän­di­ge, feu­er­fes­te (Cor­po­ra fixa, refrac­ta­ria), die völ­lig erweich­ba­ren schmelz­li­che (Cor­po­ra fusi­bi­lia), m.s. Schmel­zen, die leicht ver­duns­t­ba­ren flüch­ti­ge (Cor­po­ra vola­ti­lia) genannt. Die übri­gen Eigen­schaf­ten des Wär­me­stoffs, sein ruhen­der, sein gebund­ner Zustand, sei­ne Abschei­dung aus der inflamma­beln und der Lebens­luft beim Ver­bren­nen, aus leben­di­gem Kalk und Mine­ral­säu­ren durch Was­ser­zu­satz u.s.w. lehrt den Phar­ma­zev­ti­ker die Physik.

Indem die Wär­me die Kör­per aus­dehnt, gie­bt sie uns zugleich Gele­gen­heit, ihre Stär­ke zu mes­sen, mit­telst der Ther­mo­me­ter, wor­in sie das Queck­sil­ber aus­dehnt und sei­nen Umfang um ein Acht­zigs­tel ver­mehrt von dem Gefrier­punk­te an bis zur Hit­ze des sie­den­den Was­sers. Die­ser Zwi­schen­raum wird auf den ver­schied­nen Ska­len ver­schie­dent­lich in Gra­de ein­ge-theilt, so daß, z.B. der natür­li­che Frost­punkt auf dem Fah­ren­he­iti­schen Wär­me­mes­ser 32, bei den übri­gen hin­ge­gen mit 0 bezeich­net wird, der Sie­de­punkt des Was­sers aber am Fah­ren­he­iti­schen mit 212, am Reau-müri­schen mit 80, am Cel­si­us­si­schen mit 100, u.s.w. Das lez­te­re wird in Schwe­den, das zwei­te in Frank­reich, das ers­te in Eng­land, Ita­li­en und Deutsch­land am häu­figs­ten gebraucht. Am wenigs­ten gebräuch­lich ist das peters­bur­ger Ther­mo­me­ter des De l’Is­le, an wel­chem, umge­kehrt, der Sie­de­punkt des Was­sers mit 0 bezeich­net ist, der natür­li­che Gefrier­punkt aber mit 150.

Höhe­re Hitz­gra­de, die über den Sie­de­punkt des Queck­sil­bers (etwa 600° bis 709° Fahr.) stei­gen, wer­den durch die Beob­ach­tung der in der Hit­ze erfol­gen­den Ver­län­ge­rung metal­le­ner Stan­gen (Pyro­me­ter) erforscht, der Apo­the­ker bedarf aber der­glei­chen Zurü-stun­gen sel­ten oder nie.

Dage­gen ist ihm die Wahr­neh­mung der nied­ri­gern Hitz­gra­de bei sei­nen Arbei­ten des­to unent­behr­li­cher, und kein vor­züg­li­cher Apo­the­ker behilft sich bei sei­nen Ope­ra­tio­nen mit dem blo­sen empi­ri­schen Gefüh­le der Hand; er nimmt, wo es sich nur thun läßt, einen gut berei­te­ten Wär­me­mes­ser zu Hülfe.

Die Wär­me­gra­de, bei denen ein­zel­ne Kör­per sich zu ver­dich­ten, wie­der auf­zu­lö­sen, zu schmel­zen, zu kochen, und zu ver­flüch­ti­gen pfle­gen, sind bei jeder ein­zel­nen Sub­stanz, wo mög­lich, ange­ge­ben; der Schmelz­grad der Metal­le aber unter Schmelzen.