Wirkung
Bock1 beschreibt Linum als entzündungswidrig, hustenmildernd, leicht aphrodisierend wirkend, äußerlich angewandt als schmerzstillend, erweichend, heilend, im Klistier darmöffnend.
Matthiolus2 empfiehlt ihn außerdem bei Schwindsucht, äußerlich, mit Essig vermischt, zum Stillen des Nasenblutens; die Inhalation des Leinsamenrauches soll nach ihm den Schnupfen vertreiben.
In der Volksmedizin wird der Leinsamen wegen seiner leicht verschleimenden Epidermis bevorzugt angewandt, um Fremdkörper aus dem Auge zu entfernen3. Kneipp4 und andere empfehlen den Leinsamen zur Schmerzstillung und Linderung bei geschwürigen und entzündlichen Prozessen des Verdauungsapparates, wie Geschwüre im Magen und Zwölffinger- und Blinddarm. Bei Gallenstein- und Nierensteinkoliken macht man Einläufe in Form von Leinsamenauszügen, die sehr wohltuend und in gewissem Sinne auch schmerzstillend wirken. Auch bei schmerzhaften Entzündungen der Niere, des Nierenbeckens und der Blase gilt der Leinsamen als Linderungsmittel.
Diese schmerzstillende Wirkung bei katarrhalischen Zuständen der Magen- und Darmschleimhaut hat neuerdings auch Schramm5 bestätigt.
Auf der Haut erzeugt Linum gelegentlich leichtere Hautreizungen6. Die stuhlregulierende Wirkung beruht auf der Quellung der schleimreichen Samen im Darme, wodurch das Volumen des Darminhaltes erhöht und die peristaltische Entleerung gefördert werden7.
Schulz8 glaubt, den günstigen Einfluß des Leinsamens auf Schmerzempfindungen und Schwellungen der Schleimhäute auf dessen Gehalt an geringen Blausäuremengen zurückführen zu können.
Nach Bohn9 erweist sich die Leinsamenabkochung besonders wirksam bei Blasenkatarrh, Tripper, Steinreizungen, Husten und leichten Luftröhrenkatarrhen, speziell Masernkranker.
Sehr beliebt ist die äußerliche Anwendung des Leinsamens in Form von Umschlägen. Man verwendet dazu die frisch gemahlenen Leinsamen, auf jeden Fall noch nicht ranzig gewordenes Leinsaatmehl oder auch den Preßrückstand bei der Leinölverarbeitung, das Leinsamenpreßkuchenmehl oder auch Placenta Sem. Lini genannt. Klemperer-Rost gibt diesem den Vorzug, weil es billiger ist, keine Flecken auf der Wäsche macht und einen weniger starken Ölgeruch hat. Ob damit die gleiche Wirkung erzielt wird, wie mit dem Leinsaatmehl, möchte ich bezweifeln.
Neuerdings wird von H. Leclerc10 das Kataplasma aus Leinsamen in folgender Form empfohlen:
“Frisch gemahlene, nicht ranzige Leinsamen werden mit kaltem, weichem, also abgekochtem oder besser noch Regen- oder destilliertem Wasser, das man nach und nach zusetzt, zu einem gleichmäßigen Brei geknetet; diesen läßt man unter beständigem Umrühren eben aufkochen. Der heiße Brei wird dann in einer Schicht von der gewünschten Fläche und Dicke in der Mitte eines reinen, vorher gründlich ausgekochten Leinentuches ausgebreitet. Die Ränder des Tuches werden über dem Brei zusammengelegt und befestigt. Mit der unteren, glatten Seite wird das Kataplasma auf die zu behandelnde Stelle gelegt, nachdem man u. U. auf dieser Seite noch ein anderes Arzneimittel, dessen Wirkung man anzubringen wünscht, aufgetragen hat. Wünscht man zum Beispiel mit der erweichenden Wirkung des Leinsamens die ableitende des Senfmehles zu vereinigen, so kann man einen Senfmehlbrei aufstreichen oder auch der Kataplasmafüllung etwa ein Viertel ihres Gewichtes an Leinsamen Senfmehl zumischen. In beiden Fällen muß jedoch der Leinsamenbrei auf mindestens 40–45° abgekühlt sein, da höhere Temperaturen das Ferment der Allylsenföl-Bildung im Senfmehl schädigen und so das Senfmehl unwirksam machen würden.”
Die Homöopathie macht vom Lein bei Asthma, Heufieber, Zungenlähmung und Nesselsucht Gebrauch11.
Die ganze Pflanze enthält das Blausäure liefernde Glykosid Linamarin, das mit dem Phaseolunatin identisch ist. Es findet sich auch in den Samen, in diesen daneben u. a. das Protein Edestin, ferner Lecithin, das Glykosid-spaltende Enzym Linase, Dihydrositosterin und 30–40% fettes Öl. Dieses enthält neben den gewöhnlichen Bestandteilen auch Linolen- und Linolsäure12.
Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):
Dänemark: Mit Honig gegen Husten, äußerlich als Brei gegen Magen- und Unterleibsschmerzen, das Öl bei Brandwunden.
Litauen: Das Samendekokt wird häufig angewandt, so z. B. bei Husten, Verdauungsstörungen und Urinverhaltung.
Polen: Zu erweichenden Kataplasmen. (Aus dem Faserabfall wird in Polen gute Verbandwatte angefertigt.)
Steiermark: Als Breiumschlag bei Erkältungen.
Ungarn: Gegen Husten und Übelkeit.