Lehrbuch der biologischen Heilmittel

Wirkung
Lonicerus weià von der GroÃen Zaunwinde nur zu berichten, daà ihr Blütensaft den aufgetriebenen FüÃen dienlich sei.
Das gleiche schreibt Matthiolus, dem aber auch schon die purgierende Wirkung der Blätter bekannt ist.
In späterer Zeit geriet die Winde in Vergessenheit.
H. Schulz konnte über die Verwendung als Abführmittel in der neueren Volksmedizin nichts in Erfahrung bringen.
Nach Künzle sind die Blüten im Volke auch als Fiebermittel und Diuretikum beliebt, und er konnte beobachten, wie eine Lungenentzündung durch Windenblütentee in einer Nacht geheilt wurde.
In neuerer Zeit haben sich einige Ãrzte und Forscher der Zaunwinde wieder angenommen. So bezeichnet sie Stirnadel als “eins unserer besten Abführmittel”, das er zusammen mit Spec. carminativae erfolgreich verordnet.
In Frankreich waren es Leclerc und Brissemoret, die sich für die bevorzugte Anwendung der Winde einsetzen. Nach letzterem enthält die Zaunwinde in allen Teilen, hauptsächlich aber in der Wurzel, einen gummiartigen, harzigen Stoff, dessen abführende Wirkung gleich der anderer – exotischer – Convolvulaceen (Jalapa, Skammonienwinde) ist, der aber den Vorteil besitzt, weniger leicht löslich in alkalischen Mitteln, wie z. B. im Speichel zu sein. Daher besitzt er einen weniger scharfen Geschmack und übt eine geringer reizende Wirkung auf den Darm aus, ohne daà die purgierenden und cholagogen Effekte dadurch verringert würden.
Vollmer beobachtete mit Dosen von 2–20 (!) Gramm der Blätter in Form des Infuses in 27 Versuchen an Kaninchen und Mäusen niemals eine abführende Wirkung, im Gegenteil infolge des Gerbstoffgehaltes (etwa 10%) zum Teil eine Stopfwirkung. Dagegen besaÃen die Wurzeln nach Entfernung der störenden Gerbstoffe im Tierversuch eine Abführwirkung.
Schultzik hatte auch bei Kranken, die eine Verstopfung aufwiesen, keine Erfolge. Er konnte in Versuchen mit der Duodenalsonde keine gallentreibende Wirkung feststellen.
Peyer fand in Bestätigung älterer Autoren nur in der Wurzel der Zaunwinde Harz.
Auch Lendle erwähnte in einem Vortrage, daà die abführende Wirkung von Convolvulus jeder Begründung entbehre, da der Gerbstoffgehalt eher eine stopfende Wirkung ausübe.
Angewandter Pflanzenteil:
Die alten Kräuterbücher wissen von der Verwendung der Blätter, Blüten und Samen beider Winden (Convolvulus sepium und C. arvensis) zu berichten, und Lonicerus spricht vom Windenwasser “Gebrannt mitten im Meyen / da die weissen Glöcklin anhangen.”
Geiger erwähnt, daà von C. arvensis das Kraut, von C. sepium Kraut und Wurzel früher offizinell gewesen wären und fügt besonders hinzu, daà Convolvulus sepium kräftiger sei.
Buchheim nennt von beiden Arten nur die Wurzel, und auch Dragendorff führt nur die Wurzel mit ihrer purgierenden Wirkung an. Allen läÃt die Tinktur aus der Wurzel von C. arvensis herstellen.
Bei Clarke findet sich dieselbe Angabe.
Leclerc verordnet einen Tee von den Blättern oder auch eine Tinktur aus der Wurzel von C. sepium.
Schulz führt nur die Wurzel beider Arten an.
Thomas nennt als Droge die oberirdischen Teile von C. arvensis, der aber oft C. sepium beigemengt sei.
GeÃner wieder erwähnt den Wurzelstock beider Winden als Volksmittel. Flamm-Kroeber bezeichnen als Sammelgut die blühende Pflanze und als Sammelzeit den Juni-Juli, ihre Angaben beziehen sich auf C. sepium.
Künzle empfiehlt Blüten und Blätter beider Windenarten.
Ich möchte nach den obigen Angaben empfehlen, zur Bereitung der Arzneien die ganze blühende, frische Pflanze zu verwenden. Dieses Ausgangsmaterial wird auch zur Herstellung des “Teep” benutzt.
Das HAB. läÃt das frische, blühende Kraut von Convolvulus arvensis (§ 3) verwenden.
Sammelzeit: Juni bis Juli.
Dosierung:
Ãbliche Dosis:
1–1,5 g des Saftes (Leclerc);
1–2 g des Wurzelpulvers (Droz).
Maximaldosis:
Nicht festgesetzt.
Fußnoten:
1 Lonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 281.
2 Matthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 348 C.
3 Schulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 142; Droz, Die Heilpflanzen, 1926, S. 140.
4 Künzle, “Salvia” 1931, S. 80.
5 Stirnadel, Hippokrates 1934, Nr. 2.
6 Leclerc, Paris médical 1918.
7 Brissemoret, Journ. d. Practiciens 1901.
8 Vollmer, Klin. Wschr. 1936, S. 1036; ders., Naunyn-Schmiedebergs Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 1934, Bd. 176, S. 550.
9 Schultzik, Klin. Wschr. 1936, S. 1038.
10 Peyer, Pharm. Ztrlh. 1936, S. 237.
11 Lendle, L., Vortrag auf dem Kongreà der Naturforscher u. Ãrzte, Dresden 1936.